75 Jahre Mario Botta

Manuel Pestalozzi
4. April 2018
Selbst profane Aufgaben vermitteln ein feierliches Gepräge, wenn Mario Botta Hand anlegt. Lärmschutzwände in Chiasso. Bild: Manuel Pestalozzi

Nach Le Corbusier gibt es niemanden in der Schweiz, der das Berufsbild des Architekten in der breiten Öffentlichkeit so stark geprägt hat, wie Mario Botta. Das hat seinen guten Grund: Einen Bottabau erkennen auch Laien, ohne gross raten zu müssen. Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die ihm das übel nehmen und ihm Formalismus vorwerfen. Trademark-Architektur, das ziemt sich nicht für alle, an den Hochschulen des Landes ist das eher verpönt. Man anerkennt dort Mario Bottas Frühwerk und flechtet es in den Unterricht ein: das Einfamilienhaus in Riva San Vitale oder die Realschule in Morbio Inferiore. Doch bereits die Casa Rotonda in Stabio gilt als «Mocken» der, oh Schauder, den Ort «macht», anstatt sich in ihn zu integrieren.
 
Mario Botta scheint das kaum anzufechten. Sein Image als eine Art Landesbaumeister ist beim «Volk» intakt, seine sinnlich-robuste «Architektur zum Anfassen» hat an Beliebtheit nichts eingebüsst. Ähnlich wie der etwas ältere Kabarettist Emil Steinberger ist er eine etablierte, verlässliche Kraft in der moralisch lauteren Populärkultur. Und wie jener lässt er sich auch ausserhalb des beruflichen Tätigkeitsfeldes für wohltätige Zwecke einspannen, etwa für den Schutz der Gletscher. Er vermittelt überzeugend eine Heimatliebe, die an Orte gebunden ist, ohne dass das muffig oder kitschig oder rückständig wirkt.
 
Dieses Image färbt wiederum auf seine Architektur ab. Der Tessiner scheint es nach wie vor zu schaffen, sich weitgehend kompromisslos mit seinen Ideen durchzusetzen und baut weiter, in manchen Ländern der Erde, aber vor allem im eigenen Kanton. Da und dort schafft er seine Botta-Welten, die in ihrer Gesamtheit einiges vielseitiger sind, als es gelegentlich den Anschein macht. Und man nimmt es ihm ab, dass die Botta-Welten aus der Erde eine bessere machen können, sei es aufgrund seiner Gesinnung, sei es wegen den formalen, räumlichen und haptischen Qualitäten seines Werks, die Menschen zu neuen Erkenntnissen verleiten. An dieser Stelle sei Mario Botta herzlich zum runden Geburtstag gratuliert, mit besten Wünschen für die Gesundheit, in der Hoffnung auf viele neue Ideen und Anregungen, an denen wir uns reiben und unsere eigenen Fähigkeiten messen können.

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