Weniger bestellen heisst weniger bezahlen

Inge Beckel
15. Oktober 2015
Rationale Räume sind besser und vielfältiger nutzbar als funktionale, also (allzu) spezialisierte. Amtshaus III der Stadt Zürich. Bild: Amt für Hochbauten / Martin Boesch, Zürich.

So sind für Auftraggeber Baukosten bekanntlich ebenfalls ein Dauerbrenner. Schliesslich soll ein Bau möglichst günstig erstellt werden. Doch hängen «Bestellung» und «Rechnung» zusammen – das weiss letztlich schon jedes Kind.

Entsprechend tragen die Auftraggebenden Mitverantwortung bezüglich der Baukosten. Als André Odermatt 2010 sein Amt als Vorsteher des Hochbaudepartements der Stadt Zürich antrat, hörte er vor allem eine Klage: Die Baukosten seien zu hoch (vgl. Meldung von letzter Woche, hier). Also liess er eine breit angelegt Analyse mit dem Ziel der Kostenklarheit lancieren. Einerseits sollten Kostentreiber und andererseits Senkungs- respektive Sparpontenziale eruiert werden. Nun liegen die Ergebnisse vor. Als Kostentreiber sind vor allem vier Punkte zu nennen.
 
Kostentreiber
Beginnen wir hinten. Auf Platz 4 der Kostentreiber liegt die restriktive Auslegung der gesetzlichen Vorgaben. Zum Tragen kommt dieser Punkt, wenn Bestimmungen der jeweils zuständigen Behörden über die Gesetze hinausgehen. Was meist kostentreibend ist. Nun trifft das Thema von restriktiven Auslegungen gesetzlicher Vorgaben ja ebenso private Bauträgerschaften. Um hier also mehr Fakten sammeln zu können, hat das Hochbaudepartement der Stadt Zürich per sofort eine Adresse eingerichtet, wo Architekten, Architektinnen sowie Bauträger melden können, wo in konkreten Fällen Auflagen seitens der Stadt zu Mehrkosten geführt haben. Zur Kontaktadresse gehts hier.

Auf Platz 3 der Kostentreiber liegt: Erhöhte Ausbau- und ökologische Standards. So liegen beispielsweise die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft über den gesetzlichen Anforderungen – hier jedoch hat der Souverän diesem Ziel in einer Abstimmung zugestimmt, wodurch die Vorgaben für die Stadt Zürich verbindlich werden.

Platz 2 belegt der Punkt komplexe Bauaufgabe aufgrund des Standorts. Anders ausgedrückt heisst dies, dass bauen auf der grünen Wiese (kurzfristig) günstiger ist. Dort gibt es keine beengenden Platzverhältnisse durch Nachbarschaften und keine verkehrstechnischen Restriktionen, keine Umleitungen oder Sperrungen des Verkehrs. Auch keine aufwändigen Rückbauten. In innerstädtischen Verhältnissen jedoch will das Umfeld einer Baustelle vom nachbarschaftlichen Bauvorhaben möglichst wenig beeinträchtigt werden.

Es gilt also vielfältige Rücksichten zu nehmen, allfällige Provisorien einzurichten, Schutzwände zu erstellen. Wird ein bestehendes Gebäude umgebaut oder kommt es zu einem Ersatzneubau, ist im Vorfeld zudem oft die Denkmalpflege zu kontaktieren. Nun müssen Mehrkosten in Zusammenhang mit erhaltenswerten Bauten aber langfristig betrachtet werden. Denn geschützte Bauten sind Unikate. Ihr Wert ist kulturhistorischer Art. Für gewisse Menschen – primär Ältere aus dem Quartier – haben sie einen Erinnerungs- und damit Identitätswert. Derlei Werte rechnen sich langfristig, nicht kurzfristig.

Das Siegerpodest bei den Kostentreibern, also Platz 1, schliesslich gehört der Vermehrung der benötigten Fläche. Wer mehr bestellt, muss mehr bezahlen. Eigentlich eine Binsenwahrheit.
 
Mehr rational denn funktional
Bei der Projektierung des Schulhauses Schauenberg in der Stadt Zürich beispielsweise wurden die ursprünglich angedachten 9'500 Quadratmeter Nutzfläche um gute zehn Prozent auf 8'500 Quadratmeter reduziert, womit nach Odermatts Angaben von Ende September 3,5 Millionen Franken eingespart werden. So wurde etwa insofern Platz gespart als das Foyer verkleinert wurde. Weiter wurde bei den Aussenanlagen gespart und deren Standard reduziert.

Sieht man sich den Windmühlen-artigen Grundriss des Siegerprojekts von Adrian Streich Architekten (mehr hier) an, fallen Erschliessungs- und Pausenfläche im zentralen Atriumshof sinngemäss zusammen, was zumindet teilweise Fläche einspart. Nur rund einen halben Kilometer nördlich des geplanten Ersatzneubaus fürs Schulhaus Schauenberg liegt die Schulanlage Riedenhalde, die wohl als ein Vorbild gedient hat. Dort haben die Architekten Roland Gross, Hans Escher und Roland Weilenmann – ältere Semester kannten noch den damaligen Mitarbeiter und späteren ETH-Professor Heinz Ronner – Ende der 1950er-Jahre eine in der Disposition ähnliche Anlage in Form eines Windrades gebaut (mehr hier).

In jedem Fall ist wesentlich, dass entgegen dem modernistischen Credo form follows function nicht jede Tätigkeit oder Nutzung ihre je eigene Fläche beansprucht und erhält. Denn dies ergäbe respektive ergibt – angesicht der fortschreitenden Spezialisierungen in den Arbeitsprozessen ganz generell – eine stets grösser werdende Summe notwendiger Flächen. Und damit, gemäss dieser Logik, stets steigenden Kosten.

Vielmehr gilt es, Flächen und Räume so auszugestalten, dass sie für verschiedene Tätigkeiten nutzbar sind. Vor allem, wenn diese Tätigkeiten im Tagesablauf zu verschiedenen Zeiten stattfinden. Eine Wohnküche beispielsweise ist zu Kochen- und Essenszeiten belebt, während eine Laborküche nach dem Zubereiten des Essens leer steht. Und das Esszimmer steht während des Kochens leer. Funktional konzipierte oder zu stark funktionalisierte Räume sind letzten Endes auch nicht wirtschaftlich. Wenn ein auf nur eine Nutzung oder nur einen Zweck hin angelegter Raum pro Tag während rund 2 Stunden belegt ist und 22 Stunden leer steht, ist dies unwirtschaftlich. Wenn ein für mehrere Zwecke oder Tätigkeiten nutzbarer Raum aber während 8 Stunden belegt und 8 Stunden leer ist, ist dies schon sehr viel wirtschaftlicher. Und nachhaltiger. Und letztlich vernünftiger. Heute würde man sagen: suffizienter.
 
 
Weiter zum Thema, etwa:
«Mehr Suffizienz, weniger Luxus», in: eMag, 36/15, hier.
«Wie Stoffreste beim Zuschneiden eines Kleides». Form follows function bedeutet Platzverschleiss, in: eMag, 12/15, hier.
 

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