Foto © Chen Qing
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Foto © Guido Baselgia
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Neubau Künzle Heim

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Standort
Schaffhausen
Jahr
2011
Bauherrschaft
Stadt Schaffhausen, Stiftung Künzle Heim

Das Haus im Park - der Park im Haus
Es gibt in Schaffhausen einige Altersheime, aber nur ein Künzle Heim. Das Haus wurde von Pfarrer Künzle in den 50iger Jahren auf privater Basis gegründet. Jahrzehntelang stand die Institution synonym für eine etwas andere, gehobenere Atmosphäre. Wer die Wahl und das entsprechende Budget hatte, wollte in das Künzle Heim und das auch, bevor man gepflegt werden musste. Es waren nicht zuletzt die langjährige Heimleiterin Marianne Gantenbein und die Heimärztin Frau Knecht, die für ein gutes Klima im Hause garantierten. Die Architektur stellt zwar die unentbehrliche Kulisse zur Verfügung, doch auch diese, sei sie noch so sorgfältig durchdacht, schafft nur den Rahmen. Für die Gastgeberschaft ist der Betreiber verantwortlich und schliesslich dafür, ob sich die ­zukünftigen BewohnerInnen im Hause tatsächlich wohlfühlen. In einer Atmosphäre, in welcher das Geld praktisch ­sämtliche Werte unseres Zusammenlebens zunehmend prägt, ­werden verbale Versprechungen, es gehe um die Integrität der Bewohner, um deren Selbstständigkeit, offensichtlich an der Höhe der verrechenbaren Pflegepunkte ­gemessen. Denn nur wo teure Pflegepunkte verrechnet werden ­können, scheint die Institution Alters- und Pflegeheim zu rentieren. Und genau das muss das neue Künzle Heim, denn es wird neu nicht mehr privat, sondern von der Stadt ­Schaffhausen ­betrieben werden. Daher wird es zukünftig auch nicht mehr Künzle Heim heissen, sondern QDZ: Quartier Dienstleistungs Zentrum. Dahinter steckt die Idee, das neue Haus und seine Dienstleistungen dem ganzen Quartier zur Verfügung zu stellen.

Nicht zuletzt aus den oben beschriebenen Gründen taten sich die Stadt – aber auch die Architekten – schwer mit dem Gedanken, ein an und für sich intaktes Gebäude ab-
zubrechen. So schrieb die Stadt Schaffhausen im Mai 2005 zusammen mit der Stiftung Künzle Heim einen Studienauftrag für den Umbau des bestehenden Künzle Heims aus. Sechs der sieben eingeladenen Architekten­teams folgten den Vorgaben des Hochbauamtes, das bestehende Hochhaus um- resp. anzubauen. Einzig Frei & Ehrensperger Architekten zeigten auf, dass ­dieses Vorhaben nicht zufriedenstellend gelöst werden kann und schlugen anstelle des Umbaus einen Neubau vor. Die Bauweise des Hochhauses liess keine Anpassungen an zeitgemässe Pflegekonzepte zu. Die Wettbewerbsjury folgte diesen Überlegungen einstimmig und bedachte Frei & Ehrensperger mit dem 1. Preis. Die Stadt sah sich allerdings nicht in der Lage, dem siegreichen Team den Auftrag zur Weiterbearbeitung zu erteilen, da ­dieses angeblich gegen die Vorgaben des Wettbewerbes ­verstossen hatte, vielmehr organisierte sie eine neue ­Ausschreibung – für einen Neubau. Auch dieser Wettbewerb wurde von Frei & Ehrensperger Architekten im ­September 2006 gewonnen. Nachdem das Stimmvolk der Vorlage mit einem grossartigen Mehr zugestimmt hatte, konnte mit dem Spatenstich im August 2008 die Ausführung endlich an die Hand genommen werden.

Mit dem Abbruch des bestehenden Hochhauses eröffneten sich neue Möglichkeiten, wurde im wahrsten Sinn des Wortes Platz frei. Indem sich das alte Gebäude ausschliesslich nach Süden orientiert hatte, kehrte es den zwei bestehenden Wohnhäusern den Rücken zu, die Eingangssituation war beengt und dunkel. Durch das Wegrücken des Neubaus konnte neu ein gut besonnter, alle drei Gebäude verbindender zentraler Platz geschaffen werden. Das neue Gebäude äussert sich auf alle Seiten gleichwertig und steht damit nicht mehr am Rande, sondern mitten drin im bestehenden Park mit seinem prächtigen Baumbestand. Diese neue Ausrichtung prägt sowohl das volumetrische als auch das architektonische Konzept des neuen Künzle Heims massgebend.

Das Neubauvolumen mit seinen 57 Zimmern, dem öffentlichen Erdgeschoss (Administration, Cafeteria, Restaurant, Bibliothek, Coiffeur) ist ausserordentlich gross. Trotzdem gelingt es, das z-förmige Volumen selbstverständlich in den Park einzufügen. Rund um das Haus entstehen vielfältig nutzbare Aussenräume, eine räumliche Verschränkung mit den Bäumen des Parks wird möglich. Das neue ­Quartierzentrum kann von allen Seiten betreten werden, es gibt weder Vorder- noch Rückseite. Der jahreszeitliche Wechsel der Natur wird zum prägenden Erlebnis um, aber auch im Gebäude. Die einzelnen Zimmer scheinen förmlich in die Bäume hineingebaut worden zu sein. Fast könnte man vergessen, dass das neue Haus auf zwei bestehenden Untergeschossen des abgebrochenen Hochhauses und diese, wie bis anhin, auf einem Tunnel der SBB stehen. Statisch eine knifflige Aufgabe.

Eine sinnliche Lebenswelt
Ziel der entwerferischen Grundhaltung war es, den Bewohnern und Bewohnerinnen eine vielfältige, charaktervolle Lebenswelt zu bieten, welche ihre Sinne anregt. Eine Lebenswelt, die es zu entdecken gilt, die für jeden Einzelnen aber auch zunehmend beschränkt sein wird. Wie beim Mensch ist der Charakter des neuen Hauses durch unterschiedliche Stimmungen geprägt. Je nachdem, wie die Sonne um das Haus herum tanzt, ändern sich die Stimmungen: es gibt hellere Orte und es gibt dunklere Orte, es gibt Zimmer mit Blick in die Bäume und solche mit Weitsicht auf die heimatliche Landschaft oder die Stadt. Es gibt Orte, wohin man sich zurückziehen kann, und es gibt solche, wo man jemanden treffen kann. Die hölzerne Fassadenhaut ist gleichsam Abbild dieses individuellen Wechselspiels der Gemüter.

Dem heutigen Standard genügend wurde das Haus ­gemäss Minergie-Eco Richtlinien erstellt. Dies bedeutet ­­neben hochisolierten Fassaden den Einbau sowohl einer Solar-, als auch einer Photovoltaik-Anlage, welche das Haus mit «ökologischem» Strom versorgen. Die tragenden Wände sind auf ein Minimum reduziert, ein Grossteil des verwendeten Betons ist Recyclingbeton. Die Aussen­wände sind ausschliesslich als nichttragende, ausgeflockte Holzelemente ausgeführt und wurden vor­fabriziert. Die äussere Wetterschicht (Holzroste in einheimischem Lärchenholz mit Eisenglimmeranstrich ­versehen) mäandriert allseitig um das Gebäude. Sie verändert ihren Charakter je nach Lichteinfall dramatisch. Eine Holzfassade in der Leichtigkeit eines textilen Vorhangs, der sich im Wind bewegt. Durch die 60 cm auskragenden Geschossstirnen wird das fünfgeschossige Gebäude horizontal geschichtet. Gleichzeitig kann so die Holz­fassade geschützt und die liegenden Proportionen der beiden bestehenden Wohnbauten aufgenommen werden.
Der Ausbau beschränkt sich auf wenige, möglichst naturbelassene Materialien: Jurasandsteinplatten für die Böden der öffentlichen Bereiche, Eichenböden in den Zimmern, Ulmenfournier für sämtliche Schreinerarbeiten und die Wandverkleidungen in den öffentlichen Bereichen, dazu glattverputzte, helle Gipsdecken. Auf diese Weise entsteht ein monochromer, zurückhaltender Farbspiegel, ­welcher das farbige Wechselspiel der das Haus umgebenden Natur nicht konkurrenziert. Die Materialien selbst sind beredte Geschichtenerzähler, seien dies die Sediment­ablagerungen im Jurasandstein, seien dies die Jahrringe des Ulmenholzes, welches übrigens von einem einzigen Baum des Elsasses stammt. In den beiden in den Hang gebauten Geschossen ersetzen die vom Bündner Photografen Guido Baselgia gestalteten «Fenster» den Ausblick in die Natur. Elf geschosshohe Vitrinen zeigen eine Fahrt über die Alpen, und damit den distanzierten Blick auf die Erde.

Es gibt Stimmen, die meinen, das neue Künzle Heim sei ja kein Altersheim, es sei zu edel. Dazu gälte es Folgendes zu bemerken: Die Kosten entsprechen dem von der Stadt vorgegebenen Kostenrahmen, welcher sich an den Erstellungskosten der bisherigen Alters- und Pflegeheimen der Stadt Schaffhausen orientiert. Sie sind also im Vergleich nicht teurer. Vielmehr zeichnet sich der Geist des Künzle Heims seit jeher durch gedankliche Weite aus. Wir hoffen, es sei gelungen, trotz Abbruch des bestehenden Hochhauses einen Teil dieser Grosszügigkeit im neuen Haus weiter leben zu lassen. Wir alle werden einmal alt. Warum sollten wir uns darauf nicht auch freuen dürfen?

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