Von Ikonen lernen

Susanna Koeberle
16. Juli 2018
Ludwig Wittgenstein, Paul Engelmann: Haus Wittgenstein, Wien, 1928. Modell: Theresa Edlauer, Daniela Kadlec, Sarah Kehrer, Stefan Peduzzi © TU Wien

Unterrichten ist eine wunderbare Sache. Aber zuweilen auch frustrierend. Dann nämlich, wenn eine Basis fehlt, auf die man aufbauen kann. Ein solcher Mangel an architekturhistorischem Grundwissen stellten auch die beiden Frauenfelder Architekten Astrid Staufer und Thomas Hasler bei ihrer Unterrichtstätigkeit an der TU Wien fest. Das erstaunte sie, gerade in Anbetracht des architektonischen Reichtums dieser Stadt. Staufer und Hasler unterrichten im Grundkurs Architektur und Konstruktion und betreuen dort eine riesige Anzahl Studierende. Die beiden stellten sich dieser Herausforderung und entwickelten ein methodisches Instrument, welches diese Wissenslücke schliessen sollte. Dabei geht es nicht einfach um trockene Wissensvermittlung, sondern auch darum, die Leidenschaft für ihren Beruf weiterzugeben. Die beiden Architekten sprechen in diesem Zusammenhang vom «Magischen» in der Architektur.

Karo-Rumah-Adat, Indonesien. Modell: Katharina Sophie Krumo, Seyed Reza Mahvi-Langroodi, Paul Sprinz, Vilmos Tóth, Arabella Weidlinger Foto Georg Mayer / © TU Wien

Durch das Studium von architektonischen Ikonen wird ein doppeltes Ziel erreicht: Das Vermitteln von Architekturgeschichte und das Verständnis für die Konstruktionsweise der ikonischen Bauten. Die historischen Vorbilder sollen aber auch die Kreativität ihrer Zöglinge fördern. In diesem Zusammenhang sind die Praxis des Zeichnens sowie das Modellbauen zentral. Diese Tätigkeiten bilden die Basis für eine intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Studienobjekt. Erst nach einer solchen vertieften Analyse (die einem medizinischen Sezieren gleichkommt) erfolgt die Übersetzung in ein eigenes Projekt. Der Prozess geschieht in den Schritten Wahrnehmen, Be-greifen, Interpretieren und Ausformulieren.

​Nun versammelt eine Publikation bei Park Books 25 der Ikonen, welche die beiden Professoren als Anschauungsmaterial für das Unterrichten verwenden. Diese reichen von Andrea Palladio und Auguste Perret über Luis Barragán und Alvaro Siza bis hin zu vernakulären Bauten. Anhand von Fallbeispielen (eines davon ganz detailliert) wird der Prozess der Studierenden nachvollziehbar. Ergänzt wird das Buch durch verschiedene Aufsätze. Dass man häufig von einem «architektonischen Vokabular» spricht, macht nach der « Lektüre» dieses Buches noch mehr Sinn.


Ikonen
Methodische Experimente im Umgang mit architektonischen Referenzen
Astrid Stauffer, Thomas Hasler, Lorenzo de Chiffre (Hrsg.)
Park Books
ISBN 978-3-03860-117-3, Deutsch

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