Spielen im Büro

Hobiger Feichtner | 20. Juni 2025
Farben, Bullaugenfenster und Glastüren prägen die Räume der Kita. Die bestehenden Leitungen wurden zum Bestandteil der neuen Gestaltung, und auch die massiven Bestandsstützen sind in das Gesamtkonzept integriert. (Foto: © Sven Högger)
Frau Hobiger-Feichtner, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Die Aufgabe, in einem leerstehenden Hochhaus in Zürich-Oerlikon eine Kindertagesstätte einzurichten, war alles andere als alltäglich. Besonders war, dass die Kita nicht, wie sonst üblich, im Erdgeschoss, sondern im 2. Stock, also mitten im Bürogebäude, untergebracht werden sollte. So war es erforderlich, Räume zu schaffen, die den Bedürfnissen der Kinder gerecht werden, obwohl das Gebäude von seiner Bestandsgestaltung her sehr gediegen und »erwachsen« wirkt.

Dank neuer Glaselemente dringt mehr Tageslicht in die tiefen Räume. (Foto: © Sven Högger)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?


Die Ausgangslage war zunächst alles andere als kindlich: ein leerstehendes Hochhaus mit einer ziemlich seriösen Ausstrahlung. Viel Naturstein, dunkles Holz und Sichtbeton prägen die Architektur des Bestands. Alles wirkt sehr gediegen, fast schon ein bisschen ehrfurchtgebietend. Genau hier sollte eine Kindertagesstätte entstehen – also ein Ort voller Leben, Leichtigkeit und Entdeckungsfreude.

Unser Ansatz war, der Schwere des Bestands etwas entgegenzusetzen. Wir wollten eine Welt für Kinder schaffen, die farbenfroh, spielerisch und offen ist – ohne aber das Vorhandene zu verleugnen. Es ging uns darum, den Bestand bewusst zu konterkarieren. Statt alles zu verkleiden, haben wir viele der vorhandenen Elemente übernommen und neu interpretiert: Technische Installationen durften sichtbar bleiben, wurden aber farbig gestrichen und so Teil unseres Gestaltungskonzepts. Und die klare Struktur mit ihren Stützen haben wir genutzt, um verschiedene Zonen zu schaffen.

Durch Farben, Oberflächen und verspielte Details ist eine Atmosphäre entstanden, die neugierig macht, Geborgenheit vermittelt und trotzdem mit der Umgebung im Dialog bleibt. So wird aus einem Bürohochhaus plötzlich ein Ort zum Spielen, Lernen und Wachsen – mitten in der Stadt.

Die Gestaltung der Böden markiert die Raumabfolge. (Foto: © Sven Högger)
Kreisförmige Inlays in den Bodenflächen bilden Treffpunkte und sorgen für Orientierung. (Foto: © Sven Högger)
Welche besonderen Anforderungen wurden gestellt und wie trugen Sie diesen Rechnung?


Wir hatten es mit klassischen Büroräumen zu tun – tief geschnitten, funktional, mit klaren technischen Vorgaben. Für eine Kindertagesstätte stellte das aus verschiedenen Gründen eine Herausforderung dar: Den tiefen Räumen mangelte es an Tageslicht, die Anforderungen an den Brandschutz waren hoch, und es herrschte, wie gesagt, eine eher nüchterne Grundstimmung. Wir haben diese Gegebenheiten als gestalterischen Ausgangspunkt akzeptiert: Statt gegen die Tiefe zu arbeiten, haben wir sie genutzt, um Zonen und Abwechslung zu schaffen – zum Beispiel mit farbig strukturierten Linoleumböden, die Orientierung geben und die kindliche Wahrnehmung fördern. Außerdem haben wir gezielt auf Glasflächen gesetzt, um Tageslicht auch die hinteren Raumbereiche zu bringen.

Nachhaltig ist das Projekt vor allem durch unseren bewussten Umgang mit dem Bestand: Bestehende Elemente wie technische Leitungen oder die Stützenstruktur blieben sichtbar und wurden gestalterisch eingebunden. 

Die Räume wurden mit fröhlichen Farben und verspielten Formen für Kinder gestaltet. (Foto: © Sven Högger)
Inwiefern haben die Bauherrschaft oder die späteren Nutzenden den Entwurf beeinflusst?


Die Bauherrschaft war großartig. Sie trat uns mit Offenheit entgegen und hat uns sehr viel Vertrauen geschenkt. Das hat uns großen Gestaltungsspielraum gegeben. Gleichzeitig war das Projekt stark reguliert: Zahlreiche Ämter und Fachstellen waren involviert, und für jeden Raum gab es detaillierte Vorgaben – von der Größe bis zur Funktion.

Eine der größten Herausforderungen war der enge Zeitrahmen: zwischen Planungsstart und Bezug lagen gerade einmal sechs Monate. Das verlangte nach schnellen Entscheidungen, klaren Prioritäten und einer sehr engen Zusammenarbeit aller Beteiligten. Trotz dieser Rahmenbedingungen ist es gelungen, eine Kindertagesstätte zu realisieren, die nicht nur funktioniert, sondern auch Freude macht.

Foto: © Sven Högger
Die Garderobenbereiche wurden funktional vor den Gruppenräume angeordnet. Von der Garderobe sehen die Kinder in den Gruppenraum. (Foto: © Sven Högger)
Warum haben Sie sich für die eingesetzten Materialien entschieden?


Ziel war es, eine kindgerechte und lebendige Atmosphäre zu schaffen – mit Materialien, die im Alltag bestehen, ökologisch sinnvoll sind und gestalterisch etwas hergeben. Der Linoleumboden zum Beispiel bringt Farbe ins Spiel, ist aber auch robust und pflegeleicht. Gleichzeitig fällt seine Umweltbilanz gut aus.

Viele Entscheidungen entstanden aus dem Wunsch, mit einfachen Mitteln möglichst viel Wirkung zu erzielen. Farben und Oberflächen übernehmen eine zentrale Rolle: Sie strukturieren den Raum, schaffen Orientierung und erzeugen Atmosphäre – ohne dass große bauliche Eingriffe nötig gewesen wären.

Die raumhohen Schiebetüren mit den integrierten Kreisfenstern spielen in der Gestaltung eine zentrale Rolle. Sie dienen nicht nur als Raumtrenner, sondern stellen für die Kinder auch ein besonderes Element dar, das sie zu Hause vielleicht nicht kennen. Dadurch wird eine zusätzliche spielerische und funktionale Dimension geschaffen.

Blick in die Sanitärräume (Foto: © Sven Högger)
Blau zu Grün: Die Nasszellen wurden mit einem Bullauge versehen, sodass sich die Kinder beim Zähneputzen beobachten können. (Foto: © Sven Högger)
Inwiefern beschäftigten Sie sich im Büro mit der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit?


Nachhaltigkeit ist für uns kein Zusatzthema, sondern Teil des alltäglichen Denkens und Planens – sei es im großen städtebaulichen Maßstab oder im Detail eines Innenausbaus. Gerade in der klugen Nutzung des Vorhandenen sehen wir großes Potenzial: Bauen im Bestand heißt für uns, Ressourcen zu schonen, graue Energie zu nutzen und gleichzeitig neue Qualitäten zu schaffen.

Soziale Nachhaltigkeit beginnt aus unserer Sicht schon bei der Frage, wer den Raum nutzt und wie man sich darin fühlt. Räume sollen nicht nur funktionieren, sondern Menschen ein gutes Gefühl geben. Offenheit, Flexibilität und Zugänglichkeit sind zentrale Themen, besonders bei Projekten wie einer Kindertagesstätte. Wir versuchen stets beide Ebenen mitzudenken – nicht dogmatisch, sondern pragmatisch und mit einem Blick dafür, was an einem konkreten Ort wirklich Sinn macht.

Grundriss (© Hobiger Feichtner)
Axonometrie (© Hobiger Feichtner)
Umnutzung einer Bürofläche im Hochhaus (Messeturm Zürich) zur Kindertagesstätte
2025
Hagenholzstrasse 45
8050 Zürich-Oerlikon, Kanton Zürich, Schweiz
 
Auftragsart
Direktauftrag
 
Bauherrschaft
Kita Sternenstaub GmbH
 
Architektur
Hobiger Feichtner Architekt:innen, Zürich
Elisabeth Hobiger-Feichtner, Martin Feichtner, Jan Hüttmann
 
Fachplaner
Baumanagement: Bauseits Partner AG, Zürich
Haustechnik und Elektroplanung: 3-Plan, Winterthur
Brandschutz: Basler Hofmann, Zürich
 
Bauleitung
Bauseits Partner AG, Zürich
 
Fotos
Sven Högger, Genf und Zürich

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