Deutschland an der Biennale

Manuel Pestalozzi
6. März 2018
Projektbeispiel Europa-Radweg Eiserner Vorhang, Brücke der Einheit in Vacha. Bilder: Jürgen Ritter

Hinter allen offiziellen Auftritten steht der Staat. Im Falle des Deutschen Pavillons auf der 16. Internationalen Architekturausstellung La Biennale di Venezia 2018, hier fortan Biennale genannt, wird er vertreten durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Es ernannte auf Empfehlung der Auswahlkommission des dazu ausgeschriebenen, offenen Wettbewerbsverfahrens im August 2017 Marianne Birthler, einstige Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, zusammen mit Lars Krückeberg, Wolfram Putz und Thomas Willemeit von GRAFT zu den Kuratoren für den Deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig 2018. Der Pavillon wird das öffentliche Deutschland repräsentieren.
 
Grafton heisst das Büro der Kuratorinnen der gesamten Biennale, Yvonne Farrell und Shelley McNamara. Sie gaben dem Anlass den Titel «Freespace». Dieser vermittelt gemäss der offiziellen Website «eine Grosszügigkeit des Geistes und die humanitäre Regung als Antrieb für die Architektur, welche die Qualität des Raums selbst in den Brennpunkt stellt». Englisch ist auch der Titel des Beitrags von Deutschland, der sich mit diesem Thema auseinandersetzt: «Unbuilding Walls». Er wird vom 26. Mai bis 25. November 2018 in den Giardini della Biennale in Venedig zu sehen sein. Das Kuratorenteam wählte am 5. Februar das Besucherzentrum der Gedenkstätte der Berliner Mauer als Ort aus, an dem es die Öffentlichkeit über den Pavilloninhalt informierte.
 
Mauer und Deutschland, da kann in einer Biennale-Ausstellung eigentlich nichts anderes gemeint sein als die befestigte Trennlinie zwischen BRD und DDR, respektive zwischen West- und Ost-Berlin. Und in der Tat will man anhand dieser physischen, überdeutlichen Grenzziehung – die heuer genau so lange weggeräumt ist, 28 Jahre, wie sie zuvor bestanden hatte - reagieren auf gegenwärtige Debatten über Nationen, Protektionismus und Abgrenzung. Ganz konkret wird anhand von architektonischen Projekten auf dem ehemaligen Grenzstreifen untersucht, was in den letzten 28 Jahren in diesem beispiellosen Leerraum inmitten einer neuen Hauptstadt aber auch in der tiefen Provinz passiert ist.

Projektbeispiel Axel-Springer-Campus in Berlins einstiger Mauerzone. Bild: courtesy of OMA

An der Pressekonferenz wurden verschiedene Projektbeispiele vorgestellt, die in Venedig ihren Auftritt haben werden. Berlin war vertreten mit dem Projekt Axel Springer-Neubau von OMA und dem Checkpoint Charlie. Die Provinz kam mit dem Europa-Radweg Eiserner Vorhang und den Wüstungen entlang des innerdeutschen Grenzstreifens auf ihre Rechnung. Diese Beispiele befinden sich aktuell in unterschiedlichen Stadien der Musealisierung oder Neubelebung, ihr Schicksal ist, so scheint es, je offener, desto weiter entfernt sie sich von urbanen Brennpunkten befinden. Total sollen es in Venedig, wie Mitteilungen von der Pressekonferenz zu entnehmen ist, 28 Projekte sein, also für jedes Mauerjahr eines, über 20 von ihnen befinden sich im Raum Berlin.
 
Den Macherinnen und Machern des Deutschen Pavillons ist zu wünschen, dass sie sich nicht zu sehr von der Gravitas der jüngeren Geschichte in die Knie zwingen lassen und neben der «Wall» dem Akt des «unbuilding» die Bedeutung beimessen, die er verdient. Abbauen bedeutet schliesslich, dass Raum und auch Stoff frei wird für Neues und dass das nicht immer eine Gedenkstätte oder ein Besinnungsort sein muss.

Projektbeispiel Wüstungen. Schmerbach vor seiner vollständigen Entfernung für den «antifaschistischen Schutzwall» der DDR. Bild: Privatarchiv Kilian

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