Nichtstun in Bochum

Thomas Geuder
15. Juli 2014
Mit der «One Man Sauna» wurde im Rahmen des Sommerfestivals des Detroit-Projekts eine Fabrikbrache bespielt. (Foto: modulorbeat)

Unabhängig aller derzeitigen Wetterkapriolen haben wir bei Erscheinen dieses Artikels bereits Juli, so gesehen also Hochsommer. Der nächste Winter aber kommt bestimmt, und so ist jetzt der beste Zeitpunkt, sich zumindest baulich schon einmal auf die kalte Jahreszeit einzustellen. Wer genug Platz im Garten hat, könnte das mit der einem ganz besonderen Gartenhäuschen tun: der «One Man Sauna», entwickelt von modulorbeat aus Münster, die sich stets im Spannungsfeld von Architektur, Stadt und Landschaft bewegen, nicht selten mit einem konzeptionellen Augenzwinkern. Die Idee zu dem Projekt ist entsprungen aus dem internationalen Stadt- und Kunstfestival in Bochum «Das Detroit-Projekt», das Fragen stellt und Antworten sucht zur Zukunft der Stadt, der Arbeit und der Kunst. Zu diesem Zweck haben sich vier die europäische Opel-Städte Bochum, Zaragoza, Ellesmere Port / Liverpool und Gliwice verbunden. Gemeinsam mit ihnen möchte das Projekt der industriellen Abwanderung trotzen und zukunftsweisende Alternativen für Bochum und das Ruhrgebiet entwickeln. Entstanden sind dabei 20 sehr unterschiedliche Kunstprojekte, bei denen jeder Künstler, jede Künstlerin und jedes Kollektiv seinen eigenen Weg wählte. Sie alle stellen sich der Tatsache, dass Menschen in diesen Regionen, die einst vom Autobau lebten, zunehmend ihre Arbeit verlieren. Gemeinsam wollen sie einen engagierten Impuls geben, der die Stadt und ihre Bewohner ermutigt, das öffentliche Leben und ihre Zukunft aktiv zu gestalten.

Diese Saunazelle muss man nicht mit anderen teilen – hier ist nur für eine Person Platz. (Foto: Roman Mensing)

Innerhalb dieses thematischen Rahmens setzte sich modulorbeat mit den Grenz- und Übergangsräumen der Stadt Bochum als einem Teil des urbanen Systems Ruhrgebiet auseinander und entwickelte Fotografien typischer Randzonen Bochums mit einer Textsammlung zum Thema «Nichtstun”. Daraus entstand die Idee der One Man Sauna, ein 7,50 m hoher Turm auf einer Fabrikbrache in Bochum mit Saunazelle, Tauchbecken und Ruheraum samt Himmelblick nach Art von James Turrells Skyspaces. Alle drei Funktionen sind in drei Ebenen übereinander organisiert, verbunden mit einfachen Stegleitern. Den Eingang auf mittlerer Ebene erreicht man ebenfalls per (aussenliegender) Stegleiter.

Himmelblick inklusive: Nach Saunagang und kalten Tauchbecken kann man sich auf der Liege in der oberen Ebene ausruhen und einen Ausschnitt des Himmels beobachten. (Foto: Roman Mensing)

Nicht nur der Ort jedoch stellt einen direkten, fast schon beklemmenden Bezug zum Thema Stadt her, auch das Bauwerk selbst. Es besteht aus aufeinander gestapelten Betonfertigteilen (Fa. Mönninghoff), wie sie eigentlich beim Bau von Schachtanlagen im Strassenbau verwendet werden. Der normale Stadtbewohner erkennt sie nur an den typischen Deckeln im Boden. Solche Schächte können mitunter recht gross sein, gross genug also, um damit Räume zu bilden. Für die One Man Sauna haben modulorbeat den Beton dafür schwarz bzw. dunkelgrau ein- bzw. durchgefärbt. Durch den hohen Wassereindringwiderstand des verwendeten Betons eignen sich die Bauteile hervorragend für das Tauchbecken auf der untersten Ebene. Die Saunazelle besteht aus Holz, ebenso die Liege im Ruheraum, die quasi die Decke der Saunazelle bildet. Ganz oben lässt sich der Saunaturm durch zwei Fenster öffnen, sodass hier den Himmel des Ruhrgebiets als Ausschnitt betrachtet werden kann. Wer sich übrigens vom Namen des Projekts nicht angesprochen fühlt: Die «One Man Sauna» kann ganz bestimmt auch als «One Woman Sauna» genutzt werden. Die Architekten jedenfalls legen sich in diesem Punkt nicht explizit fest, sind aber sicherlich einverstanden. 


Die One Man Sauna war bis zum 5. Juli offen für Besucher und soll laut Architekten an einem anderen Ort wieder aufgestellt werden, der noch nicht bekannt ist. Wer jedoch für sich selbst eine One Man Sauna erwerben möchte, kann sich jederzeit an modulorbeat wenden.

Die Liege ist gleichzeitig die Decke der Saunazelle, unter der sich schliesslich das Tauchbecken befindet. (Foto: Roman Mensing)
Grundriss Ruheraum
Grundriss Saunazelle
Grundriss Tauchbecken
Schnitte BB, AA und DD
Es muss nicht immer Hochglanz sein: Alle Herstellungsspuren wurden gelassen, die Steigleiter entspricht dem Original aus dem Strassenbau. (Foto: modulorbeat)
So sehen die Schachtelemente als Betonfertigteile normalerweise aus. (Foto: Mönninghoff)

Diese optisch recht harmlosen Deckel lassen am Ende auf darunterliegende, oft auch ein gutes Stück breitere Schächte schliessen. (Foto: Mönninghoff)
Die Schachtelemente wurden mit einem leichten Abstand zueinander aufeinander gestapelt, damit Frischluft in den ansonsten fensterlosen Raum gelangen kann. (Foto: modulorbeat)
Die nackte Haut zum Schluss: Natürlich muss man sich vor Betreten der One Man Sauna frei machen, denn drinnen ist keine Umkleide vorgesehen. (Foto: Roman Mensing)
Projekt
One Man Sauna
Bochum

Hersteller
Mönninghoff GmbH & Co. KG
Senden, D

Kompetenz
Bestonfertigteile Aufbauschacht und Topfschacht
eingefärbter Beton

Architekt
modulorbeat ambitious urbanists & planners
Münster, D

Team
Marc Günnewig, Jan Kampshoff & Sebastian Gatz

Auftraggeber und Bauherr
Schauspielhaus Bochum, Urbane Künste Ruhr
Bochum, D

Tragwerksplanung
B+G Ingenieure Bollinger und Grohmann GmbH
Frankfurt/Main, D

Fertigstellung
2013

Fotografie
Roman Mensing
modulorbeat
Mönninghoff

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Vorgestelltes Projekt

Nau2

Arealüberbauung RB Lägern-Baregg

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