«Vorsicht, frisch gebohnert!»

Thomas Geuder
4. Oktober 2012
Fast wie damals: Die Einzimmerwohnung in der Berliner Unité d‘Habitation wurde von der Architektin Kathrin Bunte und dem Architektur-Journalisten Benedikt Hotze nach originalen Vorlagen renoviert.

Allzu lange ist es noch gar nicht her, da das Bohnern häufig praktiziertes Ritual in unseren Stuben war. Ein Mal im Jahr mindestens mussten alle Böden im Haus mit Bohnerwachs gesättigt und anschliessend mit dem Bohnerbesen – einer mehrere Kilogramm schweren Bürste – so lange gewienert werden, bis sie wieder wie neu glänzten. Eine bisweilen langwierige und vor allem kräftezehrende Arbeit. Die Erfindung der elektrischen Bohnermaschine schon Anfang des 20. Jahrhunderts brachte zwar eine Erleichterung, den sich jedoch nur wenige Haushalte leisten konnten. So waren die «Bohnerkeule», wie sie dann und wann liebevoll von Hausfrauen genannt wurde, und mit ihr das kräftezehrende Bohnern in den meisten Haushalten bis weit in die 1960er-Jahre fester Bestandteil häuslicher Bodenpflege. Auch das beliebte Linoleum, das damals noch unversiegelt ausgeliefert wurde, musste wegen seiner Offenporigkeit regelmässig gebohnert werden. Aus Sicht der Hausfrau wundert es da nicht, dass das Interesse an Linoleum vor allem mit der Erfindung von PVC-Böden stark nachließ und Linoleum in der Folgezeit teilweise ganz von der Bildfläche zu verschwinden drohte. Doch mit der Ölkrise von 1973 entwickelte sich eine Ökologie-Bewegung, die ein neues Bewusstsein für natürliche und wohngesunde Bau- und Werkstoffe mit sich brachte – und das Interesse an dem fast vollständig aus natürlichen Inhaltsstoffen bestehenden Linoleum neu beflügelte. Ein Trend, der bis heute anhält.

«Vorsicht, frisch gebohnert!» So federleicht wie in in diesem Bild von 1920 dargestellt war das Bohnern nicht immer. In den meisten Haushalten musste mühsam mit Hand und Bohnerkeule gearbeitet werden.

Das ökologische und umweltbewusste Bauen ist seitdem zu einer Selbstverständlichkeit in der Architektur geworden, und auch im Innenraum setzt sich immer häufiger durch, dass gesunder Wohnraum nichts mit teurer Ausstattung, sondern mit gesunden und bestenfalls natürlichen Materialien zu tun hat. Linoleum leistet hier einen wichtigen Beitrag. Umso grösser war da die Freude, als der Architektur-Journalist Benedikt Hotze in seiner 2011 erworbenen Einzimmerwohnung in der Berliner Unité d‘Habitation unter dem Kunststofflaminat den noch originalen Linoleumbelag entdeckte. Das dunkelgrüne Linoleum wurde 1958 beim Bau der Unité d‘Habitation eingebaut und befand sich über Jahrzehnte in einer Art Dornröschenschlaf, ehe man ihn jetzt wieder zutage bringen konnte. Bei der Renovierung der Wohnung nach originalen Plänen durch die Berliner Architektin Kathrin Bunte jedoch wurde erst richtig klar, welche Qualitäten Linoleum tatsächlich besitzt: Zwar sind die vielen Jahre an dem Material nicht spurlos vorüber gegangen (besonders Möbel haben sichtbare Druck-Spuren hinterlassen), dennoch war es möglich, den Belag abzuschleifen und mit einer neuen Oberflächenvergütung zu versiegeln. Eine derartige Bearbeitung war nur deshalb möglich, weil Linoleum ein durchgefärbtes Material ist.

Gruss aus der Vergangenheit: Unter dem Laminat im Hauptraum verbarg sich der originale Linoleumboden aus dem Entstehungsjahr der Unité d‘Habitation 1958 – mit der Patina aus fast 60 Jahren Nutzung.

So konnte ein wichtiges und vor allem raumbestimmendes Element in seinem Origianlzustand erhalten werden. Aber auch die ursprüngliche, von Le Corbusier erdachte Raumaufteilung mit dem sogenannten «Schaschlik-Fenster»  – einem Glas-Schiebefenster, das als Durchreiche dient und ausserdem für Licht und Luft in der Küche sorgt – wurde wieder hergestellt. Passend zu dem historischen Linoleumboden im Hauptraum wählten Architektin und Eigentümer taubenblaues DLW Linoleum für Küche und Flur: Uni Walton im Design midnight blue. Im selben Farbton wurde der Anstrich der Flurwand angefertigt. Die Farbgestaltung des Hauptraums ist durch Le Corbusiers Farbelehre inspiriert, die an der Aussenfassade des Hauses zu finden ist.

Übrigens: Die 33 Quadratmeter grosse Wohnung – ausgestattet mit Küche, Bad, Möbeln und einzigartigem Panoramablick auf die Berliner City – ist monatsweise mietbar. Doch keine Angst: Die Mieter müssen heute nicht mehr zur Bohnerkeule greifen, denn Linoleumböden von Armstrong DLW sind mittlerweile mit einer PUR-Oberflächenvergütung versehen und entsprechend widerstandsfähig gegen Abnutzung und Feuchtigkeit.

Bei der Farbgebung der Renovation liess sich die Architektin von der Farbenlehre Le Corbusiers inspirieren.
Die Unité d‘Habitation in Berlin wurde anlässlich der Interbau 1957 erbaut. Auf 17 Geschossen sind 530 Wohnungen und Einrichtungen des täglichen Bedarfs untergebracht – entsprechend dem Leitbild Le Corbusiers der «vertikalen Stadt».
Grundriss. Die 33 qm grosse Wohnung besitzt einen Hauptraum von rund 4 auf 5 ½ Metern, eine Kochnische, ein Bad mit Dusche und eine Loggia.
Eine grosse Herausforderung erwartete Architektin und Bauherr: Die Wohnung war zuvor mit Laminat ausgelegt und räumlich gänzlich umgestaltet.
Linoleum besteht im Grunde ausschliesslich aus natürlichen und nachwachsenden Zutaten: Naturharz, Jute, Korkmehl, Leinöl, Kalkstein, Holzmehl, Farbstoff.
Die Produktion von Linoleum passiert in vier Schritten. 1. Herstellung des Linoleumzements. 2. Weiterverarbeitung zur Linoleumdeckmasse. 3. Das Kalandern. 4. Der Reifeprozess.

Sie haben interessante Produkte und innovative Lösungen oder wollen uns zu diesem Beitrag ein Kommentar schreiben?

Armstrong DLW GmbH
Bietigheim-Bissingen, D

Projekt
Renovierung einer Einzimmerwohnung in der Unité d‘Habitation von Le Corbursier
Berlin, D

Hersteller-Kompetenz
Bodenbelag Linoleum Uni Walton PUR

Architektur
Dott. Dipl.-Ing. Kathrin Bunte
Berlin, D

Bauherr
Benedikt Hotze
Berlin, D

Fertigstellung
2012

Bildnachweis
Benedikt Hotze
Kathrin Bunte
Armstrong DLW

Andere Artikel in dieser Kategorie