Wie Botta nach Langenthal kam

Jenny Keller
22. Oktober 2014
Der grafische Auftritt des Designers' Saturday stammt von P-INC. Alle Bilder: P-INC

Einst stand das «Bopla!»-Geschirr Pate für Ausdruck des Neuen Designs. Das war 1993 – die Porzellanfabrik Langenthal AG sorgte damals mit ihrem poppigen Geschirr mit Ausrufezeichen für Aufsehen. Dieses war natürlich auch am Designers’ Saturday in Langenthal zu sehen, der von sechs Langenthaler Firmen 1987 ins Leben gerufen worden ist. Und weil die Geschichte nicht linear verläuft oder gerecht ist, ist die Porzellanfabrik Langenthal seit neun Jahren Geschichte, und der Designers’ Saturday war letztes Mal (2012) mit 16'000 Besuchern so gut frequentiert wie nie. In zwei Wochen, am 1. und 2. November 2014, wird er zum 15. Mal stattfinden. Aufmerksame Leser merken, aus dem Samstag ist ein ganzes Wochenende geworden.

Vorbild New York
Für den Anlass standen die Samstage der offenen Showrooms, eben dieses Designers’ Saturdays, wie man sie von New York und London her kannte, Pate. Doch Langenthal ist nicht New York, und trotzdem pilgert man seit 1987 gerne ins Mittelland, und das Werk, Bauen + Wohnen schrieb als Rückblick auf den ersten Schweizer Designer’s Saturday auf seinen VSI-Seiten in Heft 4, 1988, «das Risiko, interessierte Designer, Architekten und Innenarchitekten sozusagen auf dem Lande zu empfangen, erwies sich als der Sache eher förderlich.» Rund 700 Design-Interessierte seien nach Langenthal gekommen und «dass auch Mario Botta, Theo Jakob, Hans Eichenberger und Alfred Hablützel sich von den kreativen Oberaargauer Firmen über ihre neuesten Entwicklungen informieren lassen wollten, spricht für die Ausstrahlung der bestens bekannten Produkte aus diesen Händen.»
 
Die «kreativen Firmen» waren Création Baumann, Möbelstoff Langenthal, Ruckstuhl, Teppichfabrik Melchnau, Stegemann und Girsberger. Die Firmen hatten neben ihrer geografischen Nähe auch weitere Berührungspunkte und gründeten den Designers’ Saturday, eine Veranstaltung, die am ersten November-Samstag anfänglich noch jedes Jahr sattfinden sollte. Damals stellte man kleine Busse mit Platz für zehn Personen zu Verfügung, die von den Standort zu Standort fuhren, heute sind die Verkehrsbetriebe von Langenthal mit Shuttle-Bussen im Einsatz, und auch die sind eigentlich zu klein.

Die Postmoderne
Die Langenthaler Unternehmer reagierten mit dem Designers’ Saturday damals auch auf die Entwicklung, dass das perfekte Design in den Achtzigerjahren zum Auslaufmodell wurde. Das Jahrzehnt der Stilbrüche (Bopla!), der Postmoderne mit ihren zum Teil ironischen Zitaten und der Wunsch nach persönlicher Einrichtung statt einer Komplett-Ausstattung eines Möbelhauses mit Wohnwand und Nachttischen im selben Holzfurnier, forderte die Hersteller heraus. Mit dem ursprünglich sehr familiären Designers’ Saturday – bei Création Baumann gab es hausgemachte Gnocchi fatti della Mamma Baumann, bei Ruckstuhl Kürbissuppe von Frau Ruckstuhl – suchte man den Kontakt zu Architektinnen, Designern, und mit den Jahren wurde aus dem Szeneanlass auch einer für die Endkunden. Doch jede Erfolgsgeschichte hat auch ihre Schattenseiten, so traten nach drei Jahren langsam Ermüdungserscheinungen auf, weshalb man 1990 den Zweijahresrhythmus einführte. 

Damals wie heute
Seit 1990 ist vor allem eines anders geworden: Der familiäre Geist ging verschwunden, kein Wunder bei 16'000 Besuchern. Doch man legt immer noch Wert darauf, dass der Designers’ Saturday keine Verkaufsmesse ist, auch wenn neben den Gastgeberfirmen weitere Design-Firmen dazugekommen sind, die einen Stand mieten und mit einem Künstler, Szenographen oder Designer am Auftritt feilen. Die Inszenierungen sollen mit dem Bestand kommunizieren, auf die Gegebenheiten, die man in den Produktionshallen vorfindet eingehen, so der Wunsch des Vorstands, der aus vertretern der Gastgeberfirmen und zwei weiteren involvierten Personen besteht. Die Firmenzusammensetzung hat sich geändert, so sind heute Création Baumann, Girsberger, Glas Trösch, Hector Egger Holzbau und Ruckstuhl beteiligt. 
 
Der Erfolg (und die Menge) wurde vom Vorstand des Designers’ Saturday stets auch als Gefahr verstanden, der man entgegen wirken wollte und will. Vor acht Jahren hat man deshalb eine unabhängige Jury eingesetzt, die über die Teilnahme der Gastfirmen bestimmt. Dazu soll auch ein Kurator, der Architekt Sergio Cavero, der an der Expo 02 auf sich aufmerksam gemacht hat, für Qualität sorgen.

Learning by doing
Qualitativ hochwertig und wichtig ist natürlich auch der grafische Auftritt der Designers’ Saturday. Dieser wird fast seit den Anfängen vom heute in Langenthal ansässigen Büro P-INC gestaltet. Davor wurden die ersten Einladungen noch von Roger Pfund, dem Gestalter der Schweizer Reserve-Banknoten und dem Schweizerpass, gemacht, der auch Lithografien, die in kleinen Auflagen von 250 Stück zum Verkauf angeboten wurden, angefertigt hat. Doch die Lithografien wurden nicht gekauft, und so hat man nach sechs Jahren das Experiment für beendet erklärt.
 
Sowieso ist der Designers’ Saturday, hat man das Gefühl, ein empirisches Versuchsfeld, auf dem ausprobiert, getestet und wieder verworfen wird: Podien am Tag vor dem Designers’ Saturday mit Matthias Horx oder Christa de Carouge waren viel zu schlecht besucht, sodass man die Sache nicht wiederholte. Designer-Grössen wie die Gebrüder Bouroullec oder Hadi Teherani hielten Vorträge in den Produktionshallen, denen niemand zuhören wollte, dafür hatte Ruckstuhl einmal ein Makro-Display an der Fassade montiert, das die Besucher so fasziniert hat, dass man kleinere Displays danach in der Ausstellung genutzt hat.
 
Ein Leitsystem von Studenten, das den Weg weisen sollte war indes so verwirrend, dass die Besucher gar nicht zum Ziel gekommen sind, und um der vielen Besucher besser Herr zu werden, wurde nach dem Sonntag auch der Freitag eingeführt, der für «professionals only» und nur auf Einladung ist. Dieses Experimet hat sich bewährt.
 
Man blieb die vielen Jahre aber immer selbstkritisch und fragt sich im Vorstand, ob das Format heute nach 27 Jahren noch seine Gültigkeit hat. Das Werk, Bauen + Wohnen war auf jeden Fall schon 1988 einig mit dem Vorstand des Designers’ Saturday: «Der Designers Saturday darf keine messeähnliche Veranstaltung werden. Er soll nicht Masse, sondern Klasse bieten.»
 
Postmoderne 2.0
Was auch immer noch seine Gültigkeit hat, ist, dass die wenigsten heute so eingerichtet sind wie im Hochglanz-Wohnmagazin. Die Langentahler Firmen spüren vermehrt, dass der Konsument nicht mehr zum Fachhändler geht, sondern sich bei Kollegen, auf Blogs und im Internet orientiert und dann gerne direkt zum Hersteller geht. Deshalb behaupten wir, ist der Designers’ Saturday immer noch sehr zeitgemäss. Oder wieder. Wir werden es sehen – am ersten Novemberwochenende in Langenthal.

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