Die politische Seite der Architektur

Juho Nyberg
9. Oktober 2018
Alles wieder wie damals? Lieber nicht! Bilder: wiki (rechts Flibbertigibbet, Montage jn)

Mit einem Festakt wurde Ende vergangenen Monats die wiederauferstandene Frankfurter Altstadt eingeweiht. Nach dem zweiten Weltkrieg nurmehr ein Trümmerhaufen, wurde das Quartier rund um den Hühnermarkt wieder aufgebaut. Frisch und strahlend und – hier ein erstes Problem – wie aus einem Guss erscheint nun das Quartier, das über Jahrhunderte gewachsen war. Baulich ist das Zombie-Quartier auf dem neusten Stand: Bodenheizung und Tiefgarage bieten den neuen Bewohnerinnen das erwartete Niveau, zumal die Preise an dieser Lage nicht ganz ohne sind. Dies alles sind grundlegende Fragen, die sich bei jedem Wiederaufbau stellen, und die wohl sehr unterschiedlich beantwortet werden können. Letztlich dreht sich diese Diskussion aber nur um die «Ehrlichkeit» von Rekonstruktionen.

Wesentlich beunruhigender ist, dass die rekonstruktive Architektur von politisch weit rechts stehenden Akteuren usurpiert wird. Rowan Moore fragt in einem überzeugenden Artikel im The Guardian, ob das Konzept von Tradition gerade in einem – unheilvollen – Wandel begriffen ist. Als Beispiele führt Moore zuvorderst die Garnisonkirche in Potsdam auf. 1968 von den DDR-Behörden gesprengt, wird sie seit vergangenem Jahr wieder aufgebaut. Wichtiger Initiant dafür ist der Oberstleutnant a.D. Max Klaar, der von offizieller Seite als rechtsextrem eingestuft wird. Er übergab bereits 1991 eine Replika des Glockenspiels des Kirchturms. Der politische Subtext der Kirche liegt darin, dass am 21. März 1933 der Festakt zur konstituierenden Sitzung des Reichstages hier stattfand, an der faktisch die Staatsmacht von Reichspräsident Paul von Hindenburg an Adolf Hitler übertragen wurde. Im Fall der Frankfurter Altstadt sind die initiativen Kräfte auch im rechten Spektrum zu finden: Wolfgang Hübner, ehemaliges Mitglied der AfD, hatte bereits 2005 einen Antrag zum Wiederaufbau im Stadrat eingebracht.

Nach Moores Analyse sind die Wiederaufbauten gesellschaftspolitisch schwierig, weil die Bauten zumeist durch die Bombardements der Alliierten zerstört wurden. Dadurch lässt sich die Rolle Deutschlands im zweiten Weltkrieg auch zu einer als Opfer umdeuten und die Alliierten als Aggressoren darstellen. Zugleich wird mit dem Wiederaufbau der historischen Gebäude der Blick in die Vergangenheit gelenkt, in die vermeintlich «gute alte Zeit» und natürlich dienen die Gebäude auch als Artefakte der Heimat, die es angeblich zu schützen gilt.

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