Das ewige Botta-Zelt

Manuel Pestalozzi
5. September 2018
Bild: Europa-Park GmbH & Co Mack KG

Auf Kurzlebigkeit angelegte Bauten sind meistens mit bestimmten Ereignissen verbunden. So sollte der Barcelona Pavillon von Ludwig Mies van der Rohe auf der Weltausstellung 1929 die Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie und des Handwerks symbolisieren. Auch andere Grössen der neueren Architekturgeschichte haben Ausstellungspavillons oder -intérieurs in ihrem Œuvre. Bei Aalto bis Zumthor gelten sie als unvergessliche, stets inspririerende, gut dokumentierte Meilensteine kreativen Schaffens.

Das Botta-Zelt tanzt in mehrfacher Hinsicht aus der Reihe. Einerseits ist es wirklich gross, es kann hunderte von Menschen beherbergen. Dann wurde es explizit für ein Nomaden-Dasein entworfen, liess sich also gut zerlegen und transportieren. Während eines Jubiläums-Jahres diente es 1991 der Nation als wanderndes Symbol – oft als Ergänzung wichtiger historischer Stätten. Entsprechend präsent war es in jenem Jahr, das man nachher ganz gern hinter sich liess, ohne nachhaltige nostalgische Gefühle.
 
Als bedeutungsschwere Kulisse hatte es nachher ausgedient. Doch offenbar war es robust konstruiert und aus dauerhaftem Material. Jedenfalls tauchte es 2001 nach einem langen Dornröschenschlaf wieder auf – im Vergnügungspark im Grossen Kanton! Dort steht es noch immer und heisst «Europa-Park Dome». Das Zelt wurde ergänzt durch einen nüchternen Foyer-Anbau und ist als fester Veranstaltungsort in den Europa-Park integriert. Er gilt als eine «ebenso unentbehrliche wie beliebte Location für die besonderen Anlässe».
 
Was der Architekt zu dieser Wiederverwendung meint, ist nicht bekannt. Jedenfalls hat die Architektur ihre ursprüngliche Wirkung als Zentralbau, eine spezielle Manege für einen einmaligen Anlass, verloren. Das Zelt ist unter den anderen Attraktionen des Europa-Parks ein Highlight unter Highlights und fällt weder durch seine Form noch durch seine Ausmasse speziell auf. Umso wichtiger sind die räumlichen Kapazitäten und die Konstruktion. Offenbar überzeugen sie nach wie vor: Neulich meldete ein regionales Online-Portal, dass die Aussenhaut nach 17 Jahren komplett erneuert worden sei. Mehr als 500‘000 Euro habe man sich das kosten lassen.
 

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