Zweifelhafte Arbeitsverhältnisse

Juho Nyberg
25. März 2019
Junya Ishigamis Entwurf für den «Serpentine Pavilion». Bild © Junya Ishigami + Associates

Ein Praktikum als Architekturstudent*in ist aufregend: Es bietet Gelegenheit, ein erstes Mal richtig tief in die Arbeitswelt einzutauchen. Mit etwas Glück kann man dabei ausserdem ein namhaftes Büro von innen kennenlernen. Solche Plätze sind begehrt. Davon lassen sich grosse Büros leider nicht selten dazu verleiten, fragwürdige Anstellungsbedingungen zu formulieren; wohl unter der Annahme, dass der Aufenthalt im Büro eines Stars der Szene den Lebenslauf des Studierenden aufpoliere.

Ein Praktikum bei Junya Ishigami wirkt beinahe wie der Besuch eines architektonischen Bootcamps. Das geht aus einer von einem Architekturstudenten geleakten E-Mail hervor. Er hatte sich um ein Praktikum beworben, sich letztlich aber dann doch anders entschieden. Weshalb? Nun, vielleicht wegen den Bedingungen: Das Praktikum beim japanischen Architekten wäre nicht nur unbezahlt gewesen, sondern hätte dazu auch Arbeitszeiten von zwölf Stunden (von 11 Uhr bis Mitternacht) an sechs Tagen in der Woche umfasst. Darüber hinaus hätte der Praktikant seinen eigenen Computer inklusive Software mitbringen und sich selber um sein Visum sowie den Umzug nach Japan kümmern müssen. Das Praktikum sollte acht bis zwölf Wochen dauern – «oder länger», wie es gerade nötig sein würde.

Die Serpentine Gallery hat sich zu den Enthüllungen dahingehend geäussert, dass ihr die Umstände bisher nicht bekannt gewesen seien und sie grundsätzlich «nur bezahlte Anstellungsverhältnisse» unterstütze. Eine Stellungnahme des Architekten steht noch aus.

Ganz neu und unbekannt sind solche Arbeitsbedingungen nicht – auch nicht für die Serpentine Gallery: Bereits 2013 wurde der damalige Architekt des Pavillons, Sou Fujimoto, mit gleichlautenden Vorwürfen konfrontiert. Er redete sich damals mit der langen Tradition solcher Anstellungsverhältnisse heraus. Ausserdem brachte er das altväterliche Argument vor, es sei doch schön, wenn man voneinander und ge­ne­ra­ti­o­nen­über­grei­fend lerne.

Bei aller Aufregung um diesen Fall darf nicht vergessen gehen, dass es eben auch an den Praktikant*innen ist, auf faire Arbeitsbedingungen zu bestehen. Und im Zweifelsfall besser auf ein wohlklingendes Praktikum zu verzichten – zum eigenen Wohle und auch zu dem der Kolleg*innen.

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