Salone del Mobile 2016/Fuori Salone

Susanna Koeberle
14. April 2016
«50 Manga Chairs», Instalation von Nendo im Chiostro Minore di San Simpliciano. Bild: sk

Und plötzlich sind alle da. Während des Salone del Mobile, dieses Jahr vom 12. bis zum 17. April, wird Mailand regelrecht in ein Designbad getaucht. Jeder, der das Wort Design buchstabieren kann, findet sich in der Hauptstadt der Lombardei ein und will Teil des ganzen Getriebes sein, sei es als Aussteller oder Besucher. Das Angebot an Inszenierungen, Ausstellungen und Events ist immens. Alles zu sehen, ist schlichtweg unmöglich. Es gilt, schon im Vorfeld eine genaue Triage vorzunehmen, um die unterschiedlichen Gegenden gezielt auszukundschaften; dabei gibt es zum Glück immer wieder auch Überraschungen und Entdeckungen, die man nicht programmiert hat.

Nach dem Besuch der Messe mit ihren unzähligen Hallen, dem Gewusel und der Produkteschlacht, will man als Besucherin nie mehr einen Stuhl sehen, zumindest eine Weile nicht. Abgesehen davon, dass ein Stand an der Messe ein beachtliches finanzielles Engagement bedeutet, ist vielen Herstellern klar geworden, dass man Welten um das Produkt kreieren muss, um als Brand wahrgenommen zu werden. Die suggestive Präsentation von Möbelstücken im kleinen Rahmen bleibt länger haften als megalomane Standarchitekturen. Spannender als die vielen Neuheiten sind aber thematische Ausstellungen oder schlichte Inszenierungen, die mehr aussagen über das Wesen von Gestaltung und die Zukunft des Designs. Zum Gelingen der Inszenierungen trägt die richtige Location viel bei.
 

Im Palazzo Litta ist die Ausstellung «A Matter of Perception. Tradition & Technology» zu sehen, welche Arbeiten von über 100 Designern vereint. Im Hof gibt es eine Installation des Architekten Diébédo Francis Kéré. Bild: sk

Mailand bietet architektonisch eine unglaubliche Vielfalt an. Diese während des Fuori Salone neu zu entdecken, ist unglaublich inspirierend. Viele Palazzi, wie etwa der Palazzo Litta aus dem 17. Jahrhundert, sind nur selten zugänglich, andere wie die Bauten des FAI (Fondo Ambiente Italiano, eine private Institution, die historische Häuser begehbar macht) werden während des Salone gemietet und als Ausstellungsort genutzt. So etwa die wunderbare Villa Necchi Campiglio, erbaut vom Mailänder Architekt Piero Portaluppi (1888-1967). Heuer zeigt dort die Wirtschaftskammer Österreich die Designausstellung «Back Ahead». Neben diesen fantastischen Bauwerken gibt es auch weniger spektakuläre Orte wie kleine Innenhöfe, stimmungsvolle Wohnungen oder alte Nutzbauten zu erkunden. Das ehemalige Kino Cinema Arti zum Beispiel: Für das Modelabel COS hat der japanische Architekt Sou Fujimoto die Installation «Forest of Light» kreiert, die gestresste Salone-Besucher einen kurzen Moment aufatmen lässt. Mit kleinen Eingriffen hat der Architekt einen Raum geschaffen, in welchem Licht und Besucher auf subtile Weise interagieren.

Installation «Forest of Light» von Sou Fujimoto im Cinema Arti. Bild: sk

Überhaupt muss man die diesjährigen japanischen Auftritte in Mailand besonders hervorheben. Die Japaner sind Meister darin, Orte zu schaffen, in welchen Produkt und Poesie zu einem Ganzen verschmelzen. Zudem stehen dahinter oft Projekte, die bezüglich Kooperationen Vorbildcharakter haben. So etwa die «Casa Gifu» in Brera, welche die Zusammenarbeit zwischen Atelier Oï, der Präfektur Gifu und italienischen Herstellern beheimatet. Oder die Präsentation des Projekts «2016arita», die anlässlich des 400-Jahre-Jubiläums der Porzellan-Manufakturen in Arita gezeigt wird. 16 Designer (darunter einige Schweizer Büros) wurden eingeladen, nach Japan zu reisen und zusammen mit den Familienbetrieben neue Kollektionen zu entwickeln. Das Resultat dieser schönen Zusammenarbeit wird nun erstmals in Mailand vorgeführt. Empfehlenswert ist auch die Ausstellung von Karimoku New Standard in einer versteckten Galerie im Zentrum. Seit einigen Jahren hat der Schweizer David Glaettli die Art Direction des japanischen Brands inne. Gezeigt werden neue und alte Entwürfe zusammen mit den Bildern der koreanischen Künstlerin Chung Eun Mo. Auch Nendo brilliert mit «50 Manga Chairs» und lässt Möbel zu Figuren mit Charakteren werden.

Sofa «Castor» von Big Game und Tisch von Scholten & Baijings mit Bildern von Chung Eun Mo. Bild: sk

Die Präsentation von Karimoku ist Teil des 5VIE Art + Design District, einer Gegend unweit des Doms, die zum dritten Mal verschiedene Ausstellungen versammelt. Zentrum des Distrikts ist eine ehemalige Garage. Nach Marten Baas 2014 und Max Lamb 2015 wurde heuer das israelische Duo Raw Edges mit einer Inszenierung beauftragt. «Herringbones» ist eine performative Installation. Sie verwandelt die Location in eine Art Laboratorium, das die Arbeitsweise der beiden Designer erfahrbar macht. Auch die Ausstellung «Ladies & Gentleman» in einer Wohnung, die früher Schauplatz des Mailänder Nachtlebens war, lohnt einen Abstecher.
 

«Herringbones», eine Installation von Raw Edges im 5VIE Distrikt. Bild: sk

Auch Produzenten aus den USA lassen es sich nicht nehmen, in Mailand ihre Neuheiten zu präsentieren. Hermann Miller, der für Büromöbel bekannt ist, hat mit dem Londoner Leuchten-Designer Michael Anastassiades zusammengearbeitet, der für den Brand erstmals auch Möbel entworfen hat. Im Mailänder Showroom des Herstellers beweist Anastassiades seine Begabung, Räume zu lesen und zu inszenieren. Der Titel der Installation, «The Double Dream of Spring», passt aber nicht nur zur Designausstellung. Denn die zweite wahre Protagonistin dieses Designmegaevents ist dieses Jahr die Glyzinie. Ihre Blütezeit ist wohl durch die milden Temperaturen schon etwas früher dran als auch schon. Sie begleitet das bunte Designtreiben dieser Woche und stiehlt auch manchen Stücken die Show.
 

Bild: sk

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