Kritik an der Kritik

Braunfels kritisiert Herzog & de Meuron

Manuel Pestalozzi
1. November 2016
Hütte in der durchgrünten Mitte. Darf so etwas im Stadtzentrum stehen? Bild: Herzog & de Meuron

Einige sprechen von einem Dreiklang. Mies van der Rohe, Hans Scharoun – und dazwischen: Herzog & de Meuron. Wer es auch baut, das Museum der Moderne in Berlin wird zwischen der Neuen Nationalgalerie und der Philharmonie stehen, den beiden wichtigen Ikonen der Architekturgeschichte des mittleren bis späteren 20. Jahrhunderts. Die Basler lieferten wie immer keine voraussehbare Signature Architecture ab. Ihr grosses, niedrig wirkendes Volumen mit Backsteinwänden und einem Satteldach erscheint als schlichter Solitär mit raffinierten Details. Er vermittelt zwischen den so unterschiedlichen entwerferischen Handschriften von Mies und Scharoun.
 
Dieser Erfolg begeistert nicht alle. Der streitbare Architekt Stephan Braunfels durfte im Deutschlandradio Kultur erläutern, weshalb er das Projekt unmöglich findet. Gerade die Ausprägung der erwähnten Vermittlungsabsicht hält er für «problematisch». «Er ist ein autistischer Solitär, der Mies van der Rohe Mies van der Rohe bleiben lässt und Scharoun Scharoun bleiben lässt und sagt: Hier sitze ich und kann nicht anders», wird Braunfeld zitiert. Zurückhaltung sei gut – aber in diesem Fall gehe es um Vermittlung, um Stadtraum. Einen städtebaulichen Wettbewerb hätte es geben müssen, nicht nur einen Architekturwettbewerb. Jetzt erwarte die Stadt ein Gebäude das aussehe «wie der grösste Aldi von Berlin».
 
Man kann sich fragen, ob die Kritik – wohl eher aus der Hüfte geschossen – überhaupt ernst gemeint ist. Sie wirkt wenig qualifiziert und snobistisch (was ist eigentlich an Spar und Aldi auszusetzen?). Ausserdem: Das Kulturforum Berlin ist nun mal vorgesehen für grosse Solitäre und nicht für die Wiederbelebung einer Gründerzeit-Vergangenheit und die Rekonstruktion von Schlössern. Bei dieser Gelegenheit lohnt es sich, an die städtebaulichen Entwürfe Hans Scharouns für Berlin zurückzudenken, insbesondere seinen Wettbewerbsbeitrag für die «Hauptstadt Berlin» aus dem Jahr 1958. Seine Vorstellung von Repräsentation war eine ahierarchische, durchgrünte Landschaft, in der selbst ein «Edel-Aldi» seine Daseinsberechtigung hätte.
 

Plädoyer für ein parkartig durchgrüntes Zentrum: Hans Scharoun, Wettbewerb Berlin Hauptstadt, Lageplan, Entwurfsvariante, 1958. Der Pfeil zeigt den ungefähren Standort des Museums. Bild: books.openedition.org/psorbonne/490

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