Linde oder Kunsthaus?

Juho Nyberg
8. November 2012
Rendering: Nachtansicht über den Heimplatz auf Fassade mit neuem Haupteingang. Stand Vorprojekt. © David Chipperfield Architects

Vor mittlerweile fast vier Jahren ging David Chipperfields Entwurf für die Kunsthauserweiterung als Sieger aus dem Architekturwettbewerb hervor, zu dem insgesamt 20 Büros eingeladen worden waren. Bereits kurz danach war in der NZZ zu lesen, niemand sei mit dem Resultat des Wettbewerbs glücklich, wobei freilich die Schuld nicht primär bei Chipperfields Entwurf zu suchen sei, sondern bei der Art des Verfahrens. Ein offener Wettbewerb hätte etwa zweistufig durchgeführt werden, die aus der ersten Stufe erlangten Erkenntnisse in die zweite einfliessen können. So hätten wohl auch städtebauliche Aspekte genauer betrachtet werden können, die heute teilweise von den Gegnern ins Feld geführt werden.

Die «Aktion Open Pfauen» verlangte bereits bei der Auflage des Gestaltungsplans eine Zurückversetzung des Neubaus um nicht weniger als elf Meter. Im Rahmen einer Neubeurteilung verbreiterte die Stadt tatsächlich den Vorplatz um drei Meter - dieses Entgegenkommen ist der Gruppe jedoch zu wenig. Ihrer Ansicht nach sollte der Baukörper auf die Flucht der Häuserfront der Hottingerstrasse zurückweichen. Dadurch würde «eine städtebaulich überzeugende Lösung erreicht» und eine «Piazza» entstehen, dazu könnte die bestehende Linde gerettet werden.

Linde oder Kunsthaus? Bild über: www.openpfauen.ch

Die Rettung von Bäumen kann grundsätzlich als eine edle Tat angesehen werden. Nicht ausser Acht gelassen werden sollte dabei jedoch die Verhältnismässigkeit. Das Zurückversetzen des Neubaus wird als Wachküssen des Pfauens aus seinem Dornröschenschlaf verkauft, wodurch eine «Aufwertung für die Öffentlichkeit und das Kunsthaus» geschehe, «und das alles quasi zum Nulltarif!».

Dass der Pfauen mehr sein könnte, als sein heutiger Zustand zulässt, ist unbestritten. Jedoch gehörte zu einer umfassenden Lösung neben dem Schaffen von neuen Baulinien ebenso eine Neuorganisation des Verkehrs, der sich just an diesem Ort gabelt. Der Verkehr am Pfauen ist seit jeher wohl der grösste Hemmschuh, um ihn aufzuwerten, wie die NZZ mit Verweis auf Sonja Hildebrand vom Institut gta vor einigen Jahren ebenfalls im Zusammenhang mit dem Wettbewerb berichtete. Die Lösung dieses Problems steht in keinem direkten Zusammenhang mit der Erweiterung des Kunsthauses und sollte deshalb auch nicht als Grundlage zur Entscheidungsfindung für die anstehende Abstimmung dienen.

Über die inneren Werte der geplanten Erweiterung informiert derzeit die Ausstellung «Das Neue Kunsthaus» im Kunsthaus Zürich. Vielbeschäftigte können sich einen raschen Überblick über die Ausstellung im Beitrag von Kollegin Jenny Keller verschaffen.

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