Primarschule Haut-Vully

Fünf Zimmer mit Aussicht

LYRA
14. Dezember 2017
Eingangssituation: Der neuer Pausenplatz vermittelt zwischen Altbestand und Neubau. Bild: Marc Asekhame

Name des Bauwerks Primarschule Haut-Vully ​
Nutzung Primarschule
Ort Route du Quart-Dessus 25, 1789, Lugnorre FR
Auftragsart Wettbewerb 2013, 1.Preis
Bauherrschaft Gemeinde Mont-Vully FR
Architektur LYRA | Lara Yves Reinacher Architekten AG/ETH SIA, Zürich
Fachplaner Atelier d’architecture Jacques Ayer, Fribourg (Bauleitung) | extra landschaftsarchitekten ag, Bern | DMA Ingénieurs SA, Fribourg | Tecnoservice Engineering SA, Fribourg | Zeugin Bauberatungen AG, Münsingen
Jahr der Fertigstellung 2017
Gebäudekosten CHF 6,2 Mio.
Gesamtkosten BKP 1-9 CHF 6,2 Mio.
Gebäudekosten BKP 2 CHF 5,2 Mio.
Gebäudevolumen ​5’400 m3
Energiestandard Minergie
Fotos ​Marc Asekhame, Bern / LYRA

Grosse, in der Höhe leicht versetzte Fenster betonen die Orientierungen der Klassenzimmer auf die prägenden Elemente der Umgebung: See, Mont Vully und Weinberge. Bild: Marc Asekhame

Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Der Entwurf ist stark beeinflusst von den Ausblicken auf den Murtensee, den Mont-Vully und die umliegenden Weinberge. Aus dieser spezifischen Orientierung entspringt die Idee, dass sich jedes Klassenzimmer einer Aussicht zuwendet. Die daraus resultierende Form verortet das Gebäude im Kontext und verleiht ihm eine felsartige Plastizität. Deshalb resultierte als selbstverständliche Folge der Wunsch, das Schulhaus als zweischalige Betonkonstruktion zu bauen.
 
Grosse Fenster rahmen den Blick in die Umgebung und werden im Innern mit massiven Eichenrahmen und Leibungen veredelt. Tiefe Brüstungen greifen den kindlichen Massstab auf und schaffen für die kleinen Nutzer unterschiedliche Bezüge zur umliegenden Landschaft: Während die höher gelegenen Öffnungen den Blick auf die Weite des Himmels, den See und die Berge lenken, Stellen die tieferen den Bezug zur unmittelbaren Umgebung her: die Spielwiese, der Pausenplatz und die gegenüberliegende alte Schule. Diese beherbergt seit ihrer Sanierung den Kindergarten und Hort der Schulanlage.

Die Fassade aus gekratztem Kalksteinbeton verleiht dem Gebäude über das sichtbar gemachte beige-bräunliche Korn eine «Erdigkeit». Bild: LYRA

Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?
Im Entwurfsprozess begleiten uns stets verschiedene Bilder, die uns inspirieren und helfen, unsere Ideen zu schärfen: dies können Werke von Künstlern sein, bestimmte Atmosphären aus der Natur oder spezifische Architekturen – meist vergangener Zeiten. Im Falle der Schule von Vully entstand so ein heterogenes Moodboard mit herrschaftlichen Winzerhäusern der Gegend, Findlingen, Aufnahmen von Weinbergen mit den typischen steinernen Stützmauern, frühen Holzarbeiten von Donald Judd und das Bild eines Mädchens von Edward Hopper, das in einem grossen Fenster sitzt. Nicht zuletzt aber auch Fotos der beige-gelblich verputzten Fassaden von Vully. Aus dieser, auf Ort und inneren Vorstellung inspirierten Collage entwickeln wir dann den Raum, die Stimmung und Materialität des Gebäudes. Im Falle der Primarschule Vully entstand eine zurückhaltende Atmosphäre, die von hohen Räumen, Ausblicken in die Natur und den organischen Materialien Beton, Messing und Eiche geprägt wird und sich jetzt bewusst den farbenfrohen Kinderhänden überlässt, die nun die Schule wie eine bespielbare Bühne mit ihrer eigenen Farben und Formen prägen können und sollen.

Der gekratzte Betonoberfläche und die glattgeschalten Laibungen der Fenster referenzieren die traditionellen Winzerhäuser. Bild: LYRA

Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Eine Schule planen und bauen zu dürfen war für uns eine besondere Herausforderung. Die behutsame Einfügung in den Kontext war uns von Anfang an ein Anliegen, wobei uns insbesondere die Materialisierung der Gebäudehülle sehr wichtig war. Mittels 1:1-Mustern aus verschiedenen Betonmischungen von verschiedenen Werken konnte schliesslich das passende Produkt gefunden und die Bauherrschaft überzeugt werden.

Grosse, runde Oblichter und präzis gesetzte Fenster führen durch das Gebäude. Bild: Marc Asekhame

Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?
Die Schule ist in einem zweischaligen Betonmauerwerk erstellt. Wobei die äussere Fassade aus Kalksteinbeton gekratzt wurde und dem Gebäude über das sichtbar gemachte, beige-bräunliche Korn eine «Erdigkeit» verleiht. Die erzielte raue Oberfläche und Plastizität weckt für uns wichtige Assoziationen einerseits zu den traditionellen Bruchsteinmauern der umliegenden Weinberge, und andererseits verbindet sich das Gebäude mit der Erde des Hangs auf dem es steht. Man kennt dieses harmonische Bild von Häusern, die aus Stein oder Holz erstellt sind, Materialien, die direkt am Bauplatz vorgefunden wurden. Diese Form der Selbstverständlichkeit eines Materials hat uns fasziniert und uns zum handwerklich nicht ganz einfachen Bauprozess bewogen. Die Handwerker mussten den noch feuchten Beton mit grossen Rechen abkratzen und so die glatt-geschalte Oberfläche wieder entfernen, um zum gebrochenen Korn vorzudringen und es sichtbar zu machen. Einzig die Leibungen der Fenster blieben von dieser Technik unberührt und rahmen die grossen Öffnungen, wie man es auch von den abgesetzten Steinrahmen der traditionellen Häuser der Umgebung kennt.

Die skulpturale Wirkung der Treppe wird durch das möbuisartige Messinggeländer verstärkt. Bild: Marc Asekhame

Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?
Der Weg sich über Bilder einem Entwurf zu nähern prägt unsere Arbeit schon seit Beginn unserer selbstständigen Tätigkeit. Es ist jedes Mal wieder faszinierend, wie mit dieser Methode ein Entwurf entsteht, der den Kontext vervollständigt und in gewisser Weise aus ihm entspringt. Diese Entwurfs-Haltung kann nicht gleiche Antworten auf verschieden Fragestellungen geben, darum ist die Schule in Vully auch ganz anders, als beispielsweise unser Wohnungsbau in Bern, der in einigen Wochen fertiggestellt wird.

Die tiefen Brüstungen der Fenster greifen den Maßstab der Kinder auf und schaffen zusammen mit den Schreinerarbeiten aus Eiche eine angenehmes Raumklima. Bild: Marc Asekhame
Längsschnitt
Situation
Situation mit Erdgeschoss
Regelgrundriss

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