Maag-Hallen: Kommunikation, die keine Beruhigung bringt

Manuel Pestalozzi
8. Juni 2021
Das Projekt von Sauerbruch Hutton aus Berlin sieht auf dem Gebietsdreieck ein Hochhaus (oben rechts) und eine Kulturhalle vor. Das inventarisierte Gebäude K (unten) wird saniert und freigespielt. (Lageplan: Sauerbruch Hutton, maaglive.ch)

In Zürich herrscht derzeit Aufregung: Gestritten wird um die Zukunft der Maag-Hallen. Diese sollen abgebrochen werden, doch die Gegner*innen des Vorhabens geben noch nicht klein bei. Sie hoffen weiter auf ein Umdenken seitens der Bauherrschaft. Aber der Reihe nach: Das alte Industriegleis, das die Mühle an der Limmat bis heute mit dem Eisenbahnnetz verbindet, durchschneidet das Areal der einstigen Zahnradfabrik Maag und spaltet es in einen südöstlichen und einen nordwestlichen Teil. Ersterer wurde vor rund zehn Jahren baulich den neuen Nutzungsansprüchen angepasst; unter anderem entstand dort der Prime Tower. Für den anderen Teil, auf dem sich die für Events genutzten Maag-Hallen befinden, fand 2019 der Studienauftrag Maaglive mit acht Architekturbüros statt. Es wurden von der Ausloberin Swiss Prime Site (SPS) sowohl Varianten nachgefragt, die einen Erhalt der Hallen vorsahen, als auch solche, die deren Abriss beinhalteten. An der Jurierung konnten zwei Projekte überzeugen und wurden zur Weiterbearbeitung empfohlen – jenes der französischen Pritzkerpreisträger Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal und das des Berliner Büros Sauerbruch Hutton. Im vergangenen Februar entschied sich die SPS schliesslich für das Projekt des Teams aus der deutschen Hauptstadt.

Die neue Bebauung mit einem Wohnturm (links) und einem Kulturhaus mit Sheddach gibt über die Lichtstrasse hinweg den Blick frei auf den Mobimo Tower. (Visualisierung: Sauerbruch Hutton, maaglive.ch)
Informationen ja, echte Transparenz nein

Dies erfährt man auf der Website maaglive.ch, die vor wenigen Tagen aufgeschaltet wurde. Als Nutzung des neuen Quartierteils wird ein Mix aus Gastronomie (1800 Quadratmeter), Kultur-, Atelier- und Eventflächen (bis zu 3600 Quadratmeter), Verkaufsflächen (650 Quadratmeter), Büro-, Konferenz-, Co-Working-Flächen (4000 Quadratmeter) sowie Wohnen (10 000 Quadratmeter) angegeben. Sie verteilen sich im Vorschlag von Sauerbruch Hutton auf einen flexibel nutzbaren Wohnturm, ein neues Kulturhaus und das denkmalgeschützte Gebäude K, das aktuell noch mit den Maag-Hallen verwachsen ist, die nach den Plänen der deutschen Architekten abgebrochen werden sollen. Hinzu kommt eine «begrünte Verweilfläche», die rund 3500 Quadratmeter gross sein soll. 

Für Unmut sorgt auch, dass die SPS mit der neuen Website zwar kommunikativ in die Offensive geht, aber genaue Informationen zur Wettbewerbsentscheidung weiterhin zurückhält. Gerade auch in Fachkreisen hätten sich sehr viele eine Veröffentlichung des Juryberichts gewünscht, um zu erfahren, wieso genau für den Vorschlag von Sauerbruch Hutton entschieden wurde und warum Lacaton & Vassal mit ihrer interessanten Idee, die Bestandshallen an zwei Stellen mit darüber liegenden Neubauten zu ergänzen, das Nachsehen hatten. Veröffentlicht wurden nur Auszüge der Bewertung durch die Jury. 

Der Konflikt geht weiter

Seit der Bekanntgabe des Siegerprojekts im Februar hat sich in der Stadt eine Opposition gegen den Abriss der Maag-Hallen formiert. Sie umfasst Personen, welche die Hallen seit rund zwanzig Jahren betreiben, und Menschen, die sich wünschen, dass die Bauten erhalten bleiben und weiterhin genutzt werden. Eine entsprechende Petition wurde schon von über 7000 Zürcher*innen unterzeichnet. Wie die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) am 3. Juni berichtete, lässt das die SPS bisher kalt. Diese habe zwar mit den Verfasser*innen der Petition gesprochen, halte aber am Projekt von Sauerbruch Hutton und dem Abriss fest.

Die SPS führte gegenüber der Zeitung rechtliche Argumente ins Feld. Als der Zürcher Gemeinderat im Jahr 2004 die Sonderbauvorschriften für das Maag-Areal plus erliess, seien die Fabrikhallen nicht als erhaltenswert eingestuft worden. Mitten durch die Maag-Music-Hall und die Tonhalle sei auf den Plänen bereits eine Strasse eingezeichnet, die nun den Namen Lichtstrasse erhalten soll. Das neue Kulturhaus aus Holz soll für die Hallen einen Ersatz bieten – obschon dessen grösster Saal weniger als halb so viele Personen fassen kann. Gewiss ein empfindlicher Schlag für Zürichs Kulturszene. Dennoch: Der Verein, der gegründet wurde, um für den Erhalt der Hallen zu kämpfen, will gemäss NZZ «noch längst nicht aufgeben» – trotz der klaren Botschaft der SPS. Die eigens für die Petition eingerichtete Website bleibt online.


Auf dem zweiten Platz landeten am Wettbewerb die Pritzkerpreisträger Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal. Viele in Zürich wüssten gerne, warum sich ihr Vorschlag nicht durchsetzen konnte.

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