Zumthor verstehen

Jenny Keller
17. August 2018
Bild von Hélène Binet aus «Collection», 1989, «Landscape of the Athens Acropolis» von Dimitris Pikionis. © Hélène Binet, London

Ausgehend von Peter Zumthors Zinkminenmuseum in Sauda, Norwegen (2009 bis 2016), spricht die Architekturhistorikerin Mari Lending mit dem Architekten über seine Herangehensweise beim Entwerfen. Das Gespräch kommt in Form eines kleinen gebundenen Büchleins in Graukarton ganz unprätentiös daher, der Inhalt (ein vielschichtiger Dialog auf Augenhöhe auf 78 Seiten) zeugt vom reichen akademischen Wissen der Interviewerin (sie ist Professorin für Architekturgeschichte an der Oslo School of Architecture and Design) – so fallen auf den ersten Seiten schon bedeutende Namen wie Leon Battista Alberti, Cicero, Stendhal, Nabokov oder Johann Peter Hebel – und vom Geschichtsbewusstsein und der Sinnlichkeit des Architekten. «Meine Bauten sind auf eine Art und Weise geerdet, die nicht formal ist. Ich glaube, es hat mit etwas Grundsätzlicherem und Wesentlicherem zu tun», sagt er auf Seite 58 beispielsweise und später: «Meine Bauten sollten ein Gefühl von Tiefe vermitteln.» Zumthor plädiert für ein Intuitives Entwerfen und erklärt, dass er seine Gebäude gerne als Teil der Welt und der Geschichte sieht, die etwas von ihrer Umgebung «verstehen», dabei spezifisch sind und keineswegs Repliken darstellen.

Im Zusammenhang mit seiner Architektur spreche er nicht mehr von Atmosphäre wie früher, sagt Zumthor, und Mari Lending gibt sich daraufhin beruhigt und gesteht, dass sie die Verklammerung von Atmosphäre und Architektur nicht möge, weil der «historische Impetus» fehle, es sei «zu nett und zu privat». Man einigt sich schliesslich auf den Begriff «kulturelle Erinnerung», wie ihn Sibyl Moholy-Nagy, eine Lehrerin von Zumthor am Pratt Institute in New York, geprägt hat. Und Zumthor gibt zu: «Sie wusste, was ich erst heute weiss.»

Ein Fotoessay von Hélène Binet, «Collection»  von 1989, begleitet das Gespräch bildlich und natürlich auch inhaltlich, denn für die gepflasterten Wege auf der Akropolis, die Binet fotografiert hat, hat der Architekt Dimitris Pikionis Trümmer von alten Bauten aus der Stadt verwendet. «Wenn ich sein Werk anschaue, spüre ich, dass er die klassische Moderne seiner Zeit kennt, aber auch eine Herkunft hat, aus der heraus er arbeitet», schreibt Zumthor im Anhang.


 
​Die Geschichte in den Dingen
Peter Zumthor und Mari Lending

Mit Fotografien von Hélène Binet

Broschiert
84 Seiten, 14 Duplex-Abbildungen
11 x 19,5 cm
ISBN 978-3-85881-558-3
CHF 29.00 / EUR 29.00

Scheidegger & Spiess
 
 
 
     

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