Bauen in den Bergen

Susanna Koeberle
15. Februar 2019
Chesa Andrea, Madulain. Erbaut zwischen 1510 und 1520 unter Verwendung eines mittelalterlichen Vorgängerbaus, erweitert in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, umgebaut 1640, restauriert und umgebaut 1997/1998. Bild: Filippo Simonetti

Die Geschichte zu dieser Publikation beginnt mit einer Begegnung. Als der Architekt Hans-Jörg Ruch 1996 sein eben fertig gestelltes Projekt des Kirchgemeindezentrums von Grono besichtigt, trifft er auf den Fotografen Filippo Simonetti. Dieser hält eine Schachtel mit Fotografien des Baus in der Hand. Seine Bilder hätten ihn berührt, erzählt Hans-Jörg Ruch bei der ersten Präsentation seines neuen Buches im Engadin. Sie fand im Rahmen der Nomad statt (wir haben berichtet). Seither dokumentierte der Tessiner Fotograf die Bauten des im Engadin ansässigen Büros.

Clavo, Lain. Erbaut 1748, restauriert und umgebaut 2011/2012. Bild: Filippo Simonetti

Hans-Jörg Ruch wurde durch seine Umbauten von traditionellen Engadinerhäusern bekannt. Darunter befinden sich sowohl Privathäuser wie einige Galerienräumlichkeiten. Dass auch Sanierungen von öffentlichen Bauten sowie Neubauten zu seiner Arbeit gehören, führt das neue Buch vor Augen. Auch seine Liebe zu Materialien und ihrer handwerklichen Verarbeitung betont Ruch an der Präsentation mehrmals; ebenso, dass im Engadin gute Handwerker nach wie vor zu finden seien. Bei den historischen Häusern ist auch die Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege zentral. Die Arbeit des Architekten gleicht dabei derjenigen eines Archäologen. Zuerst steht eine Analyse des Bestands der meist langsam gewachsenen Bauwerke an. In einem zweiten Schritt geht es auch darum, Schichten zu entfernen und sie mit neuen Elementen in ein Zwiegespräch zu bringen. 

Rifugio, Roticcio. Erbaut 2013/2014. Bild: Filippo Simonetti

Oder darum, eine Spannung zu kreieren, wie es Ruch ausdrückt. Doch als dieser einst mit Carl André durch ein von ihm umgebautes Haus ging, meinte der Künstler: «It’s not tension, it’s harmony». Fast könnte man meinen, die Häuser hätten etwas Wesenhaftes. Kaum erstaunlich erzählt Ruch davon, wie er manchmal mit einem der freigelegten Türme gesprochen habe. Zum Thema Turm erfährt man interessante historische Fakten. Im Mittelalter waren die Engadiner Dörfer durch mehrere Türme geprägt. In Zuoz etwa sollen im 15. Jahrhundert etwa zwischen 25 und 30 Türmen gestanden haben. Diese waren Wohntürme. Als im Jahr 1499 die neue Armee Kaiser Maximilians in einem Raub- und Rachefeldzug vom Vinschgau über die Münsteralpen nach Livigno und von dort über den Casannapass ins Oberengadin zog, zündeten die Bewohner von Zuoz und S-chanf ihre eigenen Häuser an und flohen in die Berge. Mit dieser Taktik zwangen sie die Eindringlinge zum Rückzug. Später wurden diese Türme Bestandteile von grösseren Häusern und sind heute kaum mehr als solche erkennbar.

In Zürich haben Interessierte nochmals die Gelegenheit, den Ausführungen von Hans-Jörg Ruch zuzuhören. Das Buch wird am 28. Februar in der Buchhandlung Never Stop Reading vorgestellt. Der Architekturkritiker Hubertus Adam wird sich mit dem Architekten unterhalten. Beginn ist um 19 Uhr.

CLOSE-UP – RUCH & PARTNER ARCHITEKTEN 1994–2018

CLOSE-UP – RUCH & PARTNER ARCHITEKTEN 1994–2018
Herausgegeben von Ruch & Partner Architekten. Mit Beiträgen von Hans-Jörg Ruch und Franz Wanner.
Fotografien von Filippo Simonetti

27.5 x 29.5 cm
424 Seiten
Gebunden
ISBN 9783858815538
Scheidegger & Spiess
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