Offenheit und Diskretion

31. Oktober 2024
Auch die Möbel des Notariats wie diesen Tisch aus Vogelaugenahorn hat das junge Team von Hobiger Feichtner entworfen. (Foto: © Hobiger Feichtner Architekt:innen)
Frau Hobiger-Feichtner, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Ein Mieterausbau für eine Büronutzung ist im Grunde oft eine wenig aufregende Planungsaufgabe, da die Vorstellungen davon, wie ein Büro auszusehen hat, sehr festgefahren sind: weisse Wände, dunkle Böden, abgehängte Decken und standardisierte weisse Möbel. In diesem Fall jedoch konnten wir gemeinsam mit den Nutzenden und der Bauherrschaft Räume gestalten, die Freude bereiten und in denen man sich gerne aufhält. Dazu kommt, dass die Nutzerinnen ein Notariat betreiben, was besondere Anforderungen an die Innenarchitektur mit sich bringt: Es galt, den Kundenverkehr zu berücksichtigen, gleichzeitig Diskretion zu gewährleisten und eine gewisse Seriosität zu vermitteln.

Eine Herausforderung bestand darin, einladende, offene Räume für den Kundenverkehr zu gestalten und gleichzeitig Diskretion und Seriosität zu wahren. (Foto: © Hobiger Feichtner Architekt:innen)
Übergang von der Kundenzone mit Empfang zu den eigentlichen Büroräumen des Notariats (Foto: © Hobiger Feichtner Architekt:innen)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Wir wollten die Seriosität des Notariats beibehalten, aber gleichzeitig eine gewisse Lockerheit schaffen. Der Besuch eines Notariats ist ja nichts Alltägliches, man kommt zu besonderen Anlässen dorthin wie einer Firmengründung oder einer Testamentseröffnung. Wir wollten Räume gestalten, die beruhigend wirken, aber auch einen eigenen, bleibenden Ausdruck haben – sodass man, wenn man an diesen besonderen Moment zurückdenkt, sich auch noch an die Innenarchitektur erinnert und sie positiv mit ihm verknüpft.

Entwurfstechnisch sind wir tatsächlich sehr konstruktiv an das Projekt herangegangen. Da der Grundausbau bereits vorhanden war, haben wir uns diesen zunutze gemacht und zum Beispiel Multiplex-Holzplatten vor die bestehenden Wände gehängt, in die sämtliche Leitungen integriert wurden. So mussten wir die Wände nicht aufstemmen und konnten gleichzeitig durch das Material bereits eine Gestaltungswirkung erzielen. Zudem haben wir Kosten eingespart, indem wir auf die im Bürobau sonst übliche abgehängte Decke verzichteten und stattdessen alles homogen in einem hellen Farbton spritzen liessen.

Wir haben mit den Nutzenden eng zusammengearbeitet und viel diskutiert, um ein stimmiges Ergebnis zu erhalten, dass auch die Ansprüche der Personen erfüllt, die sich täglich in den Räumlichkeiten aufhalten. 

Blick in den grossen Sitzungsraum, der vom Rest des Büros abgetrennt ist. (Foto: © Hobiger Feichtner Architekt:innen)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzenden den Entwurf beeinflusst?


Der leitende Notar war stark am Prozess interessiert und intensiv involviert. Das führte dazu, dass wir im Entwurf einige «Zusatzrunden» gedreht haben. Letztendlich hat sich diese enge Zusammenarbeit jedoch sehr positiv auf das Endergebnis ausgewirkt.

Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Es gab zahlreiche Diskussionen, und sowohl Zeit als auch Budget waren stark begrenzt. Dass wir die Bauleitung selbst übernommen haben, war dabei rückblickend ein grosser Vorteil. Natürlich haben wir im Vorfeld Pläne gezeichnet, aber viele Entscheidungen wurden tatsächlich erst vor Ort auf der Baustelle getroffen. Diese Flexibilität ermöglichte uns, einige Dinge noch zu optimieren und Festlegungen erst spät zu treffen. Das war besonders hilfreich, weil wir im Bestand gestalteten und die Materialien vor Ort waren. So konnten wir beispielsweise erst in diesem Stadium Themen wie die Farbauswahl oder das Verlegemuster des Linoleums finalisieren.

Alle Möbel wie dieser Tisch des Notariats sind eigens für die Räume entwickelt. (Foto: © Federico Farinatti)
Die Innenräume sollen positiv auf die Kundinnen und Kunden wirken und zugleich dem Team des Notariats optimale Arbeitsbedingungen bieten. (Foto: © Hobiger Feichtner Architekt:innen)
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?


Dieses Projekt war sehr dankbar für uns: Wir arbeiten eigentlich vor allem an Umbauten. Tatsächlich war dieser Mieterausbau unser erstes Projekt in einem Neubau. Wir haben festgestellt, dass die Planung dadurch erheblich vereinfacht wird. Durch unsere Umbauten sind wir den Umgang mit verschobenen Wänden, unvorhergesehenen Aufbauten und versteckten Materialien gewohnt, doch solche Herausforderungen gab es hier nicht. Wir hatten lediglich mit rohen Betondecken und -wänden zu tun, was die Umsetzung sehr einfach machte. 

In der Büroküche steht ein grosser Tisch für informelle Besprechungen bei einem Kaffee oder Snack. (Foto: © Hobiger Feichtner Architekt:innen)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Natürlich! Ich denke, anders kann man heute gar nicht mehr bauen. Wir haben ausschliesslich natürliche Materialien verwendet und, wo immer möglich, darauf verzichtet, verklebte Konstruktionen zu erstellen, um eine spätere Wiederverwertbarkeit zu ermöglichen. Besonders wichtig war uns jedoch, dass der Grundriss und die Umsetzung so gestaltet sind, dass eine langjährige Nutzbarkeit gewährleistet ist. Unser Ziel war, die verbauten Ressourcen lange zu nutzen und künftige Anpassungen, wenn sich beispielsweise die Anzahl der Mitarbeitenden ändert, so einfach wie möglich zu machen. Dies haben wir schon in der Planungsphase berücksichtigt. 

Blick ins grosse Sitzungszimmer (Foto: © Hobiger Feichtner Architekt:innen)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Wie bereits erwähnt, haben wir mit Holz beziehungsweise Multiplex-Platten gearbeitet. Diese werden oft in der Verpackungsindustrie eingesetzt. Um den Innenraum aber nicht zu rau wirken zu lassen, haben wir besonders auf eine feine Ausarbeitung der Details geachtet. Dabei arbeiteten wir eng mit den ausführenden Handwerksfirmen wie den Schreinern zusammen. Beispielsweise entspricht die Fugenteilung stets den Normgrössen der Platten, sodass so gut wie kein Abfall entstand.

Zudem hatten wir das Glück, die Möbel selbst entwerfen zu dürfen. Das hat nicht nur riesigen Spass gemacht, sondern verleiht den Räumen auch einen erheblichen Mehrwert. Im grossen Besprechungszimmer haben wir einen massiven Holztisch für 12 Personen aufgestellt, der wirklich schön geworden ist. Er besticht durch seine tolle Haptik und vermittelt durch seine Tischplatte ein starkes Gefühl der Wichtigkeit des Moments. Für den Pausenraum hingegen haben wir einen meanderförmigen, farbigen Stehtisch entworfen, der ideal für kurze Kaffeepausen ist. Dort können die Mitarbeitenden auch bequem ihr Mittagessen einnehmen oder einen kurzen Plausch halten. Insgesamt haben wir sechs verschiedene Tische geplant. Jeder von ihnen hat seine eigene Geschichte und seinen individuellen Nutzen.

Bauwerk
Mieterausbau Notariat, Grundbuch und Konkursamt
 
Standort
Sagistrasse 8b, 8910 Affoltern am Albis
 
Nutzung
Büroräume
 
Bauherrschaft
Hochbauamt Kanton Zürich
 
Architektur
Hobiger Feichtner Architekt:innen, Zürich
Elisabeth Hobiger-Feichtner (Projektleiterin), Martin Feichtner und Paula Kiene
 
Fachplaner
Amstein + Walthert AG, Frauenfeld
Gartenmann Engineering AG, Zürich
TBGE AG, Zürich
 
Fertigstellung
2024
 
Fotos
Hobiger Feichtner Architekt:innen und Federico Farinatti

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