Wie weiter?

Elias Baumgarten
11. März 2019
In der Vorwoche wurden etliche Statistiken zum Frauenanteil in Führungspositionen der Schweizer Wirtschaft veröffentlicht. Bild: Elias Baumgarten 

Viel wurde in den letzten Wochen und Monaten über Parity in der Architektur diskutiert. Gewiss ist, dass in unserer Disziplin grosser Nachholbedarf besteht. Doch wie ist die Lage gesamthaft? Wie viele Frauen sind auf den Entscheiderpositionen der Schweizer Wirtschaft zu finden? Seit 2006 nimmt sich die Zürcher Guido Schilling AG diesen Fragen an und untersucht die Zusammensetzung der Geschäftsleitungen und Verwaltungsräte der grössten Schweizer Unternehmen. Die Ergebnisse veröffentlicht sie in Jahrbüchern. Am vergangenen Mittwoch, dem 7. März 2019, hat sie die neusten Zahlen der Presse vorgelegt. Sie beziehen sich auf die 117 grössten Unternehmen im Land. Der Bericht beinhaltet auch Treibstoff für die Debatte um Zukunftsstrategien für mehr Frauen in Führungspositionen, welche auch in der Architektur zu führen ist.

Fast zur selben Stunde hat auch das Bundesamt für Statistik Daten zum Frauenanteil in den Führungsetagen der Schweizer Wirtschaft veröffentlicht. Werfen wir zunächst einen kurzen Blick auf die Ergebnisse.

Langsam

Die Werte der Guido Schilling AG zeigen, dass die Frauenquoten in Schweizer Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten leicht gestiegen ist. Das ist gut. Doch die Statistiker*innen demonstrieren anhand von Vergleichszahlen aus Deutschland und Grossbritannien auch, dass die Entwicklung in der Schweiz im internationalen Vergleich hinterherhinkt. 2018 waren 9 Prozent der Geschäftsleitungsmitglieder der untersuchten Firmen Frauen. 2017 lag der Wert noch bei 7 Prozent. In den Verwaltungsräten beträgt der Anteil aktuell 21, was ebenfalls einen leichten Aufwärtstrend bedeutet. Das Ziel, bis 2022 einen Wert von 30 Prozent zu erreichen, scheint damit jedoch fast völlig ausser Reichweite: Per sofort müssten dafür alle vakanten Führungspositionen mit Frauen besetzt werden.

Das Bundesamt für Statistik untersuchte breiter und beschränkte sich nicht auf die grössten Firmen. Nach seinen Zahlen sind in Schweizer Unternehmensleitungen zu 31,6 Prozent Frauen tätig. Dies bedeutet sogar einen leichten Rückgang, waren es doch 2017 noch 32,5 und 2016 gar 32,9. 

Quoten versus Überzeugungsarbeit

Die Guido Schilling AG recherchierte auch im Ausland, um Vergleichswerte vorlegen zu können – so etwa im Nachbarland Deutschland und in Grossbritannien. In den Aufsichtsräten der im DAX (Deutscher Aktienindex) kotierten Firmen liegt der Frauenanteil derzeit bei 34 Prozent und bewegt sich damit sogar fast auf dem Niveau der oft als Vorbilder gepriesenen skandinavischen Länder. In den Vorständen dieser Firmen sitzen aktuell zu 14 Prozent Frauen. Auch in Grossbritannien wurde die 30er-Marke hinsichtlich der Aufsichtsräte schon geknackt. Wie ist dies in beiden Ländern gelungen und welche Ideen könnten für die Schweiz adaptiert werden? 

In Deutschland und Grossbritannien wurden unterschiedliche Wege beschritten: In unserem nördlichen Nachbarland verordneten die Politiker*innen eine Frauenquote. Per Gesetz müssen Aufsichtsräte zu mindestens 30 Prozent weiblich sein. Dies müssen die Firmen durch eine entsprechende Einstellungspolitik sicherstellen. Ähnliche Gesetze gelten übrigens auch in neun weiteren Staaten der EU. Sie schreiben Quoten zwischen 20 und 40 Prozent vor. Anders in Grossbritannien. Dort gibt es keine gesetzlichen Vorgaben. Stattdessen leisten verschiedene Akteure ausdauernd Überzeugungsarbeit – allen voran Helena Morrissey mit ihrem «Club 30 %». Sie hält wenig von Vorgaben und möchte, dass Frauen auf Augenhöhe behandelt und aufgrund ihrer fachlichen Qualitäten und Kompetenzen eingestellt werden. Als sie 2010 ihr Engagement begann waren Frauen nur zu 12 Prozent in den Aufsichtsräten britischer Grossunternehmen vertreten. Dank des freiwilligen Com­mit­ments der Wirtschaft liegt der Wert heute über 30. Nach Einschätzung von Guido Schilling taugt Deutschland nur bedingt als Vorbild, und das britische Modell ist zu bevorzugen. Denn wurden in den Vorjahren bis zu 48 Prozent der vakanten bundesdeutschen Aufsichtsratssitze an Frauen vergeben, sind die Zahlen nun da die Vorgaben vielfach erreicht sind wieder rückläufig. Er vermutet, dass dies nicht das Resultat eines Einpendelungsprozesses ist, sondern jenes zurückgefahrener Bemühungen.

Die Ergebnisse könnten neuen Schwung in die Debatte um das Forcieren von Quoten bringen. Denn wenigstens die von Guido Schilling gemachten Beobachtungen zeigen, dass nachhaltige Veränderungen eines echten Gesinnungswandels bedürfen. Und diesbezüglich bleibt gesamtgesellschaftlich wie auch in unserer Disziplin noch sehr viel zu tun. Das zeigte unser Redaktor John Hill schon 2015 mittels Kurzinterviews mit Architektinnen auf. 

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