Erfolge einer Partnerschaft
Esch Sintzel Architekten wurden dafür bekannt, für verzwickte Aufgaben qualitätsvolle Architekturlösungen zu entwickeln. Ihre Bauten bedeuten einen Mehrwert für Bewohnende und zuweilen ganze Quartiere. Jetzt zeigt eine lesenswerte Monografie ihr Werk.
2008 gründeten Philipp Esch und Stephan Sintzel ein gemeinsames Büro in Zürich: Esch Sintzel Architekten. Erfolg stellte sich rasch ein: Viele Wettbewerbe und Studienaufträge konnte das Team für sich entscheiden, bald baute es schweizweit – vor allem Wohn-, Geschäfts- und Bürohäuser, aber auch Infrastrukturanlagen, Schulen und Markthallen. Ein Jahr nach der Bürogründung stieß Marco Rickenbacher dazu, der 2021 Partner wurde. Doch nach dem schöpferischen Höhenflug kam es Ende 2023 zur Trennung: Aus Esch Sintzel Architekten wurden die Büros Studio Sintzel und SERA-Studio Esch Rickenbacher Architektur. Die ursprüngliche Bürowebsite mit Werkverzeichnis blieb online, und Links führen zu den Nachfolgebüros.
Als sich das erfolgreiche Team entzweite, war die vorliegende Werkmonografie bereits in Arbeit. »Für mich kam diese Trennung überraschend«, schreibt Herausgeber Martin Tschanz im Vorwort. Unbeabsichtigt dokumentiert sein Buch nun eine abgeschlossene Schaffensperiode, und es wird spannend sein, wie die Beteiligten in neuer Konstellation an diese anknüpfen.
Im Gegensatz zu anderen Architektenmonografien, die zuletzt in der Schweiz veröffentlicht wurden, mutet »Esch Sintzel Architekten. Bauten und Projekte« sehr traditionell an. Das 428 Seiten dicke Buch ist weniger persönlich gefärbt und dokumentiert nicht die Einstellung der Architekten zu ihrem Beruf; vielmehr vermittelt es einen nüchternen Blick auf das Werk und ordnet dieses in den Kontext des zeitgenössischen Architektur- und Baubetriebs ein. Das ist wohltuend, sollte eine gelungene Monografie doch eine Auseinandersetzung mit dem Werk ermöglichen und nicht zur Selbstbeweihräucherung geraten.
Drei Aufsätze von Martin Tschanz, der Architekturprofessorin Astrid Staufer und von Ákos Moravánszky, emeritierter Professor für Architekturtheorie der ETH Zürich, blicken mit kritischer Distanz auf die Bauten von Esch Sintzel. Allerdings kommen dabei die sozialen Implikationen der innovativen Architektur des Büros, die verschiedene Formen des Zusammenseins ermöglicht, etwas zu kurz. Das Material im Buch ist umfangreich und detailliert: Die Projekte werden mit sehr vielen Bildern und Plänen dargestellt, auch die erwähnten Aufsätze sind mit Illustrationen ergänzt. So erhält man einen lebhaften Eindruck von der Entwurfs- und Realisierungsgeschichte der Bauten und kann gelegentlich auch ein Auge in den Bildungsrucksack der Architekten werfen.
Die Reihenfolge der dokumentierten Projekte ist chronologisch: Die Werkpräsentation beginnt mit dem ersten realisierten Wettbewerbserfolg, der Wohnanlage Brunnmatt-Ost in Bern (2008–2013), und endet mit der Erneuerung der Zürcher Siedlung Dennlerstrasse aus dem Jahr 2023. Die Projektdarstellung folgt einem festen Schema: Ein vierseitiger Textteil beschreibt auf Deutsch und Englisch Kontext, Hintergrund und Inspirationsquellen. Es folgt ein kommentierter Bildteil, der sich über bis zu 14 Seiten erstreckt. Hier finden sich jeweils Fotos des fertigen Bauwerks, Baustellenbilder und Pläne. Architekturfotografie und grafische Darstellung erhalten also viel Raum. Ihnen trauen Architekten und Herausgeber in Sachen Architekturvermittlung offenbar mehr »Tiefenwirkung« zu als der Sprache.
Eine große Qualität der Bauten von Esch Sintzel besteht darin, dass sie zunächst gar nicht auffallen. Martin Tschanz schreibt von einer »Schönheit, die sich nicht aufdrängen will«. Die architektonischen Finessen liegen in den sorgfältig ausgearbeiteten Details. Der Architekturhistoriker schwärmt von den ruhigen Straßenfassaden der Siedlung Zollstrasse-Ost in Zürich. Ihn begeistert deren fein abgestufte Gliederung von der Kolossalordnung der Pfeiler bis zur Textur der Brüstungsgitter. Mit dieser Architektur gelinge es tatsächlich, »den Kontext zu verbessern«. Sie folgt städtebaulichen Überlegungen, die Neubauten sind durch ihre Setzung und ihre Gestaltung mit dem Bestand verwoben. Schwellenräume sorgen für Übergangszonen zwischen der privaten und der öffentlichen Sphäre. Sie vermitteln den Menschen ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit – was gerade auch bei Verdichtungsprojekten darüber entscheidet, wie sie aufgenommen werden.
Die gestalterische Vielseitigkeit von Esch Sintzel steht im Zentrum des Essays von Astrid Staufer. Für die bekannte Ostschweizer Architektin ist die stilistische Ungebundenheit des Büros typisch für eine ganze Generation Schweizer Architekturschaffender, die geprägt sind von Aldo Rossi und dem Wirken Herzog & de Meurons. Auch weist Staufer in ihrem Aufsatz darauf hin, dass Esch Sintzel Materialien nicht dogmatisch, sondern projektabhängig auswählen: So symbolisiert das Projekt Zollstrasse-Ost mit seiner Backsteinfassade Dauerhaftigkeit, während viel Holz den ephemeren Charakter der kleinen, umweltfreundlichen Siedlung Kuppe in Horgen am Zürichsee (2011–2021) unterstreicht.
Ákos Moravánszky, der sich in seinem Beitrag mit drei Projekten in Basel auseinandersetzt, bezeichnet das Schaffen von Esch Sintzel als »Arbeit am Hintergrund«. Sich auf den französischen Schriftsteller Paul Claudel berufend, meint er, man müsse eben so bauen, dass der Hintergrund für die Betrachtenden in den Vordergrund trete – wie etwa die massiven Betonpfeiler in den Wohnungen des ehemaligen Weinlagers in Basel. In diesem Sinne erteilt das Werk von Esch Sintzel – und mit ihm dieses Buch – eine Lektion in Sachen Detaillierung und Diskretion. Es erinnert daran, dass qualitätsvolle Architektur kreative Denkarbeit und Handwerk jenseits des Scheinwerferlichts ist.