Verdichten mit Holz

HILDEBRAND
24. November 2022
Das Haus aus den 1930er-Jahren hat ein freundliches und zeitgemässes Aussehen erhalten. Zwei zusätzliche Geschosse in Holzbauweise beherbergen moderne Stadtwohnungen. (Foto: Roman Keller)
Herr Hildebrand, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Im Bestand oder präziser formuliert, in der Weiterverwendung des Bestands. Wir Architekt*innen sind gefordert, den CO2-Ausstoss zu reduzieren. Wir tun dies am wirkungsvollsten, wenn wir wenig Material verbauen. Aus diesem Grund nutzen wir bei innerstädtischen Verdichtungen wenn immer möglich die bestehenden materiellen Ressourcen. Die architektonische Herausforderung liegt darin, dies möglichst interessant und lustvoll zu tun.

Vor Sanierung und Umbau wirkte das Haus heruntergewirtschaftet. (Foto: HILDEBRAND)
Foto: Roman Keller
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Das Eckgebäude aus den 1930-Jahren ist nicht spektakulär, aber ein wichtiger Teil des Quartiers. Im Rahmen der Sanierung und Aufstockung hatten wir die Möglichkeit, die Geschichte des Quartiers weiterzuspinnen. Neben den materiellen konnten wir also auch die kulturellen Ressourcen für die nächste Phase im Lebenszyklus des Gebäudes weiternutzen. Im Bestand zu bauen bedeutet, genau hinzuschauen, eine Geschichte zu lesen und diese weiterstricken.

Die Verwendung von Holz für die Aufstockung ist aufgrund des geringen Gewichts des Materials statisch vorteilhaft. Zudem gelingt durch den erneuerbaren und CO2-neutralen Baustoff ein Beitrag zu einer nachhaltigeren Gesellschaft. (Foto: HILDEBRAND)
Dank des hohen Vorfertigungsgrads ist der Bauprozess schlanker und schneller. Auch sind weniger Fahrten zur Anlieferung von Material nötig, was beispielsweise die Feinstaubbelastung und den Kraftstoffverbrauch reduziert. (Foto: HILDEBRAND)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Die Bauherrschaft wollte von Anfang an, dass der Bestand erhalten bleibt. Wir wurden beauftragt, sanfte, aber auch tiefergreifendere Sanierungsvarianten zu prüften. Die nun umgesetzte Lösung für die Nachverdichtung ist langfristig die beste und nachhaltigste: Durch zwei zusätzliche Dachgeschosse konnten wir den Bestand in die Höhe erweitern und qualitativ hochwertige Stadtwohnungen anbieten, welche an die heutigen Bedürfnisse angepasst sind. Die zweigeschossigen Räume unter dem neuen Dach und die Aussicht von den Dachterrassen geben dem Gebäude neue und zeitgemässe Qualitäten.

Foto: Roman Keller
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Beim verdichteten Bauen in die Höhe wird der Aspekt der Tragfähigkeit des Bestands relevant. Das leichte Baumaterial Holz ist prädestiniert für diese wichtige Bau­aufgabe unserer Zeit im urbanen Raum. Der hohe Vorfertigungsgrad erlaubt zudem eine einfache Abwicklung auf der Baustelle mit weniger Verkehr und Feinstaub. Schliesslich leistet Holz als erneuerbares und CO2-neutrales Baumaterial einen wesentlichen Beitrag zu einer nachhaltigeren Gesellschaft.

Die neu geschaffenen Stadtwohnungen im Aufbau ziehen sich über zwei Geschosse, was ihnen grossen räumlichen Reichtum verleiht. (Foto: Roman Keller)
Foto: Roman Keller
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?


Wir arbeiten in den letzten Jahren vermehrt an bestehenden Bauten, die neu gedacht oder erweitert werden sollen. Das Eckgebäude an der Bremgartnerstrasse ist ein gutes Beispiel dafür. Angesichts der immer deutlicher werdenden Klimakrise verändert sich jedoch unser Bewusstsein fortlaufend und damit verschieben sich auch die Prioritäten. Weniger und nachhaltigeres Material wie Holz zu verbauen, ist eine offensichtliche und einfache Art, wie wir darauf reagieren können. Wir werden jedoch umfassendere Antworten finden müssen, denn im Grunde genommen befindet sich die Architektur in einem Dilemma: Wir haben uns lange an der Verschmutzung der Umwelt und der Erschöpfung der natürlichen Ressourcen beteiligt. Wir werden unsere Arbeit grundlegend hinterfragen und überdenken müssen. Das wird viel Zeit in Anspruch nehmen. Diese Transformationsphase hat eben erst begonnen. In unserem Beruf wird sich vieles nachhaltig verändern.

Foto: Roman Keller
Situation
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss 1. bis 4. Obergeschoss
Grundriss 5. Obergeschoss
Grundriss 6. Obergeschoss
Schnitt A
Schnitt B
Schnitt C
Bauwerk
Wohn- und Geschäftshaus an der Bremgartnerstrasse
 
Standort
Bremgartnerstrasse 48, 8003 Zürich
 
Nutzung
22 Wohnungen und 1 Geschäftslokal
 
Auftragsart
Studienauftrag 2013
 
Bauherrschaft
Swiss Life AG
 
Architektur
HILDEBRAND, Zürich
Daniel Sasama (GP), Stephan Dietrich (Projektleiter Lph 1–3), Manuel Bernasconi (Projektleiter Lph 4–5), Thomas Hildebrand, Andrea Briccola, Laura Kwanka, Leonie Wagner, Selina Weibel, Livia Jezler, Carla Ferrer und Eva Herren
 
Fachplaner 
Generalplaner: HILDEBRAND, Zürich
Bauingenieur: suisseplan Ingenieure AG, Aarau
HLSE: 3-Plan Haustechnik AG, Winterthur
Kostenplaner: Archobau AG, Zürich
 
Jahr der Fertigstellung
2022
 
Gesamtkosten BKP 1–9
CHF 6,6 Mio. exkl. Mwst.
 
Fotos
Roman Keller

Vorgestelltes Projekt

Dahinden Heim Partner Architekten AG (DHPA)

Arealentwicklung Birchweid

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