Für Architekturbegeisterte gibt es dieser Tage in der Schweiz nur ein Ziel: Basel

Ulf Meyer
10. de maig 2022
Der Basel Pavillon von Marta Colón de Carvajal und Juan Palencia soll das architektonische Potenzial der Weiterverwendung gebrauchter Bauteile aufzeigen. (Foto: Luiz Díaz Díaz)


Zürich mag mehr Banken und Genf mehr Diplomaten haben, doch Basel ist die Architektur-Kapitale der Schweiz. In der Stadt haben nicht nur viele und bekannte Architekturbüros ihren Sitz, in Basel und Umland ist man auch zurecht stolz auf seine Baukultur, die Kompetenz der örtlichen Planer*innen und den Enthusiasmus, den breite Bevölkerungsschichten der Baukunst gegenüber aufbringen. Die Stiftung Architektur Dialoge veranstaltet deshalb erstmals die Architekturwoche Basel (AWB), die künftig in einem zweijährigen Turnus stattfinden wird. Sie hat am 9. Mai begonnen und dauert noch bis zur Monatsmitte. Das übergeordnete Thema Reale Räume wird in drei Formaten beleuchtet: Forum, Basel Pavillon und Trouvailles. Zudem öffnen Basler Büros ihre Türen für Interessierte, um zu zeigen, wie Architektur entsteht, und mehr als hundert Partnerveranstaltungen warten auf Architekturbegeisterte. Geboten werden zahlreiche Vorträge, dazu Führungen, Workshops, Diskussionsrunden, Ausstellungen, Filme und Performances.

 

Die am Basel Pavillon verbauten Teile wurde zuvor vom Büro Zirkular in einem Bauteilkatalog erfasst. Sie stammen von abgebrochenen Häusern in der Umgebung. (Foto: Luiz Díaz Díaz)
Der Pavillon steht an den Gleisen am südlichen Dreispitz. (Foto: Luiz Díaz Díaz)
Diskussion über Stadtentwicklung an drei Beispielen

Im Fokus stehen drei Entwicklungsareale in Basel und der Region: Dreispitz (Münchenstein), Bachgraben (Allschwil) und Klybeck (Basel). Zu jedem dieser Gebiete gibt es im Forum Veranstaltungen, Touren und Panels. Sie alle befassen sich mit Fragen künftiger Stadtentwicklung.

Das Forum zur Grenzlandschaft zwischen Basel-Stadt und Allschwil beschäftigt sich mit dem Zusammentreffen von Stadt und Land. In dem Entwicklungsgebiet Bachgraben wird das BaseLink genannte Gewerbegebiet für Bio-Tech-Firmen in chicen Herzog-&-de-Meuron-Gebäuden beleuchtet. Um ein Industriegebiet an der Peripherie handelt es sich beim Klybeck-Areal. Das Forum Klybeck stellt Fragen nach Teilhabe, Verdichtung, Durchlässigkeit sowie der Durchmischung von Wohnen und Gewerbe.

 

Im Fokus der Architekturwoche stehen drei Entwicklungsareale, darunter der Bachgraben in Allschwil. (Foto: Julien Lanoo)
Die Entwicklung des Klybeck-Areals wird über Basel hinaus kontrovers diskutiert. (Foto: Julien Lanoo)
Thema im Forum ist der Wandel des Zollfreilagers. Im Quartier wurde auch der Basel Pavillon aufgebaut. (Foto: Julien Lanoo)
Basel Pavillon aus gebrauchten Bauteilen

Das Forum zum Dreispitz setzt sich mit der Wandlung des Zollfreilagers im Süden Basels zu einem bunten Quartier mit Kultur- und Bildungseinrichtungen sowie Wohnungen auseinander. Auf dem Gleisbett am südlichen Dreispitz wurde in den letzten Tagen und Wochen zudem der Basel Pavillon gebaut. Der Veranstaltungsort aus wiederverwendeten Bauteilen demonstriert eindrucksvoll die Möglichkeiten der Kreislaufwirtschaft. Der Entwurf der «Loggia Baseliana» ging aus einem Architekturwettbewerb hervor, den das spanische Büro isla für sich entscheiden konnte. Marta Colón de Carvajal und Juan Palencia haben sechs Abschnitte entworfen, in denen das konstruktive System aus dem Material abgeleitet ist. Unter einem Satteldach aus Trapezblech bilden die Module entlang der Bahngleise einen Gang mit einer Sitzbank von über fünfzig Metern Länge. Alle Bauteile wie Holzbohlen, Stahlprofile, Trapezbleche und Kartonröhren stammen von rückgebauten Objekten in der Nähe. Das Büro Zirkular hatte zuvor alle Teile in einem Bauteilkatalog erfasst. 

Im Oktober soll der Pavillon demontiert und an anderen Orten weitergenutzt werden. Die Auswahl des Entwurfs haben sich die Veranstalter nicht leicht gemacht: Nachdem zunächst 182 Vorschläge eingereicht wurden, luden sie 14 Teams ein, Entwürfe auf der Basis des besagten Bauteilkatalogs zu entwickeln. Im vorigen Jahr kürte die Jury schliesslich den Siegerentwurf.

 

Charlotte Truwant und Dries Rodet möchten gemeinsam mit Melissa Freudiger mittels verschiedener Interventionen das Verhältnis Basels zum Wasser im Stadtraum thematisieren. (Foto: Julien Lanoo)
Die Stadt und das Wasser

Sperriger als der pfiffige Beitrag aus Spanien ist das Format Trouvailles. Dabei geht es darum, die Nebenflüsse des Rheins neu wahrzunehmen. Es erging ein Auftrag an die Basler Architekturschaffenden Truwant+Rodet+. Unter dem Titel «Zyklische Erzählungen» haben Charlotte Truwant und Dries Rodet mit Melissa Freudiger an mehreren Orten Interventionen realisiert, die das Verhältnis der Stadt zum Wasser im Stadtraum sichtbar machen sollen.

Die Geschichte der angesprochenen Nebenflüsse ist wichtig für Basel: Zwischen dem 13. und dem 19. Jahrhundert wurden im Stadtzentrum Kanäle angelegt. Das Wasser nutzte man für den Verkehr, aber auch in der Gerberei- und Druckindustrie. Heute haben diese Anlagen ihre Funktion verloren und prägen Basel nicht mehr. Der St. Albanteich, der Bachgraben und der Riehenteich werden in der Stadt sichtbar gemacht, indem sie in den Strassen nachgezeichnet werden. Der Raum wird mit sozialen, akustischen und räumlichen Performances bespielt.

 

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