Filigranes Stabwerk

Manuel Pestalozzi
1. März 2021
Der Pavillon musste aufgrund seines geringen Gewichts fest im Boden verankert werden. (Foto: Benjamin Dillenburger)

Fachmedien veröffentlichen regelmässig Artikel über beeindruckende Tragwerke aus Bambushalmen. Meistens lehnen sich deren Konstruktionen an traditionelle Bauweisen aus Südostasien an: Es handelt sich um Flechtwerke, die oft primär als Sonnen- und Sichtschutz dienen. Mit ihrem Pavillon hat sich die ETH Zürich voriges Jahr von dieser Tradition emanzipiert: Die Bambushalme werden als duktile Ruten eingesetzt. Über Verbindungen aus Kunststoff und Metall sind sie zu einem raumhaltigen Fachwerk zusammengesetzt. Student*innen haben den Bau am Lehrstuhl Digital Building Technologies (DBT) als Teil ihres Masters of Advanced Studies in Architecture and Digital Fabrication entworfen und umgesetzt. Das filigrane Stabwerk ist fünf Meter hoch. Drei dünne Beinchen tragen die Konstruktion. Sie haben jeweils einen Fussabdruck in Form eines dreizackigen Sterns. Mit seiner Bespannung aus einer Kunststoffmembran erinnert das Bauwerk an die ersten Flugmaschinen.

Die Konstruktion ist mit einer Membran bespannt. Deren Lichtdurchlässigkeit variiert, sodass bei Sonnenschein ein Muster auf den Boden projiziert wird. (Foto: Matthias Leschok)

Der Pavillon bringt es auf ein Gesamtgewicht von 200 Kilogramm. Er breitet sich über eine Fläche von mehr als 40 Quadratmetern aus. Für die Entwicklung wurden neue digitale Designwerkzeuge programmiert. Dies war notwendig aufgrund der geometrischen Komplexität des Bauwerks: Es besitzt 379 Knotenpunkte, diverse Scharnierplatten, Kabel und Verankerungen, die 900 Bambusrohre in Position halten. Zusätzlich mussten die nötigen Toleranz eingehalten werden, die das natürlich gewachsenen Baumaterial vorgibt. 

Eine zentrale Rolle spielte beim Herstellungsprozess der 3D-Drucker. Mit diesem wurde unter anderem die Bespannung aus einem UV-resistenten, rezyklierbaren thermoplastischen Kunststoff gefertigt, die mit einem leichten Textilgewebe aus Lycra kombiniert wurde.

Der Bausatz umfasst hunderte von unterschiedlichen Einzelteilen. Die geometrische Komplexität des kleinen Bauwerks und seiner Knoten ist enorm. (Foto © DBT)

Die Forscher*innen der ETH Zürich halten das Projekt nicht zuvorderst wegen der Verwendung von Bambus für nachhaltig. Die massgeschneiderten Bauteile lassen sich vielmehr gemäss DBT aufgrund ihrer relativ geringen Grösse leicht mittels 3D-Druck auf der ganzen Welt herstellen und mit lokalen Materialen kombinieren, um leistungsfähige Strukturen zu schaffen. 

Der Bambus-Pavillon wurde im Sommer 2020 in nur 48 Stunden beim Zentrum Architektur Zürich aufgebaut und im November ähnlich rasch wieder demontiert. Das DBT-Team hofft, dass der Bambus Pavillon bald, wenn die Pandemie endlich ausgestanden ist, auf Reisen gehen kann. Schon im Mai dieses Jahres könnte er – sofern es die epidemiologische Lage dann bereits gestattet – an einer Ausstellung des European Cultural Centre in Venedig zu sehen sein.

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