Ummauerter Bereich

Inge Beckel
9. Juni 2016
Frühlingsgarten, Adolf Dietrich, 1926. Öl auf Karton, Kunstmuseum Winterthur/© 2015, ProLitteris, Zürich. Bild: Hans Humm

Bald beginnt der Sommer. Schauen wir aus dem Fenster, mutet es derzeit jedoch mehr nach April an. Da kommt die Ausstellung im Museum Rietberg, die sich ausgewählten, besonders schönen und historisch wichtigen «Gärten der Welt» widmet, gerade recht. Wie aber definieren wir einen Garten? «Ein Garten ist ein abgegrenztes Stück Land, in dem Pflanzen unter mehr oder minder intensiver Pflege mit Hilfe von Gartengeräten angebaut werden. Im Gegensatz zu Parks werden Gärten meist privat genutzt», liest man auf der Online-Enzyklopädie Wikiwand. Und weiter: «Gärten werden nicht nur angelegt, um einen direkten Ertrag zu ernten (Nutzgarten), sondern auch um einem künstlerischen, spirituellen oder therapeutischen Zweck zu dienen, oder auch der Freizeitgestaltung und Erholung, wie Zier- und Kleingärten». Ein Garten ist also ein begrenzter Aussenraum, gefasst und geschützt. Er steht nicht allen offen, dient Rückzug und Regeneration. Und er macht Freude.

Gartenplan aus dem Grab des Sennefer, Ägypten, ca. 1400 v.u.Z. Zeichnung von Ippolito Rosellini, 1834/© Universitätsbibliothek Heidelberg

Wasser, Schatten spendende Bäume und ein Pavillon
In Kashan im alten Persien entstand ab Ende des 16. Jahrhunderts der so genannte Fin-Garten. Wesentliche Elemente dieses Fin-Gartens waren ein zentrales Wasserbecken mit kreuzförmig abzweigenden Wasserkanälen, Reihen von schattenspendenden Säulenzypressen sowie ein Pavillon. Diese Elemente prägten schon den Garten von Pasargadae – ebenfalls im Alten Persien – aus der Zeit um 550 v.u.Z., der folglich gute 2000 Jahre vor jenem in Kishan entstanden war. Der Typus dieser grundsätzlich vierfeldrigen Anlage – altpersisch chahar bagh genannt – hat sich bis weit in die westlich als auch östlich an den heutigen Iran angrenzende Welt ausgebreitet. Sowohl der Taj Mahal in Indien als auch die Alhambra im südlichen Spanien sind Nachkommen dieses Typus. Auch im Klostergarten von St. Gallen finden sich Spuren. Der persische Garten gilt als älteste, sich ununterbrochen bis in die heutige Zeit fortsetzende Gartenanlage.

Persische Gärten waren denn auch Quelle der Inspiration für Juden, Christen und Muslime. Sie beeinflussten den Gartenbau von Europa bis Indien. Aus diesem Fundus und gegliedert in 30 Kapitel zeigt die Ausstellung im Museum Rietberg Exemplarisches aus der Welt der Gärten aus rund vier Jahrtausenden. Dennoch, weder Ausstellung noch Katalog können die Geschichte und die Vielfalt von Gärten vollständig nachzeichnen, liest man in der Einleitung zum Katalog. Vielmehr diente Albert Lutz und Hans von Trotha, Verantwortliche der Schau, ein «wunderbares, 100 Jahre altes Vorbild» als Ausstellungskonzept, wie sie selbst sagen, nämlich ein Buch von Marie Luise Gothein mit dem Titel Geschichte der Gartenkunst, erschienen 1914 in Jena. Wiederum dieser Pionierin folgend, beschränkt sich die Ausstellung auf Beispiele der Gartenkunst vom Alten Ägypten über den Orient bis China und Japan, und zeichnet die Gartenkulturen Europas nach.

Der Maler im Garten, Carl Spitzweg, um 1860. Öl auf Karton, Museum Oskar Reinhart, Winterthur/© Bild: SIK-ISEA Zürich, Philipp Hitz

Streng geordnet gegenüber sinnlich und natürlich
Nach den Ursprüngen in Ägypten, dem Zweistromland zwischen Eufrat und Tigris und Persien führt die Ausstellung weiter übers Mittelalter, wo St. Gallen vorkommt. Wie erwähnt finden sich auch im dortigen Klostergarten Spuren des Fin-Gartens. In der Renaissance entstanden um Städte wie Rom oder Florenz zahlreiche «Musenhöfe», die gleichzeitig mit der Villenarchitektur die Gartenkultur aufblühen liessen. Diese Gärten werden in der Ausstellung umschrieben als «geometrisch organisierte Festsäle unter freiem Himmel, die nicht nur Blumen und andere Pflanzen präsentieren, sondern auch die Aussicht in die Landschaft inszenieren». In der Renaissance nahm zudem der botanische Garten seinen Anfang. Zur Erforschung und Vermessung der Welt gehörte damals das Studium der Botanik. Auch ein Gelehrter aus Zürich widmete sich derlei Studien. Es war Conrad Gessner, der momentan im Landesmuseum Zürich gewürdigt wird.

Im Museum Rietberg stellen die Anlage von Versailles und der englische Landschaftsgarten, aufgezeigt am Beispiel von Stourhead in Wiltshire, zwei weitere Höhepunkte dar. König Ludwig XIV liess Versailles, das auf einem rationalistisch-mathematischen Barockgarten aufbaute, ab 1661 von seinem Gartenarchitekten André Le Nôtre zum Abbild des Staates und gleichzeitig zum Symbold seines Machtanspruchs umbauen. Das setzte massive Umformungen der Landschaft voraus – mit dem Ziel, die Wegenetze von Garten und angrenzender Stadt sternförmig im Zentrum des Schlosses zusammentreffen zu lassen: Schloss, Garten und Stadt als Gesamtkunstwerk. Und gleichzeitig ein Ausdruck von philosophischem Rationalismus und politischem Absolutismus. Ganz anders der Landschaftsgarten. Dort wurde der vernunftbasierte Rationalismus durch eine Theorie abgelöst, die unsere Sinne ins Zentrum der Eingriffe rückt, genannt Sensualismus. Mit der Konsequenz, dass die Darstellung der Natur ihren eigenen Regeln gehorchen soll – und nicht menschgemachten.

Paradiese 09, Fotografie von Thomas Struth, 1999. China, Provinz Yunnan, Xi Shuang, Banna C-Print/© Atelier Thomas Struth

Rahmen der Ausstellung und Rahmenprogramm zur Ausstellung
«Gärten der Welt» ist bis zum 9. Oktober im Museum Rietberg in Zürich zu sehen.
Die Ausstellung ist Teil vom GARTENJAHR 2016 – Raum für Begegnung, einer nationalen Kampagne, die mit Veranstaltungen und Debatten auf die Bedeutung von Parks, Gärten und Freiräumen aufmerksam macht.
 
Märkte, Filme, Feste
«Gärten der Welt» ist mehr als eine Ausstellung. Wiederum machen Veranstaltungen – immer mit Bezug zu Gärten – den Besuch im Museum Rietberg für alle Sinne erlebbar. Dazu gehören etwa ein Kräutermarkt, ein Gartenfest, Afternoon Teas oder Workshops.

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