Das Tanzhaus ist fertig

Manuel Pestalozzi
24. Mai 2019
Vom Lettenviadukt her präsentiert sich der Neubau als eine Abfolge von Terrassen. (Foto: Simon Menges, Berlin)

Noch ruht es, das neue Tanzhaus. Aber Anfang September gilt es ernst; mit ersten Schrittversuchen soll dann die imposante Struktur ihrer Bestimmung übergeben werden. An diesem schönen Freitagvormittag durften Vertreter*innen der schreibenden Zunft einen ersten Augenschein von diesem interessanten Bauwerk des Architekturbüros Barozzi Veiga nehmen. Eigentlich handelt es sich um einen Ersatzneubau. Stadtrat André Odermatt, Vorsteher des zuständigen Amtes für Hochbauten, erinnerte in seinem kurzen Rückblick daran, dass hier, über dem rechten Limmatufer, einst ein Zweckbau stand, der zur Textilfachschule gehörte und anschliessend vom Tanzhaus, das sich in der nordwestlichen Nachbarliegenschaft etabliert hatte, genutzt wurde. 2012 brannte diese Struktur ab. Aus dem anschliessenden Projektwettbewerb gingen Barozzi Veiga aus Barcelona siegreich hervor. Abzüglich der Versicherungssumme der Gebäudeversicherung Stadt Zürich (GVZ) von 3,5 Millionen wegen des Brandfalls betrug der Nettokredit 10,9 Millionen Franken. Das Zürcher Stimmvolk hiess den Objektkredit 2016 gut.

Architekt Alberto Veiga führte die Medientruppe auch in einen der drei kleineren Säle, die auf der Hangseite über einen Schlitz mit Zenitallicht versorgt werden. (Foto: Manuel Pestalozzi)
Gut eingepasst

Alberto Veiga reiste aus Spanien an, um das Projekt zu erläutern. Am wichtigsten war es dem Entwurfsteam, den Ersatzneubau als vollwertigen Teil der Stadt ins steil zum Fluss abfallende Gelände einzubringen. Sein Haupteingang befindet sich am Kloster Fahr-Weg, einem teilweise ziemlich engen, gekiesten Pfad dem Fluss entlang. Parallel zum komfortabel verbreiteten Weg erstreckt sich auf diesem Niveau ein langes Foyer. Es ist mit einer Cafébar ausgestattet, die Betreiber des Lokals Acid an der Langstrasse werden hier für das leibliche Wohl der Nutzer*innen wie auch von Passant*innen sorgen.

Über dem Foyer erstreckt sich eine Terrasse. Auch sie ist öffentlich zugänglich; am östlichen Ende des Neubaus führt eine neue Rampe von der Wasserwerkstrasse hinab, welche alle Ebenen erschliesst. Am westlichen Ende führt eine öffentliche Treppe direkt hoch auf das Strassenniveau und zum Eingang des bisherigen Tanzhauses von Gramazio & Kohler. Dieses soll, wie am Presserundgang zu erfahren war, auch in Zukunft weitgehend als solches genutzt werden. Das Dach des Ersatzneubaus, auf dem sich pavillonartig der Liftschacht erhebt, ist ebenfalls begehbar. Weite Teile sind als Ziergarten hergerichtet. Er breitet sich vor einem der historischen neobarocken Bauten der einstigen Weberei und späteren Textilfachschule wie ein Teppich aus. Damit wird ein früherer Zustand des Geländes wiederhergestellt.

Im grossen Saal kann auch eine Bühne installiert werden. (Foto: Simon Menges, Berlin)
Rhythmus von Dreiecken

Wie Alberto Veiga hervorhob, überlegte man sich lange, wie dieser halb im Erdreich eingegrabene Bau seine Füsse auf den Boden setzen könnte. Die Lösung fanden die Architekten in einem «Rhythmus von Dreiecken» aus Beton, welche der gravitätischen Terrassenanlage eine grosse Leichtigkeit verleiht. Die Architektur wirkt feierlich. Im Schnitt ist sie eine halbierte Basilika im Hang. Der grosse Saal wird von der Terrasse her über einen Obergaden mit Tageslicht versorgt. Die Wahrnehmung von Tages- und Jahreszeiten im Innern war dem Entwurfsteam sehr wichtig, betonte Alberto Veiga. Eine ungewöhnliche Lösung dachten sie sich für den Sonnenschutz aus: Sie verzichteten zugunsten einer Begrünung, die an dekorativ gespannten Drähten emporklettern kann, auf Storen. Im Sommer fängt das Blätterwerk die Sonnenstrahlen auf. Werden die Tage kürzen, fallen die Blätter und das Licht kann in die Tiefe vordringen, so der Gedanke dahinter. 

Das Faktenblatt der Stadt Zürich zeigt, dass noch drei kleinere Säle zur Verfügung stehen. Im oberen Geschoss sind über ihnen Büros und die Garderoben angeordnet. Hangseitig sorgt ein vertikaler, gut in die Dachlandschaft eingebetteter Schlitz für eine angenehme und abwechslungsreiche Tageslichtversorgung der angrenzenden Räume. In Sachen Nachhaltigkeit trumpft das neue Tanzhaus auf: Standard Minergie-ECO, Wärmepumpe mit Erdsonden, weitgehender Einsatz von Recycling-Beton mit Zement CEMIII/B – das sind nur einige Kostproben der dahingehenden Massnahmen.

Catja Loepfe, künstlerische Leiterin des Tanzhauses, nannte an der Begehung den Tanz die Kunstform der Zukunft: Er verbinde, inkludiere und fördere das friedliche Zusammenleben. Der Neubau an der Limmat kann mit seiner leichten, vielseitigen Zugänglichkeit und einer angenehmen, wenn auch beinahe sakralen Atmosphäre einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dieses Versprechen einzulösen.

Innen tanzen, aussen ranken – der Anfang ist gemacht. (Foto: Manuel Pestalozzi)

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