Auf die richtigen Zutaten kommt es an

Gerold Kunz
25. Januar 2018
Ansicht vom Ortskern her. Bild: Thomas Schregenberger GmbH

Heiligkreuz, ein ISOS-Spezialfall im Luzernischen Entlebuch, ist seit 1344 als Wallfahrtsort bekannt. Der aus wenigen Häusern bestehende Weiler gilt als Kraftort und wird auch gerne wegen des einzigartigen Ausblicks in die hügelige Landschaft des Luzerner Hinterlands aufgesucht. Das Zentrum bildet die 1593 geweihte Wallfahrtskirche. Mit dem Bau eines Kurhauses erhielt der Ort ab Mitte des 19. Jahrhunderts touristische Bedeutung. Ein Skilift, eine Ferienhaussiedlung und ein Ferienheim der Ingenbohler Schwesterngemeinschaft sind die Zutaten des 20. Jahrhunderts. Nun soll hier eine Schweizer Koch-Akademie entstehen, die nicht nur Heiligkreuz, sondern auch der UNESCO Biosphäre Entlebuch über die Region hinaus ein klares Profil geben wird.

Unter einer Koch-Akademie wird ein Campus mit Schulungszentrum und Wohnteil verstanden, an dem sich die Kochelite zu Spitzenköchen ausbilden lassen kann. Nicht nur Schulräume, auch ein Restaurant und ein Park sind im Raumprogramm enthalten. Hinter dem Projekt stehen der Verein Chance Heiligkreuz und die Hotel & Gastro Union. Die Nutzung ist auf das Areal des stillgelegten Ingenbohler Ferienheims zugeschnitten. Die Lage abseits des Kerngebiets des nationalen Ortsbilds und die vorhandenen Ausbaureserven lassen eine Neunutzung zu. Aus einem Studienauftrag wurde nun das Projekt der Arbeitsgemeinschaft um Thomas Schregenberger GmbH zur Weiterbearbeitung erkoren.

Das Ferienheim, erbaut um 1970 nach Plänen des Architekten Theo Baumeler, wurde vor wenigen Jahren sorgfältig renoviert. Bild: Otto Pfeifer

Kloster oder Stall
Die Planer hatten nicht nur einen Neubau zu entwickeln, sie mussten auch aufzeigen, wie das ehemalige Ferienheim an die künftige Nutzung angepasst werden kann. Als Alternative hätte man auch Neubauten für Wohnungen in das historische Ortsbild einfügen können. Die Teams schlugen unterschiedliche Wege ein. Die Palette an Lösungen reichte vom sanften Ergänzen der Anlage bis zum Ausbilden eines klösterlichen Hofes, der in der heutigen Anlage ansatzweise vorhanden ist.

Situation (überarbeiteter Projektplan). Bild: Thomas Schregenberger GmbH

Die Jury entschied sich für eine Lösung mit einem Solitär, der die Aussenraumorganisation eines ländlichen Hofes aufnimmt und dessen Lage sich durch die präzise Platzierung im Gelände ergibt. Zwischen dem alten und dem neuen Gebäudetrakt spannt sich künftig ein auf zwei Seiten offener Hof auf. Er dient der Akademie sowohl als Zugangshof wie auch als Aussenraum. Hier sind die publikumsnahen Nutzungen angeordnet, während die Schulungsküchen im Obergeschoss auf den rückwärtigen Garten ausgerichtet sind. Auch im Siegerprojekt ist ein klösterliches Element enthalten: Die Mitte nimmt ein sich über beide Geschosse und den Dachraum erstreckendes Refektorium (der Speisesaal in einem Kloster) ein, der mit Zenitallicht versorgt wird und Sichtbezüge in die angrenzenden Räume bildet. Hier werden die Gäste bewirtet.

Das Refektorium. Bild: Thomas Schregenberger GmbH

Bauen im Bestand
Während mit dem Neubau auf den ursprünglichen Geländeverlauf Bezug genommen wird, lässt der Umgang mit dem Ferienheim beim Siegerprojekt eine ähnlich klare Haltung vermissen. Der schützenswerte Bau, erbaut um 1970 nach Plänen des Architekten Theo Baumeler und noch vor wenigen Jahren sorgfältig renoviert, soll rückgebaut und mit einem volumetrischen Akzent in der Gebäudemitte ergänzt werden. Anstelle der Loggien sollen Korridore entstehen, was bedeutet, dass die Zimmer künftig nach Norden ausgerichtet sind. Der Vorschlag wurde mit Recht von der Denkmalpflege kritisch beurteilt. Eine Überarbeitung ist zwischenzeitlich bereits erfolgt.

Richtprojekt Hof. Bild: Thomas Schregenberger GmbH

Auf die Qualitäten des modernen Bauzeugen sind der zweit- und drittplatzierte Beitrag sensibler eingegangen. Zurückhaltende Eingriffe zeugen vom Respekt der Architekten gegenüber dem Ferienheim. Joos & Mathys Architekten hätten die zweiflüglige Anlage mit einem dritten Trakt ergänzt, der die Gestaltungsmerkmale des Bestandesbaus aufnimmt. Die Fachjuroren erkannten im Projekt besondere Qualitäten. Wegen fehlender Unterstützung der Betreiber schied es in der Endrunde aus. Miller & Maranta wollten dem Einbünder eine zweite Zimmerschicht anfügen und damit dem Gebäude eine ansprechende und identitätsstiftende Fassade nach Norden gegeben. Ihr Projekt schied aus, weil ortsbaulich Fragen offenblieben. Auch wenn die Pläne den Umgang mit den originalen Fassaden nicht detailliert ausweisen, wäre die Grundrisstypologie des Gebäudes erhalten geblieben.

Richtprojekt Akademie frontal. Bild: Thomas Schregenberger GmbH

Grosser Fussabdruck
Im Umgang mit dem bestehenden Gebäude zeigt sich eine Schwäche des ausgewählten Projekts. Obwohl die Nutzungen sich auf zwei Geschosse konzentrieren und das Gebäude in den Hang hinein gebaut wird, dominiert das neue Volumen die Anlage, insbesondere wegen des grossen Fussabdrucks und der eigenwilligen Dachgestaltung, von der sich die Jury ein «unverkennbares Gesicht» für die Koch-Akademie verspricht. Doch die Lage des Neubaus abseits der Kernzone liess das Team um Thomas Schregenberger vermutlich erkennen, dass mit dem bestehenden Gebäude ein Akzent gesetzt werden muss, soll «Ausdruck und Wirkung der Anlage Teil der Marke Koch-Akademie» werden, wie es sich der Auslober wünscht.
 
Als Anlage wird hier das Zusammenspiel von bestehender und neuer Architektur und ihrer Freiräume bezeichnet. Ähnlich wie beim Kochen, wo die besten Produkte kein bestes Gericht garantieren, ist es auch bei der Architektur: Sie entsteht dann, wenn das Zusammenspiel der Zutaten harmonisch ist, aber auch zu überraschen vermag. Die Weiterbearbeitung wird zeigen, ob sich aus den ausgewählten Zutaten ein Festschmaus anrichten lässt.

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