Kreativer Bruch

Susanna Koeberle
6. Dezember 2019
Utagawa Kuniyoshi, «Die Edeldame Tokiwa» aus der Serie «Lebensgeschichten von weisen und tugendhaften Frauen», um 1842 (Foto © MAK/Georg Mayer)

Im Zentrum der Schau steht einer der wichtigsten und innovativsten Künstler des 19. Jahrhunderts, Utagawa Kuniyoshi (1797–1861). Ausgewählte Blätter aus der umfassenden Farbholzschnitt-Sammlung des MAK zeigen seine Arbeiten als kreative Antwort auf die grossen politischen und gesellschaftlichen Veränderungen Japans im 19. Jahrhundert. Thematisiert wird auch die Zusammenarbeit Kuniyoshis mit zeitgenössischen Künstlern der sogenannten Utagawa-Schule wie Utagawa Hiroshige (1797–1858) und Utagawa Kunisada I. (1786–1864) sowie seine Wirkung auf Thematik und Stil der nachfolgenden Generationen zur Meiji-Zeit (1868–1912). Die acht Kapitel der Schau zeigen thematische Schwerpunkte der unterschiedlichen Sujets der sogenannten Ukyoe (wörtlich: «Bilder der fliessenden Welt»). Dieser Begriff steht vor allem für ein sich im 18. Jahrhundert entwickelndes Kunstgenre, dessen Inhalte sich mehr am Alltagsleben orientieren. Gerade die Öffnung Japans während der Meiji-Zeit brachte eine gegenseitige Befruchtung der Kulturen mit sich. Nicht nur in Europa waren zu dieser Zeit Japonismen en vogue, auch japanische Künstler*innen orientierten sich an westlichen Vorbildern. 

Relektüre einer Ikone: Andrew Archer, «The Great Game» aus der Serie «Edo Ball», 2018, Giclée-Druck (© Andrew Archer, Melbourne)

Die Bildsprache der Holzschnitte oszilliert zwischen Poesie und Überzeichnung und fasziniert durch die Fülle an Details und ungewohnten Kompositionen. Besonders anregend ist diese Ausstellung auch, weil sie die erstaunlich modernen Arbeiten in einen zeitgenössischen Kontext setzt. Im Nebenraum werden in der Ausstellung «UKIYOENOW. Tradition und Experiment» Arbeiten von drei Künstler*innen gezeigt, welche die Tradition des Ukyoe weiterspinnen. Die Malerinnen und Illustratorinnen Masumi Ishikawa (*1978), Megumi Ōishi (*1985 ) sowie der Grafikdesigner Andrew Archer (*1986 ) übersetzen Motive aus Popkultur und Sport in die Ästhetik des japanischen Holzschnittes. Damit führen sie dieses kulturelle Erbe weiter und beleben es neu. Was im Zeitalter der Globalisierung selbstverständlich klingt, ist insofern speziell, als das Pflegen von Tradition eben schnell etwas Steifes und Eingefrorenes bekommen kann. Das Brechen von Regeln und spielerische Weiterentwickeln erweist sich als kreative Würdigung der eigenen Wurzeln – oder als produktive Form der Entwurzelung.

Utagawa Kuniyoshi, «Tamakazura, die Taucherin holt die Perlen zurück» aus der Serie «Vergleich von Darstellungen aus dem Genji-Roman und der fliessenden Welt», 1843–1847 (Foto © MAK/Georg Mayer)

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