Aus dem Hintergrund nach vorne

Susanna Koeberle
14. Juni 2019
Die Arbeit von Connie Hüsser wurde mit dem Grand Prix Design geehrt. (Foto: BAK/Marc Asekhame)

Connie Hüsser, Rosmarie Baltensweiler und Thomi Wolfensberger gewinnen den Schweizer Grand Prix Design 2019. Abgesehen vom Preis verbindet noch etwas diese drei Menschen: Sie treten nicht primär als Autor*innen auf, sondern prägen die Schweizer Kultur, ohne sich und ihre Arbeit in den Vordergrund zu stellen. Sie handeln aus der zweiten Reihe heraus gewissermassen. Diese bescheidene Grundhaltung ihrem Wirken gegenüber zeigte sich auch bei der Preisverleihung, bei der wiederholt von Zusammenarbeit und Netzwerken die Rede war. Künstlerisches Schaffen lässt sich eben nicht in numerischen Parametern messen. Und schon gar nicht aufteilen in einzelne Leistungen, auch wenn die Disziplinen Architektur, Kunst und Design lange von einem männlich dominieren Starsystem geprägt waren (und noch sind), das uns glauben macht, die Herren der Schöpfung hätten Kreativität erfunden. Zeit für einen Wechsel. 

Connie Hüsser in ihrem Atelier vor der geliebten «Volvo»-Wand. (Foto: BAK/Marc Asekhame)

Rosmarie Baltensweiler (*1927) arbeitet in den 1950er-Jahren bei Max Bill und gründet später zusammen mit ihrem Mann Rico die Leuchtenfirma Baltensweiler. Der Steindrucker Thomi Wolfensberger (*1964) gilt in der Kunstszene als der beste seines Fachs. Künstler*innen erarbeiten gemeinsam mit ihm ihre Drucke, wobei er massgeblich an der Entstehung der Arbeiten beteiligt ist. Seine Unterschrift ist allerdings nirgends auf den Kunstwerken zu finden. Auch Connie Hüssers (*1967) Name wird – im Gegensatz etwa zu den Fotograf*innen – häufig nicht erwähnt, obwohl ihre Tätigkeit wesentlich zur Wirkung von Bild oder Raum beiträgt. Das zeigt sich sowohl bei Druckerzeugnissen wie zum Beispiel den legendären Katalogen «Select and Arrange» für Vitra wie auch bei ihren Inszenierungen für Messestände. Für ihre Arbeit als Interior Stylistin greift Hüsser auf ein Wissen zurück, das sie sich im Laufe ihrer langjährigen beruflichen Aktivität selbst erarbeitet hat. Vieles basiert allerdings auf Intuition und einem untrüglichen Gespür für ungewöhnliche Kombinationen. In diesem Zusammenhang verwendet Hüsser den Begriff der Collage, was ihre Arbeit in die Nähe künstlerischer Strategien rückt. Diesen Anspruch würde sie selbst wohl von sich weisen. Sie sei eine «Büezerin» sagt die umtriebige Objektmagierin. Diesen Titel verdient sie deshalb, weil sie die Gabe besitzt, Objekte so zueinander in Beziehung zu setzen, dass den Betrachter*innen die Dingwelt mit einem Mal wie ein bunter Strauss wundersamer Blumen erscheint; stereotype und seelenlose Massenware hat bei Connie Hüsser nichts zu suchen. 

Die Ausstellung «Objects with Love» ist noch bis am Sonntag an der Design Miami/Basel zu sehen. (Foto: Lorenz Cugini)

Die Welt mit den staunenden Augen eines Kindes betrachtend, verlässt man als Besucherin auch die Design Miami/Basel. Allerdings kaum wegen der durchaus schönen, aber irgendwie auch mit einem Déjà-vu-Bann belegten Vintageraritäten, die dort feilgeboten werden. Vielmehr fasziniert Connie Hüssers abenteuerliche Assemblage, die am Ausgang der Designmesse anzutreffen ist. Es ist nach ihrer letztjährigen Präsentation an der belgischen Designmesse «Interieur» das zweite Mal, dass Hüsser eine «Objects with Love»-Inszenierung zeigt. Archetypische Materialien und Formen treffen dabei auf futuristisch-technologisch anmutende Entwürfe jüngerer Designer*innen – alles sorgsam nach Farben sortiert. Ein materialisierter Regenbogen quasi. Ihre Neigung zum Sammeln von disparaten (weil nämlich auch ganz banalen) Gegenständen wird auch bei der Präsentation des Grand Prix Design in der Messehalle 3 deutlich. In einem Holzregal hat Connie Hüsser ihr ehemaliges Atelier im Kreis 4 nachgestellt, das sie vor einigen Monaten verlassen musste. Stichwort Gentrifizierung. Bis am Sonntag kann sie Teile ihres Archivs in Basel zwischenlagern – ein Gewinn auch für die Besucher*innen. Wohin die Sachen danach wandern werden, steht noch nicht fest. Irgendwann werden sie wohl wieder an der Oberfläche erscheinen, denn auch was im Untergrund geschieht, kommt zuweilen ans Licht. Im Fall des diesjährigen Grand Prix Design hat sich das jedenfalls bewahrheitet.

Eine kunterbunte Ansammlung von Entwürfen jüngerer Designer*innen. (Foto: Lorenz Cugini)

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