Die mit dem Tageslicht geht

Thomas Geuder
17. Oktober 2012
In der neuen ADAC-Zentrale im Münchner Stadtteil Sendling wurden die ehemals sieben Standorte unter einem Dach gebündelt. (Bild: ADAC / Xaver Lockau)

Als Kind haben wir gelernt: Das Licht muss von links vorne kommen, wenn man Rechtshänder ist. Also haben wir unseren Hausaufgabentisch entsprechend ans Fenster gestellt, eine 40-Watt-Leselampe angebracht und uns über eine gute Arbeitsplatzbeleuchtung gefreut. Erst der Computer (anfangs noch mit Grünmonitor und echter, spiegelnder Bildröhre) hat diese einfach zu merkenden Richtwerte zunichte gemacht. Fortan stritten sich die Geister, welches Arbeitsplatzlayout nun das richtige für die modernen Computerarbeitenden sei: Licht von oben, von vorn, von der Seite, punktuell, allgemein, direkt, indirekt, und so weiter.

Unzählige Augenpaare haben seitdem unter schlechten Lichtverhältnissen leiden müssen und tun es in vielen Bürogebäuden leider noch immer, denn manchem Arbeitgeber ist der Faktor «Licht am Arbeitsplatz» nicht hinreichend bewusst oder – weitaus schlimmer – schlicht egal. Architekten, Lichtplaner und Hersteller berichten seit Langem über die Auswirkungen von Lichtfarbe, Blendfreiheit und Lichtspitzen auf den Menschen. Vor allem im Bestand jedoch tut sich nur schleppend etwas.

Mit seinen 93 Metern erhebt sich der ADAC-Neubau fast ebenso hoch über die Stadt, wie die gotischen Zwiebeltürme der Münchner Frauenkirche mit 98,5 Metern Höhe. (Bild: ADAC / Xaver Lockau)

Wenn sich in dieser Diskussion eine Firma wie der ADAC für seine immerhin 2400 Mitarbeiter anschickt, eine neue Firmenzentrale in München zu bauen, darf man jedoch gespannt hinschauen. Denn die Zeit, in die dieses Projekt fällt, ist eine besondere: Die Leuchten­industrie befindet sich seit einigen Jahren im Umbruch. Im Zuge des Glühlampenverbots und der Energiewende werden immer neue Technologien vor allem bei den LEDs entwickelt, die für Architekten wie Lichtplaner ungeahnte Möglichkeiten bringen. Auch die Steuerung ganzer Anlagen wird durch digitale Technologien erheblich vereinfacht und die Effizienz durch die Kombination von zentraler und dezentraler Steuerung noch einmal gesteigert. So war es der Stuttgarter LED-Pionier Nimbus, der schon im Jahr 2007 den Bauherren der neuen ADAC-Zentrale als damals noch einziger in der Runde der anbietenden Leuchtenhersteller ein komplett auf LED basierendes Lichtkonzept für das gesamte Gebäude vorstellte.

Lediglich die Verkehrswege sind mit Deckenleuchten ausgestattet. Die Allgemeinbeleuchtung im Bereich der Arbeitsplätze erfolgt über die Stehleuchten. (Bild: Mauser Einrichtungssysteme)

Den Arbeitsplätzen jedoch fällt in diesem Konzept eine besondere Rolle zu: Eigens für sie wurde die hauseigene Stehleuchte «Office Air LED» modifiziert. Rein äusserlich gleicht sie ihrem Vorgängermodell noch, der innere Aufbau jedoch ist gänzlich weiterentwickelt. Hinter dem schlichten Design verbirgt sich Erstaunliches: Die Leuchte ist als 2-Wege-Leuchte mit einem Direktanteil von 39 % und einem Indirektanteil nach oben von 61 % konzipiert. Zur Entblendung und Lichtlenkung nach unten (mittels ausgerichteter Kegelsenkungen) besteht die Diffusorfläche aus Acrylglas. Der indirekte Lichtanteil, der zur allgemeinen Raumbeleuchtung dient, kann per DALI-Steuerung zentral bedient werden. Demgegenüber steuert jeder Mitarbeiter den direkten Lichtanteil selbst, indem er die für ihn oder sie angenehme Helligkeit einmalig einstellt – ein Tageslichtsensor ermittelt fortlaufend das Umgebungslicht und regelt kontinuierlich die entsprechende Lichtmenge nach, sodass ein konstantes Helligkeitsniveau bestehen bleibt. Verlässt der Mitarbeiter den Platz, schaltet sich die Leuchte nach wenigen Minuten aus und wird genauso hell wie vorher, wenn er wieder zurückkehrt.

Für die Mitarbeitenden bedeutet dieses Konzept eine völlig andere Herangehensweise an die Arbeitsplatzbeleuchtung: Bisher musste man sich entscheiden, ob und welche Beleuchtung man einschalten muss, um das für richtige Licht zu erhalten. Mit dem sogenannten PDLS-System, also der Präsenz- und Tageslicht­steuerung, müssen sich der Mitarbeitenden nun nur entscheiden, welches Licht sie gerne haben möchten – das System steuert dann die Beleuchtung. Oder in der IT-Sprache ausgedrückt: Der Mitarbeiter wird vom Beleuchtungsprogrammierer zum Licht-User.

Im grossen Sitzungssaal folgen die lineare und punktuelle Lichtquellen der Anordnung der Tische. (Bild: Nimbus Group)
Weithin sichtbar in Münchens Stadtsilhouette: Die Fassade der neuen ADAC-Zentrale ist in der Farbwelt des Automobil-Clubs gestaltet. (Bild: ADAC / Xaver Lockau)
Lichtverteilung: Das direkte und das indirekte Licht der Office AIR LED können unabhängig voneinander zentral und dezentral gesteuert werden. (Abbildung: Nimbus Group)
Im schlichten Design verbirgt sich einiges an Technologie. Für ein angenehmes und eher neutralweisses Licht sorgt beim ADAC-Neubau die Lichttemperatur von 3000 K. (Bild: Nimbus Group)
Eine Präsenzsteuerung schaltet die Leuchte bei Bedarf ab. So beträgt die volle Anschlussleistung lediglich 99 Watt, im Stand-by-Betrieb benötigt die Leuchte weniger als 0,5 Watt. (Bild: Nimbus Group)
Beispielgrundriss 22. OG
Grundriss 1. OG
Erdgeschoss

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Nimbus Group GmbH
Stuttgart, D

Projekt
Neubau ADAC Hauptverwaltung
München, D

Hersteller-Kompetenzen
Office Air LED
Modul L 120
Modul Q 49 und 64
Modul R 100 und 144

Architektur
Sauerbruch Hutton
Berlin, D

Bauherr
ADAC e.V.
vertreten durch Herrn Peter Meyer - Präsident und Herrn Dr August Markl - Erster Vizepräsident
München, D

Fertigstellung
2011

Bildnachweis
ADAC / Xaver Lockau
Nimbus Group
Mauser Einrichtungssysteme

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