Kunstwerk weggeputzt

Elias Baumgarten
20. September 2024
Das beschädigte Skelett von Harald Naegeli auf dem zugemauerten Westportal der Museumskirche St. Cäcilien entstand 1980 als illegales Kunstwerk. 1989 erneuerte der Zürcher seine Arbeit, die inzwischen unter Denkmalschutz steht. (Foto: © Stephan Kube, Stadt Köln)

«Die Schmierfinke sött me jetzt denn mal verwütsche und ganz tüchtig abchlöpfe», sagt eine erboste Passantin 1977 dem Schweizer Fernsehen. Der «Sprayer von Zürich» polarisiert enorm – bis heute. Ende der 70er hat Harald Naegeli über 100 Anzeigen wegen Sachbeschädigung gesammelt, und Privatleute setzen sogar ein Kopfgeld von 3000 Franken aus. 1979 wird er verhaftet – fast gleichzeitig erscheint beim Kunstverlag Benteli mit «Mein Revoltieren, mein Sprayen» ein erster Fotoband über seine Sprayfiguren und Dr. Willy Rotzler, damals Präsident der Zürcher Kunstkommission, schreibt in einem Gutachten für den Stadtpräsidenten, Naegelis Werke seien schützenswert. Doch die Justiz sieht das anders: 1981 wird der Künstler zu einer mehrmonatigen Haftstrafe und 200'000 Franken Schadensersatz verurteilt.

Über Rom flieht Naegeli daraufhin nach Deutschland, wo ihm – anders als in seiner Heimat – grosse Solidarität zuteil wird. Er war bereits 1980 unter anderem in Köln gewesen und hatte das jetzt weggeputzte Skelett nachts illegal auf das Westportal der Museumskirche St. Cäcilien gesprayt. Nun, da man ihn zu Hause in der Schweiz einsperren will, setzen sich im Nachbarland bekannte Persönlichkeiten wie Willy Brandt, Joseph Beuys, der Grafiker und Aktivist Klaus Staeck oder die Schriftstellerin Sarah Kirsch für ihn ein. Beuys schreibt sogar an die Menschenrechtskommission in Strassburg. Doch Naegeli kehrt begleitet von dem Aktionskünstler in die Schweiz zurück – ein Happening für sich – und verbüsst seine Haftstrafe. Danach lässt er sich in Düsseldorf nieder. In der Schweiz derweil haben manche bis heute Mühe mit ihm: 2019 wird Naegeli der Auftrag für eine Arbeit im Turm des Zürcher Grossmünsters entzogen, weil er über die mit einer speziellen Beschichtung präparierten Flächen hinausgesprayt hat. Und 2020 stellt ausgerechnet die Stiftung Kunsthaus Strafanzeige gegen ihn.

Aber zurück zu seinem weggeputzten Skelett in Köln. Naegeli erneuerte die ausdrucksstarke Figur 1989 auf Wunsch des Kunstmuseums Schnütgen, nachdem sie ein erstes Mal beschädigt worden war. Unter Denkmalschutz gestellt, ist sie 2022 Aufhänger für eine grosse Sonderausstellung des Museums. Vor wenigen Tagen dann erhalten die Kölner Abfallwirtschaftsbetriebe den verhängnisvollen Auftrag, ein illegales Graffiti zu entfernen. Dabei waschen die Arbeiter versehentlich auch Teile von Naegelis Werk weg. Zum Glück haben Kopf und Hände die Aktion aber überstanden, sodass eine Restaurierung möglich ist. Museum und Denkmalpflege wollen sie gemeinsam vornehmen, sie überlegen auch, wie man das Kunstwerk künftig besser schützen könnte. Harald Naegeli selbst, der beim Sprayen unnachahmlich seinen ganzen Körper einsetzt und die Farbe in einer fliessenden Bewegung aufbringt, kann die Figur aus gesundheitlichen Gründen kein zweites Mal reparieren. Er habe aber der Wiederherstellung bereits zugestimmt, lässt die Stadt wissen.

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