Ein würdevoller Ort des Erinnerns

Elias Baumgarten
6. April 2023
So soll das neue Dokumentationszentrum denk.mal in Hamburg dereinst aussehen. Die Fassade des Baus wird aus gestampftem Trasskalk bestehen. Boltshauser Architekten nehmen damit Bezug auf die «Fuge» im Lohsepark, eine mit Eisenbahnschotter markierte Trasse, die dem Verlauf der einstigen Gleisstränge folgt. (Visualisierung: studio blomen)
«Mit diesem starken Entwurf für das Dokumentationszentrum an prominenter Stelle im Lohsepark wird der Gedenkort denk.mal Hannoverscher Bahnhof endlich vollendet.»

Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien

Boltshauser Architekten konnten den Architekturwettbewerb um die Gestaltung eines Lern- und Gedenkorts in Deutschland gewinnen: Vom Hannoverschen Bahnhof in Hamburg gingen zwischen 1940 und 1945 Züge ab, mit denen Tausende Jüdinnen und Juden, Sintize und Sinti, Romnja und Roma in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert wurden. Auch über 1000 Gegner des Regimes wurden über den Bahnhof fortgeschafft, um zwangsweise in der Strafdivision 999 zu dienen. Heute weisen Gedenktafeln mit Namen von bekannten Deportierten auf ihr Schicksal hin. Nun soll an der Ericusbrücke ein zweigeschossiges Gebäude als Dokumentationszentrum gebaut werden. Durch diesen Standort ergibt sich eine Blickbeziehung zur «Fuge», einer mit Eisenbahnschotter markierten Trasse, die dem Verlauf der einstigen Gleise folgt.

Visualisierung: studio blomen
Visualisierung: studio blomen

Gestiftet wird des neue Bauwerk von Harm Müller-Spreer, einem Hamburger Bauunternehmer. Ursprünglich war geplant gewesen, nicht neu zu bauen, sondern das Dokumentationszentrum im Erdgeschoss eines bestehenden Hauses an der Steinschanze unterzubringen. Doch weil dessen obere Etagen an das Unternehmen Wintershall Dea vermietet wurden, brachten mehrere Verfolgtenverbände ihren Protest gegen diese Lösung zum Ausdruck. Schliesslich gehörten die Vorgängerunternehmen der Firma zu den Profiteuren der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft und des Krieges. Und so schrieb man nach einem Mediationsprozess einen Architekturwettbewerb aus, der Ende März entschieden wurde.

Die Ausstellungs- und Seminarflächen im Gebäude werden von einem Projektteam der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte ausgestaltet. (Visualisierung: studio blomen)
Visualisierung: studio blomen
«Für uns ist eine differenzierte Auseinandersetzung mit diesem Ort des Unrechts von zentraler Bedeutung für die Architektur. Wir greifen die bereits angelegte ‹Fuge› im Lohsepark in ihrer erdigen Materialität auf und erstellen an ihrem nördlichen Ende eine würdevolle und gleichzeitig markante Erweiterung dieses Pfads. Das Bauwerk wird ein offenes Haus der Begegnung, der Dokumentation und des Erinnerns. Ein- und Ausblicke verknüpfen das Innere mit seiner Umgebung.»

Roger Boltshauser

Auf den ersten Visualisierungen wirkt der Bau, der durchaus unmittelbar Roger Boltshausers Handschrift erkennen lässt, zurückhaltend und würdevoll. Er verfügt über zwei Geschosse mit Zwischengeschoss und einen Dachgarten. Die Fassaden werden aus gestampftem Trasskalk bestehen. – So soll ein Bezug zum Lohsepark und zur besagten «Fuge» hergestellt werden. Der Innenraum folge dem Konzept gelenkter Ein- und Ausblicke zur Verortung im historischen Kontext, schreiben die Architekten in einer eben herausgegebenen Medienmitteilung. Ein Projektteam der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte wird die Ausstellungsflächen und Seminarräume im neuen Haus ausgestalten und bespielen. Die Fertigstellung ist für das Jahr 2026 geplant. Bevor die Bagger anrollen können, muss noch das Bebauungsplanverfahren abgeschlossen werden.

Situation (© Boltshauser Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (© Boltshauser Architekten)
Grundriss Zwischengeschoss (© Boltshauser Architekten)
Grundriss Obergeschoss (© Boltshauser Architekten)
Grundriss Dachgarten (© Boltshauser Architekten)
Schnitt A (© Boltshauser Architekten)
Schnitt B (© Boltshauser Architekten)

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