Mehr Suffizienz, weniger Luxus

Tanja Schmid
3. September 2015
Vergleich Standard- zu Budget-Grundriss. Siedlung Eyhof 2015. Bild: Baugenossenschaft Schönheim.

In der Schweiz wird seit Jahren rund um die Uhr gebaut. Die Nachfrage hält an, der Anspruch auf Wohnraum steigt stetig, der Markt ist überhitzt. Vor allem in den grösseren Städten ist die Situation angespannt. Viele Leute – vermehrt auch Familien – wollen zurück in die Städte. Wer bezahlbaren Wohnraum anbieten möchte, muss sich im Flächenverbrauch einschränken. Dies sind keineswegs neue Erkenntnisse. Die Herausforderung aber liegt bei effizientem und intelligentem Umgang mit der Wohnfläche, die dazu attraktiv gestaltet sein soll.
 
Reduktion von Energie, Material und Fläche
Vorreiter diesbezüglich sind unter anderem die Genossenschaften. Sie wollen und können am Markt nicht spekulieren. Sie sind an das Modell der Kostenmiete gebunden. Das Interesse an ausgeklügelten Wohnformen und Flächeneinsparungen ist verständlicherweise gross.

Genossenschaften haben den Anspruch, bezahlbaren Wohnraum anzubieten, der den heutigen architektonischen, energetischen und ökologischen Anforderungen entspricht. Mit gutem Beispiel voran geht etwa die Wohnbaugenossenschaft Schönheim in Zürich. Sie verfolgt seit längerem den Ansatz von mehr Suffizienz1. Das heisst, dass die Reduktion des Verbrauchs von Energie, Material und Fläche im Vordergrund steht.

Siedlung Eyhof, erhaltener Teil, der von Streuli & Partner Architekten totalsaniert wurde. Bild: Baugenossenschaft Schönheim.

Klar ersichtlich wird die Strategie bei den Ersatzneubauten Eyhof, die im Frühjahr 2017 bezugsbereit sein sollen. 2011 lancierte die Genossenschaft einen Wettbewerb, den Adrian Streich Architekten gewonnen haben. Das Grundstück, auf dem die  Ersatzneubauten entstehen, befindet sich am Fusse des Üetlibergs und gehört zum Stadtteil Albisrieden. Die Umgebung ist grün und von Gartenstadthäusern aus den späten 1940er-Jahren geprägt.

Auf rund der Hälfte der ehemaligen Eyhof-Siedlung wurden 48 Wohnungen aus den 1950er-Jahren rückgebaut. Auf dieser Fläche entstehen neu 89 Wohnungen, aufgeteilt in drei Baukörper. Der andere Teil der Siedlung wurde erhalten und von Streuli & Partner Architekten totalsaniert. Die Aufteilung der Siedlung in einen Sanierungs- und einen Neubauteil wurde in Zusammenarbeit mit dem Hochbaudepartement der Stadt Zürich bereits 15 Jahre zuvor festgelegt. Im späteren Wettbewerbsprogramm wurde für die Neubauten definiert, dass ein Teil der Wohnungen besonders flächeneffizient sein soll.
 
Attraktive Budget-Wohnungen dank intelligentem Grundriss
Preiswerter Wohnraum von guter Qualität soll für verschiedene Mietergruppen zugänglich sein. Die Wohnbaugenossenschaft Schönheim legt Wert auf eine gute Durchmischung von Jung und Alt, von Familien und Einzelpersonen mit tieferem und höherem Einkommen. Daher werden 1,5-Zimmer- bis 6-Zimmer-Wohnungen angeboten.

Rund die Hälfte der Wohnungen sind so genannte Budget-Wohnungen2. Dazu Genossenschaftspräsident Roland Verardo: «Die Budget-Wohnungen sind kompakter als die Standardwohnungen, haben aber denselben Ausbaustandard. Es wird bei den Budget-Wohnungen weniger Fläche pro Bewohner beansprucht. Das wirkt sich in der tiefen Wohnungsmiete aus und ist ein sehr haushälterischer Umgang mit der Wohnfläche.»
 
Siedlung Eyhof, Wohnungen im 1. OG. :
3-Zimmer-Budget, 68m2:      chf 1'280/Monat, Netto
4-Zimmer-Budget, 94m2:      chf 1'750/Monat, Netto
5-Zimmer-Budget, 107m2:    chf 1'990/Monat, Netto
6-Zimmer-Budget, 119m2:    chf 2'200/Monat, Netto
(aus den Vermietungsunterlagen 2015 der Baugenossenschaft Schönheim).
 
Der Grundriss einer Budget-Wohnung ist so konzipiert, dass vom grosszügigen Wohn- und Essbereich ein Zimmer abgetrennt werden kann (s. Grundriss oben). So wird es möglich, eine 3,5-Zimmer-Wohnung in eine 4-Zimmer-Budget-Wohnung umzufunktionieren.

Beim Budgetansatz stellt die Wohnbaugenossenschaft Schönheim erhöhte Belegungsvorschriften auf. Das heisst, dass beim Bezug einer 4-Zimmer-Budget-Wohnung die Anzahl Personen der Anzahl Zimmer entsprechen muss. Bei den Standardwohnungen – die im Verhältnis zu anderen Wohnungen auf dem Markt ebenfalls  flächeneffizient sind – gelten bei der Personenbelegung: Anzahl Zimmer minus eins ergibt die Anzahl der Personen. Weiter kommen bei den Budget-Wohnungen die Vorgaben der kantonalen Wohnbauförderung zu Einkommens- und Vermögenslimiten zur Anwendung.

Siedlung Eyhof, Neubauten von Adrian Streich Architekten. Bild: Baugenossenschaft Schönheim.

Sind wir bereit, auf Fläche zu verzichten?
Wer sich für eine Budget-Wohnung entscheidet, ist bereit, auf Fläche zu verzichten. Der Ausbaustandard und die Qualität bezüglich Komfort und Licht sind genau so gegeben wie bei den Standard-Wohnungen. Die Lebensqualität wird keineswegs eingeschränkt.

Dies wird auch beim städtebaulichen Ansatz der Wohnüberbauung klar ersichtlich. Die drei kompakten Baukörper fügen sich gut auf dem dreieckigen Grundstück ein und nehmen das Thema der offenen, durchgrünten Gartenstadt auf. Eine durchgängige Belichtung der Wohnungen wird gewährleistet. Neben viel Grünfläche wurde zudem darauf geachtet, dass ein gutes Zusammenleben unter den verschieden Mietern und Mieterinnen möglich wird. Ein neuer Quartierplatz entsteht und die Erdgeschosse werden mit verschiedenen Nutzungen wie Kinderhort und Alterswohnungen belebt. Qualitäten wie stimmige Aussenräume und Privatsphäre sind gegeben.

Die Wohnbaugenossenschaft Schönheim hat ab Juni 2015 mit der Vermietung der Wohnungen im Ersatzneubau Eyhof begonnen. Die Nachfrage ist wie erwartet gross – auch bei den Budget-Wohnungen. Durch den angespannten Wohnungsmarkt und der nach wie vor starken Nachfrage nach Mietwohnungen wird ersichtlich, dass die Bewohner der Stadt Zürich bereit sind, sich auf den Budget-Ansatz einzulassen. Roland Verardo meint: «Den Budget-Ansatz versuchten wir ebenfalls in anderen Wohnhäusern unserer Genossenschaft vorzuschlagen. Jedoch ohne Erfolg. Die Wohnbauten befinden sich eben nicht in der Stadt, sondern in der Agglomeration von Zürich.»

Der Mangel an verfügbarer Wohnfläche mit günstigen Mieten scheint in den ausserstädtischen Gebieten noch nicht gross genug zu sein. Werden erst dann Bevölkerung und private Investoren bereit sein umzudenken, wenn sich der Mangel derart zuspitzt? Langfristig wird es für uns alle unumgänglich, uns im Flächenverbrauch einzuschränken. Denn Grund und Boden sind Mangelware.
 
Anmerkungen
1 Zum Begriff Suffizienz s. hier; vgl. dazu auch: «Leichter leben», in: eMagazin, 28/13, hier.
2 Vgl. Baugenossenschaft Schönheim, Siedlung Eyhof, Vermietungsunterlagen 2015.
 
 

Tanja Schmid ist Architektin. Sie plädiert für einen nachhaltigen Umgang mit Wohnraum. Dieser Artikel entstand im Rahmen des MAS Immobilienmanagement an der Hochschule Luzern.

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