Dorstfelder Hannibal steht leer

Manuel Pestalozzi
25. September 2017
Der Dorstfelder Hannibal,1975 fertiggestellt, wurde vor einigen Tagen evakuiert. Bild: Wikimedia Commons

In Dortmund im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen gibt es gleich zwei Hannibale. Den kleinen Hannibal in Dortmund Nord und den grossen Hannibal im Stadtteil Dorstfeld. Architekten und Bauherrschaft sind identisch: das nicht mehr existierende Büro Einsfeld, Odenwaeller, Spiess aus Dortmund und die heuer 99jährige Dogewo21 Dortmunder Gesellschaft für Wohnen. Die Überbauungen entstanden zwischen 1972 und 1975, mit ihren gestaffelten Balkonkörben und den Splitlevelgrundrissen sind sie vom Olympischen Dorf von München inspiriert. Vor allem der grosse Hannibal mit über 400 Wohnungen sorgt für Negativ-Schlagzeilen: Schuld sind schnell wechselnde Besitzerverhältnisse, halb durchgeführte Sanierungsmassnahmen und, wie sich jetzt zeigt, akute Sicherheitsbedenken.
 
Am vergangenen Donnerstagabend liessen die Behörden die ganze Überbauung in einer unangekündigten Aktion räumen. Der Grund erinnert stark an die Ursachen der Feuertragödie in Londons Stadtteil Kensington; wie beim dortigen Grenfell-Tower geht es um Sanierungsmassnahmen, meldet ein Bericht des WDR. Die Rede ist von Vertikalschächten, die die Wohnungen schnell verrauchen und in Brand setzen könnten. Die mehr als 800 Bewohnerinnen und Bewohner wurden mit Bussen in eine Leichtathletikhalle transportiert. Sie haben keine Ahnung, wann und ob sie in ihre Wohnungen zurückkönnen. Dieses panikartige, unkoordinierte Ziehen der Reissleine rückt den Zusammenhang zwischen Verdichtung und Sicherheitsgarantien ins Schlaglicht. Die Geschichte aus Dortmund zeigt auch, dass es bei Grossprojekten schwierig werden kann, zuverlässige Garanten für Betrieb und Unterhalt zu finden. Dies sollte angesichts der hektischen Bau- und Verdichtungstätigkeit auch in der Schweiz zu denken geben.

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