Erweiterung Museum Rietberg

8. April 2007

Erweiterung Museum Rietberg
Zürich

2007


Bauherrschaft
Stadt Zürich
Immobilien-Bewirtschaftung
Amt für Hochbauten

Architektur
ARGE Grazioli Krischanitz
Zürich

Baumanagement
Walter Dietsche Baumanagement
Chur

Bauingenieur
Ernst Basler + Partner
Zürich

Glasbau
Ludwig + Weiler
Augsburg

Kunst
Helmut Federle
Wien

Anlagekosten
(BKP 1–9)
CHF 46 Mio.

Baldachine vom Smaragd, so hiess das Wettbewerbsprojekt von Grazioli Krischanitz.
Bilder: Heinrich Helfenstein 

In den letzten dreissig, vierzig Jahren sind weltweit Museen entstanden, die sich mit spektakulären Bauten gegenseitig übertrumpfen. Die Städte haben das Museum als Marketinginstrument erkannt, und oft ist die Hülle spektakulärer als der Inhalt. Es gibt aber auch Museen, die brauchen kein Gebäude mit ‹Bilbao-Effekt›, um an die Weltspitze aufzuschliessen – ihre Sammlung schafft das alleine. Zu ihnen gehört das Museum Rietberg in Zürich, für aussereuropäische Kunst eine der ersten Adressen weltweit. Dies verdankt die Stadt Baron Eduard von der Heydt, der ihr 1946 seine Sammlung vermachte. Zürich zeigte sich erkenntlich und baute die 1857 von Leon­hard Zeugheer errichtete Villa Wesendonck am Rand des Rieterparks zum Museum um. 1952 war Eröffnung.
Nun hat der Erweiterungsbau der Architekten Alfred Grazioli und Adolf Krischanitz die Ausstellungsfläche des aus allen Nähten platzenden Museums mehr als verdoppelt. An der Oberfläche ist davon bloss der ‹Smaragd› des grüngläsernen Eingangspavillons zu sehen; die Ausstellungssäle liegen unsichtbar unter dem Boden. Das ist nicht ein Statement der Bescheidenheit, sondern die Konsequenz aus Programm und Ort. Denn der Rieterpark ist Zürichs grösster, praktisch integral erhaltener Landschaftspark des
19. Jahrhunderts und die Bauten sind Denkmäler ersten Ranges, vorab die Villa Wesendonck, aber auch die benachbarten Villen Schönberg und Park-Villa Rieter. Ein oberirdischer Neubau hätte das subtile Gleichgewicht zwischen Bauten und Park zum Kippen gebracht. Im Wettbewerb von 2001 gingen denn auch die meisten Entwürfe mehr oder weniger unter den Boden – am konsequentes­ten das Projekt Grazioli / Krischanitz, das siegreich aus der Überarbeitung hervorging. Unter der Erde liessen sich Museumsräume in idealer Form und Grösse realisieren: zwei frei bespielbare Säle, jeder von der Grösse des Bührlesaals im Kunsthaus. An der Oberfläche hätten sie den Massstab des Quartiers gesprengt. Nimmt man den Schutz von Villa und Park ernst, wäre wohl die einzige Alternative zum unterirdischen Museum im Rieterpark ein oberirdisches an einem anderen Ort gewesen – ohne Villa, ohne Park.

Jetzt ist der Smaragd der Haupteingang des erweiterten Museums.

Villa an zweiter Stelle
Der unsichtbare Neubau sollte nicht einfach ein Anhängsel der Villa Wesendonck sein, und so setzt er mit dem ‹Smaragd› auch an der Oberfläche ein gleichermassen bescheidenes wie auffälliges Zeichen. Zwischen diesem grün schimmernden Glaskörper und der Villa spannt sich ein Aussenraum auf, der bei Schönwetter zum ge­mein­samen Foyer von Alt- und Neubau wird und dessen Holzpflästerung bereits auf den Bodenbelag der Ausstellungsräume verweist. Der Weg in das Museum führt nun nicht mehr in die Villa, sondern durch den Glaspavillon ins neue Foyer mit einer hinterleuchteten Onyxdecke und einem massiven Betonrelief von Helmut Federle. Von hier aus steigt man nach unten in die neuen Säle. Die Villa folgt auf dem Rundgang erst an zweiter Stelle – und entschädigt mit intimen Räumen und prächtigen Ausblicken für das vorangegangene Untertag-Sein.

Dieser Anblick wird in Zukunft selten sein: der Ausstellungssaal im 2. Untergeschoss in seiner ganzen, noch leeren Grösse.

Grosse Freiheit unter der Erde
Das Schema der beiden neuen Ausstellungsgeschosse ist einfach: An der einen Seite führt eine von Holzrosten flankierte Treppe aus dem Foyer nach unten, auf der anderen Seite führt eine identische Treppe wieder nach oben in den ‹Wintergarten› der Villa. Vier L-förmige Wandscheiben gliedern den oberen, 3,5 Meter hohen Raum. Der untere, offene Saal hat eine luftige, 5 Meter hohe Ausstellungsfläche. Er lässt den Kuratoren alle Freiheiten für die Gestaltung auch räumlich abwechslungsreicher Sonderausstellungen. Eine Lichtdecke sorgt in den Ausstellungsräumen für eine gleichmässige, diffuse Grundbeleuchtung, farbig gestrichene Wände setzen Akzente.
So ideal die neutrale Box mit den beiden identischen Treppen für die Ausstellungsmacher sein mag, so problematisch ist sie für die Orientierung im Gebäude. Im Untergrund ist der räumliche Bezug zur Aussenwelt beschränkt. Umso wichtiger wäre es, diesen dort herzustellen, wo das möglich ist: beim Abgang. Die beiden Treppen sind schön gearbeitet und es ist ein Genuss, sie zu begehen, doch letztlich sind sie blosse Verbindungselemente zwischen den Geschossen. Wer im Untergrund abgetaucht ist, verliert sofort jeglichen Bezug zur Oberfläche. Zwar könnte die Zugangstreppe als ‹räumlicher Anker› dienen, doch eben das kann sie nicht, denn es gibt sie zweimal. So findet man zwar jederzeit den Aufgang, weiss aber nicht, wo man oben ankommt. Man muss die Schilder lesen.
Für die zu schützenden Kunstwerke entwarfen die Architekten elegante, rahmenlose Glasvitrinen. Sie sind alle gleich hoch, nur die Grundfläche ist entsprechend der Grösse des Objekts unterschiedlich. Die Vitrinen sind sowohl im Neu- als auch im Altbau aufgestellt und prägen das Bild des Museums wesentlich. Die Information zu den Objekten ist knapp gehalten und auf das Glas aufgebracht; zur vertieften Auseinandersetzung sind detailliertere Texte in einer Broschüre zusammengefasst.

Edel verarbeitetes Holz begleitet die Besucherinnen und Besucher in den Untergrund zu den Schätzen des Museums.

Lorenz Homberger, Vizedirektor des Museums, ist vom Neubau begeistert und freut sich auf die vielfältigen Möglichkeiten, ihn zu bespielen. Er ist Kurator der Afrika-Abteilung, die ihr Domizil ebenfalls in den neuen Räumen gefunden hat, und war an vorderster Front an Evaluation, Planung und Bau beteiligt. Jetzt gibt er Auskunft, wie er den Bau erlebte und was dessen Qualitäten sind.

Entspricht das realisierte Werk dem Wettbewerbsprojekt?

Lorenz Homberger: Das Wettbewerbsprojekt wurde ziemlich direkt umgesetzt. Einzig die Frage, ob wir zusätzlich auch die Remise unterkellern können, mussten wir genauer prüfen – vorab aus Kostengründen. Schliesslich konnten wir dies tun, was auch gut war für die Feuerpolizei, weil wir gleich auch die drei Fluchttreppen einbauen konnten.

Wie verlief die Zusammenarbeit mit den Architekten aus Ihrer Sicht?

Kurz nach dem Wettbewerbsentscheid unternahmen wir Kuratoren zusammen mit den Architekten eine Reise nach Wien, wo uns Adolf Krischanitz unter anderem durchs Museumsquartier führte. Dort haben wir zum Beispiel gesehen, wie niedrig und unfreundlich der Empfang im Mumok
ist, dem Museum Moderner Kunst. So etwas wollten wir natürlich vermeiden. Später fuhr eine kleinere Gruppe nach Paris. Dort werden im Louvre drei Säle mit genialen Vitrinen für die sogenannten ‹Arts premiers›, zum Beispiel afrikanische Kunst, neu eingerichtet. Diese Reisen bildeten die Basis für eine erfreuliche Zusammenarbeit mit den Architekten. Dem kam auch entgegen, dass Adolf Krischanitz einen Auftrag für den Novartis-Campus in Basel erhielt und darum ein Büro in Zürich eröffnete. Loben möchte ich im Übrigen auch die Zusammenarbeit mit dem städtischen Amt für Hochbauten.

Wussten die Architekten, worauf sie sich bei einem Museumsbau einlassen?

Adolf Krischanitz restaurierte ja auch das Gebäude der Wiener Secession und war ihr langjähriger Präsident. Er weiss also, wie ein Museumsbetrieb funktioniert.

Welches sind aus Kuratorensicht die Vorteile eines unterirdischen Museums?

Viele Objekte dürfen nur mit beschränkter Lux-Zahl angestrahlt werden; die chinesischen und japanischen Male­reien beispielsweise mit 50 Lux. Da ist es schon ein Vorteil, wenn wir nicht erst das Tageslicht abdunkeln müssen – so wie das kürzlich restaurierte Völkerkundemuseum Leipzig, bei dem man alle Fenster abgedeckt hat. Zudem kann man in dunklen Räumen dramatischer inszenieren. Wir wollten aber weder eine Black Box noch einen White Cube, deshalb gibt es Farbakzente und in der Sammlung wechselt die Lichtintensität. Die neutralen Räume sind zudem vielfältig bespielbar. So sind in der aktuellen Sonderausstellung über frühe buddhistische Kunst aus Japan nur gerade 36 Objekte ausgestellt; in der geplanten Khmer-Ausstellung werden es hingegen 200 sein.

Nach welchen Kriterien haben Sie die Sammlung auf die neuen und die alten Räume aufgeteilt?

Wir haben lange diskutiert. Ziel war, einen sinnvollen Weg durchs Museum zu gestalten, etwa mit asiatischer Kunst auf dem Weg Buddhas durch den Neu- in den Altbau. Nun bricht die afrikanische Kunst den asiatischen Weg, es gibt spannungsvolle Übergänge. Am Ende war der Entscheid einmütig – auch der Kurator der Indien-Abteilung blieb gern in der Villa, wo er sich ausbreiten konnte.

Die Sammlungsobjekte sind in Vitrinen ausgestellt – ein ruhiges, konventionelles Konzept. Warum haben Sie sie nicht mehr in der Umgebung inszeniert?

Das Museum Rietberg wurde als Kunstmuseum gegründet. Diesen Aspekt stellen wir nach wie vor in den Mittelpunkt. Auf dem ‹Discovery Channel› kann man alles über fremde Kulturen erfahren – aber nur wir können das Original zeigen. Wir möchten der gewaltigen Qualität der Objekte eine Hommage erweisen. Unsere Sonderschauen stellen durchaus den Kontext her, doch wir sind kein Völkerkundemuseum – wobei auch die Völkerkundemuseen je länger, je mehr merken, dass sie mit Kunst die Leute anziehen können. Als Museum für aussereuropäische Kunst sind wir in Europa einzigartig.

Sie waren hautnah in den Planungs- und Bauprozess involviert. Was haben Sie in dieser Zeit über die Architektur und über das Bauen gelernt?

Ich sah, dass die Planung weit vorauslaufen muss. Ist der Elektriker auf dem Bau, dann ist es schon zu spät. Der Dialog mit den Architekten muss gut laufen. Das war bei uns der Fall, und auch das Echo der Planer war gut. Gerne würde ich jetzt selbst ein Haus bauen … Und etwas vom Wichtigsten, was ich gelernt habe: Man darf nie dem Bauarbeiter direkt etwas sagen, sondern muss immer den Weg über die Bauleitung nehmen.

Erweiterung Museum Rietberg
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Stadt Zürich
Immobilien-Bewirtschaftung
Amt für Hochbauten

Architektur
ARGE Grazioli Krischanitz
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Walter Dietsche Baumanagement
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Bauingenieur
Ernst Basler + Partner
Zürich

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Ludwig + Weiler
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Wien

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CHF 46 Mio.

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