Ein vertikaler Trail mitten im Zürcher Industriequartier

spillmann echsle
2. März 2023
Das Lab, der Sitz der Entwicklungsabteilung von On, ist das Herzstück des vertikalen Campus der Sportfirma. (Foto: © Eduardo Perez, On AG)
Frau Spillmann, Herr Echsle, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Annette Spillmann: Für die Entwicklung des neuen globalen Hauptsitzes von On Running war zentral, die inneren Werte, die DNA der Firma, sowie die inneren Abläufe zu verstehen und diese räumlich, betrieblich und im ästhetischen Ausdruck in ein bauliches Ganzes zu übersetzen. 

Harald Echsle: Zum anderen galt es, einen Büroausbau für 700 Mitarbeitende in einer Hochhaus-Struktur zu organisieren, die sich über 17 Geschosse entwickelt. In diesem Kontext vielfältige Wegverbindungen und gleichzeitig räumliche Entflechtungen zu schaffen und mittels grosszügiger Durchsichten und damit verbunden mittels unterschiedlich grosser Durchbrüche elementar in die Grundstruktur einzuwirken, war die reizvolle entwerferische wie bauliche Herausforderung.

Materialien, Farben und Formen wurden gezielt zur Gestaltung der Innenräume eingesetzt. Zu den prägendsten Elementen gehören die markanten Treppen aus Sichtbeton. (Foto: © Eduardo Perez, On AG)
Viele Mitarbeitende sind selbst leidenschaftliche Sportler. In der Waschzone können sie ihre Bekleidung nach dem Training waschen und auch testen, wie Prototypen auf Reinigungsmittel reagieren. (Foto: © Mikael Olsson, On AG)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Harald Echsle: Die Ausgangslage für das neue Hauptquartier von On Running bildete der Grundbau, ein 17-geschossiges Hochhaus in Zürich-West, das aus einem Längsbau emporwächst und aus der Feder von EM2N stammt. Ein relativ kleiner Footprint mit Retail und ein Empfang mit integrierter Café-Bar binden die Erdgeschossfläche an den urbanen Aussenplatz an. Über dem firmeneigenen Shop ruht die zweigeschossige Produktionshalle des Entwicklungslabs, welches das eigentliche Herzstück dieses vertikal gestapelten Campus ist. 

Annette Spillmann: Im Kopfbau ist ein grosser Konferenzbereich angeordnet, über dem sich die jeweils drei Geschosse umfassenden «Villages» stapeln. Je das mittlere der drei Geschosse ist als Ankunftsgeschoss mit einer Garderobe, einer Teamküche und Pausenbereichen ausgebildet. In den Geschossen darüber und darunter befinden sich informelle Sitzungsbereiche, Sitzungsräume und Büroarbeitsplätze, die in ihrer konzisen Ausgestaltung und Funktionalität höchsten Ansprüchen an moderne Arbeitsplätze gerecht werden. Die sehr attraktive soziale Fläche des integrierten Food-Bereichs findet in der grosszügigen, auf dem Längsbau angelegten, begrünten und im Sommer aktivierten Aussenterrasse, dem Rooftop-Garden, ihre Fortsetzung. 

Der erste europäische Flagship-Store von On verbindet den Hauptsitz mit dem Quartier. (Foto: © Hannes Henz, On AG)
Im Erdgeschoss befindet sich die Lobby. (Foto: © Mikael Olsson, On AG)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Annette Spillmann: Die gebaute Disposition von übereinandergestapelten Geschossen, aber auch das Narrativ der Bewegung und der Begegnung sowie die Verknüpfung von verschiedensten, zum Teil auch überraschenden als eigentliche «Gems» ausgestalteten Nutzungen, wie zum Beispiel eine Yves-Klein-blaue Bibliothek, ein rotes, kompaktes Lager, ein Meetingraum umgeben von Pflanzen oder ein Miniatur-Museum mit den ersten Prototypen, führten dahin, dass ein Trail einem roten Faden gleich diese verschiedenen Raumbereiche geschickt und in einer logischen Abfolge über die Geschosse hinweg miteinander verbindet. 

Harald Echsle: Mit feinen architektonischen Mitteln sind verschiednen Raumzonen voneinander unterschieden. Gerade geführte und an der Unterseite gezackt ausgebildete Sichtbetontreppen verbinden die Ebenen innerhalb des Labs. Nur wenige, mittels orange eingefärbten Glases ausgebildete Öffnungen gewähren den Besuchenden ganz gezielte Einblicke in diese Entwicklungsabteilung. Die Sichtbetontreppen im Turmbereich sind geschwungen, führen mittels unterschiedlich grosser, kreisrunder Durchbrüche durch das Raumkontinuum und schaffen einen zentralen Bezug zur inhärent für die Sportmarke On Running stehenden Bewegung. Die Choreografie von breiten, einladenden Treppen, die sich in den oberen Geschossen verjüngen und etwas steiler werden, lassen an die Besteigung eines Berges denken.

Die aufwendigen Durchbrüche waren eine gestalterische wie bauliche Herausforderung. Sie sorgen für neue, unerwartete Sichtverbindungen innerhalb der Struktur des bestehenden Hochhauses. (Foto: © Eduardo Perez, On AG)
Design spielt für die Firma On eine grosse Rolle. Das zeigt sich nicht nur in der reichen Architektur, sondern beispielsweise auch bei der Auswahl der Möbelstücke, die zusammen mit Vitra entwickelt wurde. (Foto: © Mikael Olsson, On AG)
Grosse Aufenthaltsräume ermöglichen eine flexiblere Arbeitsweise. In einigen dieser Räume finden auch die täglichen sportlichen Aktivitäten statt. (Foto: © Mikael Olsson, On AG)
Welche Materialität hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Annette Spillmann: Nur ganz wenige, präzise gewählte haptische Materialien, die ihre Farbigkeit aus sich selbst entwickeln, prägen die Innenraumgestaltung. In der Kombination von plastischen Treppen aus Sichtbeton, einem Gussfussboden aus geschliffenem Anhydrit, Trennstrukturen und industriell anmutenden Kühldeckenelementen aus rohem Aluminium sowie einer im Kernbereich angeordneten lasierten Holzhaut, die die Meetingräume umspannt und in ihrem Inneren in einem warmen Eichenholz erstrahlt, entwickeln die einzelnen Materialien ihre Wirkkraft. Sie schaffen ein zurückhaltendes, atmosphärisches Ganzes, das durch gezielte polychrome Elemente, Möbelstücke etwa, ergänzt wird. Gleichzeitig erzeugen die filigranen weissen und mit einer feinen Netzstruktur bespannten Treppengeländer einen Bezug zur Welt des Sports. 

Die Bibliothek ist in ein kraftvolles Blau getaucht. (Foto: © Mikael Olsson, On AG)
Auf dem Längsbau befindet sich ein Rooftop-Garden, den Studio Vulkan entworfen hat. Er dient dem Austausch der Mitarbeitenden untereinander. (Foto: © Eduardo Perez, On AG)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Harald Echsle: Die On Labs sind das Zentrum für Produktentwicklung, Design und Innovationen. Die enge Zusammenarbeit und die Interaktion zwischen dem Kreativteam von On, Specific Generic, einem schwedischen Innenarchitekturbüro, und unserem Architekturbüro waren ganz entscheidend für den Entwurfsprozess. Sie ermöglichten, Unternehmensvisionen und Best Practice zusammenzuführen und eine zeitgemässe Bürostruktur zu schaffen. Die Arbeit in diesem Dreigestirn bedeutete für uns eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Produkt selbst, dem Sport und der Bewegung, aber auch der gelebten Firmenvision und Firmenstruktur. 

Das Gelingen dieser räumlich komplex organisierten und zum Lab-Bereich hin raffiniert entflochtenen Bürostruktur ist letztlich auf diese ideale Konstellation zurückzuführen. Dasselbe gilt für die ästhetische Übersetzung und Ausgestaltung des konsolidierten gebauten Endresultats.

Situation (© spillmann echsle mit Specific Generic, On AG)
Grundriss 6. Obergeschoss (© spillmann echsle mit Specific Generic, On AG)
Grundriss 8. Obergeschoss (© spillmann echsle mit Specific Generic, On AG)
Grundriss 12. Obergeschoss (© spillmann echsle mit Specific Generic, On AG)
Schnitt (© spillmann echsle mit Specific Generic, On AG)
Bauwerk
On Labs (Zürich Headquarters)
 
Standort
Förrlibuckstrasse 190, 8005 Zürich
 
Nutzung
Geschäftshaus
 
Auftragsart
Innenausbau
 
Bauherrschaft
On Running (On AG), Zürich
 
Architektur
spillmann echsle, Zürich, in Zusammenarbeit mit Specific Generic, Stockholm
Annette Spillmann, Harald Echsle, Alexandra Meuche, Gosia Kocima, Raphael Suter und Linda Hatava
 
Fertigstellung
2022
 
Fotos
On AG

Vorgestelltes Projekt

Nau2

Arealüberbauung RB Lägern-Baregg

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