Schichten und Geschichten – neues Leben für ein altes Haus
Anina von Ballmoos berichtet, wie sie die Scheune eines denkmalgeschützten Bauernhauses in Winterthur in ein zeitgemässes Wohnhaus verwandelt hat. Die Bauherrschaft plante mit und packte beim Umbau tatkräftig an.
Frau von Ballmoos, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Zeit und Geduld, Mut zum Risikio, viel Eigenleistung, Improvisation und unkonventionelle Lösungen waren nötig, um dieses Projekt zu realisieren. Die Scheune war in einem baulich schlechten Zustand, einsturzgefährdet und bis unters Dach gefüllt mit allerlei Dingen, die sich über die Jahrzehnte angesammelt hatten. Andererseits ist das Bauernhaus Teil des historischen Ortskerns von Winterthur-Wülflingen und als wichtiger Zeitzeuge im Ortsbild denkmalgeschützt. Die Rettung des Gebäudes und die Umnutzung zum Wohnhaus sind nur gelungen dank des guten Willens aller am Projekt beteiligten Personen.
Das Gebäude hat eine fast 400-jährige Geschichte. Erst wurde ausgeräumt, bewertet und abgewogen, was bleiben soll und was gerettet werden kann. Die Struktur und die Balkenlagen wurden erhalten, der alte Schopf durch einen neuen Anbau ersetzt. Dann wurden die neue Nutzung, die Vertikalerschliessung und die Raumaufteilung ins Volumen gedacht. Die neuen Teile ergänzen und kompensieren das Alte. Schliesslich wurde abgebrochen, ersetzt, restauriert, geplant, besprochen und gebaut, die Materialisierung weitergewoben, Schicht um Schicht, alt auf neu.
Das Bauernhaus blieb als Zeitzeuge und Identifikationspunkt im bäuerlichen Ortskern äusserlich nahezu unverändert. Die Giebelfassade musste jedoch erneuert werden. Wir haben sie mit möglichst wenigen Fenstern versehen, sodass die Räume dahinter zwar genug Licht erhalten, der geschlossene Ausdruck des Hauses aber nicht beeinträchtigt wird. Der angebaute Schopf wurde durch einen Neubau ersetzt. Zwar hat er die gleiche Volumetrie und Anordnung wie sein Vorgänger, er ist jedoch deutlich als neues Element erkennbar. Die Lage direkt an der alten Hauptstrasse sowie die Fusswege, die durch den Garten führten, wurden gestalterisch integriert.
Die Bauherrschaft hat mit viel Eigenleistung und handwerklichem Geschick aktiv am Haus mitgebaut. Viele wichtige Elemente wie der Futtertrog, die Strickbauwände oder das Scheunentor wurden restauriert und tragen zum besonderen Charme des Gebäudes bei. Die Materialisierung der neuen Räume wie Küche und Bad haben die Nutzer*innen selbst geplant. Und auch der Garten wurde mit etwas fachlicher Unterstützung selbst angelegt und bepflanzt.
Wir haben bereits einige denkmalgeschützte Objekte saniert, erweitert oder einer neuen Nutzung zugeführt. Diese Bauten sind immer ortsbaulich wichtig und erfordern einen feinfühligen Umgang mit der wertvollen Bausubstanz. Vielfach müssen erst im Laufe der Jahre hinzugefügte Elemente entfernt werden, um die besondere Charakteristik der Häuser wieder sichtbar zu machen. Auf diesem geschichtsträchtigen Untergrund kann dann weitergebaut und das Gebäude für die aktuelle Nutzung und die nächste Epoche fit gemacht werden.
Es wurde mit den vorgefundenen Materialien weitergebaut, vorwiegend mit lokalem Fichtenholz. An der Tragstruktur wurden nur die zwingend nötigen Elemente ersetzt und mit den ursprünglichen Zimmermannsverbindung eingefügt. Die Fassaden sind ebenfalls in Fichte ausgeführt – mit vorvergrauendem Anstrich am Hauptgebäude und unbehandelt am neuen Anbau. Dort soll das Holz unregelmässig und natürlich vergrauen. Die Böden aus Eichenparkett oder Anhydrith-Fliessbelag, die verputzten Wände und die sichtbaren Holzelementdecken setzen die Kombination von Holz und Stein fort.
Bauernhaus an der Wieshofstrasse
Standort
Wieshofstrasse 54, 8408 Winterthur
Nutzung
Wohnhaus
Auftragsart
Direktauftrag
Bauherrschaft
Privat
Architektur
von Ballmoos Architektur GmbH, Winterthur
Anina von Ballmoos
Fachplaner
Bauleitung und TU-Auftrag: Robert Schaub AG, Andelfingen
Fertigstellung
2023
Fotos
Tom Licht Photography, Zürich