Für Bewohnende und Quartier
Michael Bühler und Lukas Schaffhuser beantworten unsere Fragen zur Wohnsiedlung Herdern in Zürich. Die Anlage mit gemeinnützigen Wohnungen, fünf Gewerberäumen und Kindergarten ist ihr Erstlingswerk.
Herr Bühler und Herr Schaffhuser, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Michael Bühler: Das Entwerfen einer städtischen Wohnsiedlung mit kostengünstigen Wohnungen für eine breite Bewohnerschaft inmitten der Stadt Zürich hat uns sehr motiviert. Es war eine Herausforderung, eine adäquate Antwort auf den heterogenen Kontext an städtebaulich prominenter Stelle zu finden und gut funktionierende Wohnungstypologien in einer Blockrandbebauung unter Einhaltung der engen Kostenvorgaben zu entwickeln.
Lukas Schaffhuser: Die Entwurfsidee sowohl für den Städtebau als auch für den architektonischen Ausdruck haben wir aus dem Ansatz, die Stadt weiterzubauen, heraus entwickelt. Das Gebäude sollte die vorhandene Blockrandstruktur auf selbstverständliche Art und Weise weiterführen und sich unaufgeregt in die städtische Struktur einfügen.
Michael Bühler: Am Bauplatz treffen zwei sehr unterschiedliche Stadträume aufeinander: der Strassenraum der Herdern- und Bullingerstrasse mit dem Schlachthof und dem Stadion Letzigrund als Nachbarn und der grüne, lebendige Hofraum des Familiengartenareals. Die Wohnungen der Siedlung sind zu beiden Räumen orientiert. Von den kleinen Balkonen vor den Küchen blickt man in den Strassenraum, wodurch eine Verbindung zwischen der Stadt und den Innenräumen entsteht. Die etwas grösseren Balkone zum Hof erweitern den Wohnraum auch in diese Richtung und eröffnen ausserdem schöne Blicke bis zu den Glarner Alpen.
Lukas Schaffhuser: Mit dem Raumprogramm aus dem Wettbewerb hat die Bauherrschaft den Entwurf massgeblich mitgeprägt: Die Forderung nach knapp geschnittenen Wohnungen, die trotz hoher Personenbelegung ein grosses Mass an Privatheit bieten und dabei auch noch gut möblierbar sein sollten, war Treiber hinter unserer Suche nach der richtigen Wohnungstypologie.
Michael Bühler: Die im Wettbewerb vorgeschlagene Fassade aus vorgehängten Betonelementen musste zum Projektbeginn aufgrund ökologischer und ökonomischer Bedenken seitens der Bauherrschaft überprüft werden. Die nun ausgeführte Konstruktion aus vorgehängten Betonelementen und vertikalen, verputzten Feldern verstärkt die Gliederung und Tektonik der Fassade deutlich. Das Gebäude tritt je nach Wetter, Licht und Tageszeit anders in Erscheinung. Es entsteht dabei ein hoher Wiedererkennungswert, welcher identitätsstiftend für das Quartier und die Bewohner*innen ist.
Lukas Schaffhuser: Der erste Platz im offenen Wettbewerb ermöglichte uns 2014, unser eigenes Büro zu gründen. Es handelt sich bei der Wohnsiedlung Herdern also um unser erstes realisiertes Projekt. Darum wird sie in unserer Bürogeschichte immer einen speziellen Platz einnehmen.
Michael Bühler: Wir sind sehr glücklich, dass die bereits im Wettbewerb vorgeschlagenen Faltschiebefenster der Küchen umgesetzt werden konnten. Die Fensterfronten der strassenseitigen Küchen lassen sich komplett aufschieben. Der Innenraum erweitert sich über die Balkone vor den Küchen in den Strassenraum. Gerade im Sommer entsteht dabei ein Raum, der sowohl Aussen- als auch Innenraum ist und von der untergehenden Abendsonne stimmungsvoll in Szene gesetzt wird.
Wohnsiedlung Herdern
Standort
Herdernstrasse 60–66, Bullingerstrasse 100–102, 8004 Zürich
Nutzung
Mehrfamilienhaus mit Wohnungen, Gewerbeflächen und Kindergarten
Auftragsart
Architekturwettbewerb im offenen Verfahren nach SIA 142, 1. Rang, 1. Preis
Bauherrschaft
Stadt Zürich (Eigentümervertretung: Liegenschaften Stadt Zürich, Bauherrenvertretung: Amt für Hochbauten)
Architektur
Nimbus Architekten GmbH, Zürich
Projektleitung: Michael Bühler
Stv. Projektleitung: Lukas Schaffhuser
Fachplaner
Bauingenieur: SNZ Ingenieure und Planer AG, Zürich
Elektroingenieur: WSMAG, Walter Salm, Meier & Partner AG, Zürich
HLS-Ingenieur: Wirkungsgrad Ingenieure AG, Rapperswil-Jona
Bauphysiker: EK Energiekonzepte AG, Zürich
Landschaftsarchitekt: koepflipartner Landschaftsarchitekten, Luzern
Bauleitung
Coneco AG, Zürich, ZH
Jahr der Fertigstellung
2021
Gesamtkosten (BKP 1–9)
CHF 22,3 Mio.
Gebäudevolumen
28205 m3 (gemäss SIA 416)
Energiestandard
Minergie-P-Eco (zertifiziert)
Kunst und Bau
El Frauenfelder, «Wand Ding», 2020
Fotos
Georg Aerni, Zürich