Kompetenzüberschreitung an der Neufrankengasse

Manuel Pestalozzi
26. September 2017
Blick entlang der Neufrankengasse zur Europaallee in Zürichs Stadtkreis 4. Das grosse Graffiti kennzeichnet die Brandmauer eines der so genannten «Gammelhäuser». Bild: Manuel Pestalozzi

Zwar muss die Regierung einer Stadt in ihrem Revier zum Rechten sehen. Ob sie sich dabei auch als Akteur am Liegenschaftenmarkt positionieren muss, darüber scheiden sich die Geister. Die so genannten «Gammelhäuser» an der Neufrankengasse waren eine Art Indoor-Platzspitz. Unweit der Langstrasse im Stadtkreis 4 gelegen, waren sie als Ort des Drogenhandels und -konsums ein steter Unruheherd und hygienisch in einem unhaltbaren Zustand. Der bisherige Eigentümer wurde in den Medien auch schon Slumlord genannt. Von aussen betrachtet wirken die Gebäude robust und intakt – auch wenn sie in architektonischer Hinsicht nicht besonders aufregend oder qualitativ hochstehend sind. Offenbar stand das Gammeln in einem direkten Zusammenhang mit der Nutzung.
 
Die Häuser wurden anfangs dieses Jahres polizeilich geräumt. Die Stadt kaufte sie fast gleichzeitig mit einer weiteren Liegenschaft. Als Anlass nannte sie die Sicherung von langfristig bezahlbarem Wohnraum für Personen, die auf dem freien Markt geringe Chancen haben, und als Beitrag zur Erreichung des in der Gemeindeordnung verankerten Ziels, den Anteil der gemeinnützigen Mietwohnungen auf einen Drittel zu erhöhen. Der Stadtrat, die Exekutive, entschloss einsam über den Vertrag. Es sei dringend gewesen. Der Eigentümer stellte nämlich in Aussicht, die Liegenschaften anderen Interessenten zu verkaufen. Trieb er den Stadtrat vor sich her? Dieser Vermutung geben Diskussionen über den Kaufpreis Nahrung. Mehr als 32 Millionen Schweizerfranken wechselten für die drei Liegenschaften die Hand. Der Hauseigentümerverband hielt das für bis zu 25 Prozent zu hoch. Hinzu kommen Renovationskosten.
 
Im nicht konsultierten Gemeinderat (Legislative) löste das Vorgehen Unmut aus. Gegen den Verkauf wurde ein Stimmrechtsrekturs eingereicht. Der Bezirksrat lehnte ihn ab. Das Verwaltungsgericht, die Folgeinstanz, hat nun die Beschwerde gutgeheissen und den Beschluss des Bezirksrats und die Beschlüsse des Stadtrats aufgehoben. Die Kaufverträge müssen gemäss dem Urteil des Verwaltungsgerichts nachträglich vom Gemeinderat genehmigt werden, wie die Stadt Zürich mitteilt. Die Angelegenheit kann noch weiter gezogen werden ans Bundesgericht.

Derweil steht die Frage im Raum, wie weit die Behörden in die Ausformung der Stadt eingreifen sollen. Muss der Gemeinnutz im Wohnungswesen zwingend aktiv von den Behörden betrieben werden? Ist es sicher, dass dies eine gedeihliche Entwicklung von Quartieren fördert? Und weshalb solle das private Akteure nicht zugemutet werden können? Dass die Stadt den Städtebau dirigiert, ist richtig und wichtig. Ob es Sinn macht, wenn sie gleich auch noch im Orchester sitzt? Zweifel sind angebracht.

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