Das Zeug zum Klassiker

Susanna Koeberle
28. August 2018
Die Stehleuchte aus der Serie «Camana» von Jörg Boner.

Atelier Pfister bekommt acht Jahre nach seiner Lancierung einen neuen Auftritt. Dass dieser etwas braver daherkommt als zuvor, ist vielleicht als Zeichen einer Annährung zur Stammmarke zu sehen. Nichtsdestotrotz bleibt vieles beim Alten. Als Creative Director amtet nach wie vor Alfredo Häberli, der für die aktuelle Kollektion geometrisch gemusterte Zierkissen und Wohnplaids beisteuerte. Auch weitere Designer gehören zur alten Garde, was sich im Sinne der Kontinuität positiv auf die Entwürfe auswirkte. Als herausragende Neuheit ist die neue Leuchtenfamilie «Camana» von Jörg Boner zu erwähnen. Mit seinem Entwurf zeigt der Designer virtuos, wie man mit einfachen Mitteln komplexe Gestaltungsprobleme (sofern das Wort Problem hier angebracht ist) lösen kann. Etwa das Dilemma, dass Kabel eine unschöne, aber notwendige Erscheinung sind. Zudem setzt er das Thema Licht gekonnt ein, denn schliesslich soll eine Leuchte vor allem eines: auf praktische und zugleich stimmige Art und Weise Licht spenden. Boners Entwurf schafft beides: Mit einer konzentrierten Lichtführung nach unten wird er dem primären Zweck der Leuchte gerecht  und durch eine Lichtaustrittsöffnung nach oben schafft er eine indirekte Beleuchtung, die für eine schöne Lichtstimmung sorgt. Auch für das leidige Kabel findet er eine clevere Lösung. Das weisse Stoffkabel geht nahtlos in den gleichfarbigen und über dem Schirm sichtbaren Reflektor über und bildet damit eine optische Einheit zwischen Kabel und Leuchtkörper.
 

Deckenleuchte in blau.

Bezüglich des Produktionsverfahrens hat sich Jörg Boner einiges überlegt, schliesslich sollte der Preis möglichst tief gehalten werden. Die Leuchte wird in einer Schweizer Manufaktur hergestellt, die auf Metallverarbeitung spezialisiert ist. Das ist nicht selbstverständlich. Den teuren Produktionsstandort macht Boner mit einem intelligenten Aufbau der Leuchtenfamilie wett. Für alle vier Modelle (Steh-, Tisch-, sowie zwei unterschiedlich grosse Hängeleuchten) kann der gleiche Reflektor verwendet werden, je nach Ausführung wird dieser einfach umgekehrt. Auf der Oberfläche des dünnen Aluminiumblechs sind feine Streifen sichtbar. Diese entstehen beim Drücken des Schirmes, das Blech wird dabei drehend auf eine Form gedrückt. Was wie ein Produktionsfehler aussehen mag, macht allerdings den Charme dieses Entwurfs aus. Perfektion ist relativ. Die Farbe ist einbrennlackiert, auch das trägt zu den tiefen Produktionskosten bei. Die vier Farben sind relativ dezent (mit Ausnahme des schönen Sonnengelbs), aber können durchaus subtile Akzente in Wohnräumen setzen. Fazit: Diese etwas skandinavisch anmutende Leuchte könnte schon bald zur Standardausrüstung von helvetischen Haushalten gehören.
 

Tischleuchte in gelb.

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