Exemplarische und kreative Antworten

Jenny Keller, SIA
22. März 2017
Eine Anerkennung geht an die «Ricomposizioni» in Sceru und Giumello im Malvagliatal. Bild: : © Pino Brioschi

Der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA) hat am Abend des 22. März 2017 im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich seine Auszeichnung «Umsicht-Regards-Sguardi» verliehen. Der Preis würdigt Leuchtturmprojekte und ihre interdisziplinäre Entstehung. Eine demnach interdisziplinäre Jury hat nach fünf Beurteilungskriterien (Innovationsleistung, gestalterische Qualität, gesellschaftliche Relevanz, ökologische Verantwortung, ökonomische Leistungsfähigkeit) die eingereichten Projekte überprüft und 15 in die engere Auswahl genommen und besucht. Der Idee des Preises entsprechend, vergab die Jury die Auszeichnung an Werke, die von interdisziplinären Planungsteams entwickelt wurden, die ökologisch und sozial nachhaltig und ganzheitlich gedacht sind. Sechs der insgesamt 79 eingereichten Arbeiten wurden ausgezeichnet, zwei Werke erhielten eine Anerkennung. 

Vier der ausgezeichneten oder prämierten Arbeiten verbindet das Anliegen, die gewachsene Kulturlandschaft der Schweiz zukunftsorientiert weiterzuentwickeln, die anderen vier befinden sich – zufälligerweise – in der Agglomeration Zürich. Wie Genf und Basel sei auch Zürich städtebaulich bestimmt durch ökonomischen und demographischen Wachstumsdruck, den es aktiv zu gestalten gelte, ist in der Medienmitteilung des SIA zu lesen. 

Die Auszeichnungen

  • Altes Schulhaus Valendas ​

Altes Schulhaus Valendas. Bild: © Ralph Feiner

Das seit Jahren leerstehende alte Schulhaus wurde zum Besucherzentrum des Naturparks Beverin umgebaut. Für das Dorf Valendas stellt es aber auch den Schlussstein erfolgreicher Dorferneuerung dar – als Teil einer Initiative, die der Entvölkerung der Berggebiete mit konkreten Projekten entgegentritt, ist die neue Nutzung des Schulhauses zugleich «Zeugin für eine engagierte, zukunftsgläubige Bevölkerung ausserhalb der Ballungszentren» wie es im Urteil der Jury heisst.

Bahnhof Oerlikon. Bild: © René Dürr

Als technisch und logistisch aufwändiges Verkehrsprojekt wurde der Ausbau des Bahnhof Zürich-Oerlikon weit über die Grenzen der Limmatstadt bekannt. Die «Umsicht»-Jury verlieh dem eng mit dem Bau der Zürcher Durchmesserlinie verbundenen Projekt als «herausragende Gesamtlösung» eine Auszeichnung, weil es den beteiligten Planern gelang, trotz einer Vielzahl von Bauherrschaften, dem Bauen unter Betrieb und der mehrfachen Vergrösserung des Projektierungsperimeters eine einheitliche gestalterische Handschrift über alle Bauwerke umzusetzen.

  • Erneuerung des Wasserkraftwerks Hagneck bei Biel

Erneuerung des Wasserkraftwerks Hagneck bei Biel. Bild: © Hannes Henz

Ein Dreiklang aus moderner Kraftwerktechnik, sensibler Architektur und landschaftlicher Einbettung und gemäss Jury «ein wegweisendes Beispiel für die in den nächsten Jahren in grosser Zahl zu erwartenden Erneuerungen von Kraftwerken».
 

Kraftwerk 1, Zwicky Süd, Dübendorf. Bild: © Andrea Helbling

Mit der Wohnsiedlung «Zwicky Süd» stellte die Genossenschaft «Kraftwerk 1» auf dem 24 Hektar grossen Gelände der ehemaligen Spinnerei Zwicky am Ufer der Glatt in Dübendorf (ZH) unter Beweis, dass neben der Energieeffizienz und dem partizipativen Planungsansatz noch mehr möglich ist: Inklusion und Solidarität – über Nationen, Lebensformen und soziale Schichten hinweg. Rund 300 Personen aus über zwölf Ländern wohnen derzeit in der Siedlung; darunter auch solche, deren Miete aus einem Solidaritätsfond mitfinanziert wird. Aber auch Jugendliche in schwierigen Lebenssituationen, die hier betreute Wohnformen finden, sowie fünf Flüchtlingsfamilien.

  • NEST, Dübendorf

NEST. Bild: © Roman Keller

Am NEST (Next Evolution in Sustainable Building Technologies) erproben Wissenschaftler die Gebäudetechnologie und die Gebäudehülle der Zukunft. Hinsichtlich der Innovationsleistung schwingt das NEST obenaus. Es ist weniger ein konventionelles Gebäude als eine gebaute Trag- und Versorgungsstruktur mit wechselnden «Inhalten». Neue Technologien können hier realitätsnah im 1:1-Modell und unter Nutzung getestet werden.
 

  • Revitalisierung des Flusses l’Aire bei Genf

Revitalisierung des Flusses l’Aire bei Genf. Bild: © Groupement Superpositions

Aus dem Miteinander von Wasserbau, Biologie und Landschaftsgestaltung entstehen eine differenzierte Landschaft und eine bemerkenswerte Synthese aus Natur und Artifiziellem.

Die Anerkennungen

  • Ricomposizioni in Sceru und Giumello im Malvaggiatal
Das vielleicht unkonventionellste Landschaftswerk unter den Preisträgern sind die «Ricomposizioni» in Sceru und Giumello im Malvagliatal. Die zwei Alpweiler auf 2000 Metern Höhe, im Nordosten des Kantons Tessin sind seit langem verlassen. Vor einigen Jahren begann Martino Pedrozzi, ein Architekt aus Mendrisio, die Steine der umliegenden verfallenen Gebäude innerhalb der noch bestehenden Fragmente zu einem Plateau aufzuschichten, das den ursprünglichen Perimeter des Gebäudes abbildet; obschon das Projekt keine Aspekte technischer und gesellschaftlicher Innovation aufweist, sah die Jury in dem Land-Art-Projekt eine «Referenz an vergangene alpine Nutzungen und eine räumliche Neuinterpretation der vorgefundenen Artefakte», die sie für die sie eine Anerkennung aussprach.
 
  • «BS2 Zeleganz»
Das von Professor Hansjürg Leibundgut an der ETH Zürich in zwölf Jahren interdisziplinärer Forschungsarbeit entwickelte «Zeleganz»-Systems (Zero Emission Low Ex ganzheitlich) bewirtschaftet die saisonal variierende Solarenergie clever. Es setzt auf kluge Steuerung und effektive Speichermedien statt auf maximale Dämmung und Energieeffizienz. Die Jury erkannte in dem System einen wertvollen Baustein zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 des Bundes. Und sieht darin eine Antwort auf exzessives Dämmen, worunter schon viele gute Architektur verschwunden sei, wie Stefan Cadosch, Umsicht-Jury-Präsident und SIA-Präsident erklärte.


  • Auf der Website des SIA befinden sich neben umfangreichen Informationen zu «Umsicht» auch alle Filme zu den ausgezeichneten Arbeiten: www.sia.ch/umsicht
  • Nach ihrer Präsentation im Landesmuseum wird die Umsicht-Ausstellung vom 27. bis 30. März 2017 im Stadtmodellraum der Stadt Zürich, Amtshaus IV, Lindenhofstrasse 19 zu sehen sein, bevor sie in verschiedenen Regionen der Schweiz sowie im benachbarten Ausland gezeigt wird.

Verwandte Artikel

Vorgestelltes Projekt

atelier a und b ag

Martiweg

Andere Artikel in dieser Kategorie