«Malerische Promenade»

Bischof Föhn Architekten
18. Dezember 2019
Die originale Farbigkeit der Südfassade mit den grossen Sprossenfenstern wurde wiederhergestellt. (Foto: Roger Frei)
Nutzung Kindergarten und Hort
Ort Farenweg 9, 8038 Zürich
Auftragsart Planerwahlverfahren mit Präqualifikation, 1. Preis
Bauherrschaft Amt für Hochbauten, Stadt Zürich
Architektur Bischof Föhn Architekten, Zürich: Petra Schwyter (Projektleitung), Norbert Föhn
Fachplaner Bauingenieur: Aerni+Aerni Ingenieure AG, Zürich | Landschaftsarchitektur: Haag Landschaftsarchitektur GmbH, Zürich | Elektro: Schmidiger+Rosasco AG, Zürich | HLS: HLS Engineering GmbH, Zürich | Bauphysik: Raumanzug GmbH
Bauleitung Mathias Scholl, Zürich
Jahr der Fertigstellung 2019
Gesamtkosten CHF 2,9 Mio.
Gebäudekosten CHF 2,0 Mio.
Gebäudevolumen 2'436 m3
Kubikmeterpreis CHF 820
Massgeblich beteiligte Unternehmer Restaurierung der historischen Wandmalereien: IGA Konservierung GmbH, Christof Thur, Zürich | Malerarbeiten: Peter Ziebold, Zürich | Baumeister: Rieke AG Bauunternehmung, Zürich | Fensterrestauration: Historfen AG, Herisau
Fotos Roger Frei
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Sicherlich in der neuen Farbgestaltung des Kindergartens, die im Einklang mit den historischen Wandmalereien im Spielzimmer steht. Die differenziert gestaltete Farbigkeit der Wände, Böden und Decken basiert teils auf originalen Farbbefunden, teils stellt sie eine Neuinterpretation dar. Bei Projektstart war die Farbigkeit der Oberflächen noch eher ein Nebenschauplatz. Die Beweggründe für die Instandsetzung waren die marode Ton-Hourdisdecke im Erdgeschoss, die wegen Einsturzgefahr notgespriesst werden musste, die nötige Erneuerung der Gebäudetechnik sowie die energetische Ertüchtigung der Gebäudehülle. Es galt, diese in die Jahre gekommenen Bauelemente technisch und konstruktiv bestandsschonend zu sanieren. Die eigentliche Kür sahen wir aber darin, den Kindergarten mit den originalen Wandmalereien wieder zu einem stimmigen, atmosphärischen Ganzen zu machen.

Blick durch die Klassenzimmer mit unterschiedlichen Farbkompositionen (Foto: Roger Frei)
Restaurierte Wandmalereien im Spielzimmer (Foto: Roger Frei)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Hinsichtlich der neuen Farbgestaltung war uns zum einen Hermann Herters Bezug zur Farbe wichtig – wie er als Gestalter des Kindergartens Farbe in seiner Architektur verwendet hat und wie er als Zürcher Stadtbaumeister im Zuge der Farbbewegung der 1920er-Jahren ein Förderer einer farbigen Gestaltung der Altstadt war. Zum andern inspirierte uns die Strategie der «malerischen Promenade», wie sie die Architektin Lux Guyer (1894–1955) in den 1930er-Jahren in ihrem «Saffa-Haus» oder im «Haus Sunnebüel» eingesetzt hat. Indem sie Farbe, Raum und Licht gezielt einsetzte, schuf sie dort charaktervolle Farbräume sowie -kompositionen, die in einen räumlichen Dialog zueinander treten.

Im Kindergarten Ost (Foto: Roger Frei)
Kindergarten West (Foto: Roger Frei)
Wie hat das Vorhandene auf den Entwurf eingewirkt?

Charakteristisch am bestehenden Gebäude ist einerseits die klare, funktionale Raumaufteilung mit drei über eine Enfilade verbundenen Schulzimmern, die durch regelmässig angeordnete grosse Sprossenfenster einen starken Aussenraumbezug aufbauen. Andererseits besitzt es eine schöne und zweckmässige Innenausstattung mit Einbaumöbeln, Linoleum- beziehungsweise Klinkerböden, Garderoben und der originalen Wandbemalung des Spielzimmers mit Tiermotiven. Mit unseren Eingriffen versuchten wir, diese Qualitäten zu bewahren und zu schärfen. So behielten wir die historischen Fenster mit den feinen Sprossen bei, ergänzten sie mit einer kaum wahrnehmbaren inneren Isolierverglasung und stärkten die über die Enfilade wahrnehmbare Raumabfolge durch eine differenzierte Farbgestaltung der Schulzimmer.

Die bauzeitlichen Fenster wurden neu gestrichen und mit einer raumseitigen Isolierverglasung ausgestattet. (Foto: Roger Frei)
Der Korridor ist farblich an die bestehenden, nicht bauzeitlichen Bodenplatten angepasst. (Foto: Roger Frei)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?

Die nötige Eingriffstiefe der Instandsetzung und die damit verknüpften Kosten waren zu Beginn ein grosses Thema. Bei einigen Bauteilen, die erst vor kurzem eingebaut worden waren, aber sichtlich nicht zum historischen Gebäude passen, wurde unter Beteiligung der Denkmalpflege und der Eigentümervertretung zwischen Erhalt oder Ersatz abgewogen: Die Leuchten konnten beispielsweise ersetzt werden, die nicht bauzeitlichen, aber noch intakten Bodenplatten im Korridor blieben erhalten. Schliesslich galt es die farbliche Gestaltung des Gangs ihnen anzupassen.

Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?

Die neue Nutzung des Obergeschosses war bei Projektstart noch unklar. In der kleinen Wohnung – ehemals wohl für die Kindergärtnerin gedacht – waren Büros eingebaut, welche zu Musikzimmer umgenutzt werden sollten. Im Laufe des Projekts reifte dann aber die Idee der Hortbetreuung, welche das Kindergartenangebot perfekt ergänzt. So besuchen die Kinder nun morgens den Kindergarten und ab dem Mittag verbringen diejenigen, die das Hortangebot nutzen, ihre Zeit im selben Gebäude – in den Horträumen im Ober- sowie im Spielzimmer im Erdgeschoss.

Der Eingangsbereich wurde basierend auf Farbbefunden blau gestrichen. (Foto: Roger Frei)
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?

In unserem Büroalltag beschäftigen wir uns neben Neubauten sehr intensiv und mit grosser Lust mit Bestandsobjekten. Die Auseinandersetzung mit historischen Gebäuden fasziniert uns und inspiriert uns zugleich für unsere eigene Entwurfsarbeit. Nachdem wir bereits einige denkmalgeschützte Schulgebäude instand setzen und umbauen durften, sind wir momentan an der Planung eines Schulhausneubaus sowie an der Realisierung eines neuen Kindergartens. Beide Bauten werden etwas weniger farbenreich als der Kindergarten «Farenweg» ausfallen.

Situationsplan
Grundriss Erdgeschoss
Schnitt

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