Neubau Therapiestelle Heilpädagogisches Zentrum Uri

Kompakt gestapelt

11. August 2011

Neubau Therapiestelle Heilpädagogisches Zentrum Uri
2010

Altdorf UR

Bauherrschaft
Heilpädagogisches Zentrum Uri, Altdorf/UR

Auftragserteilung
Eingeladener Wettbewerb

Architektur
Niklaus Graber & Christoph Steiger Architekten ETH/BSA/SIA
Projektleitung: Doris Wyss
Mitarbeit: Patic Huber, Karin Ohashi, Urs Schmid, Lukas Vogel, Julia Wollscheid

Fachplaner
Holzbauingenieur: Pirmin Jung, Rain/LU
Stahlbetoningenieur (UG): Projekta AG, Altdorf/UR
Elektroplanung: Scherler AG, Baar/ZG
HLKS-Planung: Camenzind Haustechnik, Bürglen/UR
Bauphysik: Ragonesi Strobel Partner, Luzern
Umgebungsgestaltung: Koepfli Partner, Landschaftsarchitekten BSLA, Luzern

Bauleitung
Örtliche Bauleitung: Falk Grimm, CAS Architekten, Altdorf/UR

Kunst-am-Bau
Beat Streuli, Brüssel (Belgien)
Diaphane Grossformatportraits im Fensterbereich

Gebäudekosten BKP 2
CHF 8.5 Mio.

Gebäudevolumen
8930 m3 (SIA 416)

Kubikmeterpreis
790 CHF/m3 (BKP 2 SIA 416)

Energiestandard
Minergie, Verwendung formaldehydfreier Baustoffe

Auszeichnung
Best Architects 2012

Fotos
Dominique Marc Wehrli, Regensdorf

Ansicht aus Nordwesten

Was hat Sie an der Bauaufgabe am meisten interessiert?

Nebst einer ausgewogenen und selbstverständlichen ortsbaulichen Setzung des neuen Gebäudes im gegebenen Kontext, interessierte uns insbesondere die Entwicklung eines räumlichen Konzeptes in unmittelbarer Ableitung des relativ komplexen Programms.
Wir sind deshalb sehr verbindlich auf die Vorgaben eingegangen und haben das Programm in sinnfällige Raumgruppen gegliedert, welche dann wechselseitig zu einem mehrgeschossigen Gebäudekörper gestapelt wurden. Jedes Geschoss weist den implementierten Räumen entsprechend eine unterschiedliche Grösse und Ausrichtung auf.
Durch das einfache Prinzip der kreuzweisen Stapelung der Therapiebereiche wird ein spannungsvolles räumliches Prinzip etabliert, welches mit verblüffender Einfachheit Übersicht und Orientierung gewährt und prägnante, panoramaartige Ausblicke auf Nachbarschaft und Landschaft freigibt. Die einzelnen Therapiebereiche erhalten innerhalb dieser spielerisch begehbaren Bauskulptur ihre jeweils spezifischen Orte und ihnen zugeordnete Terrassen, Plattformen und Vorbereiche im Freien.
Nebst der Entwicklung eines stringent aus dem Programm abgeleiteten räumlichen Prinzips hat uns auch die Findung einer dem Ort und der Aufgabe angemessenen Atomsphäre und die entsprechende konstruktive Durchbildung des Gebäudes stark interessiert.

Situation

Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?

Ortsbaulich bewegt sich die Setzung des Baukörpers in der Logik des Vorgefundenen. Die bestehende Gebäudegruppe des Heilpädagogischen Zentrums Uri, welches im Zentrum von Altdorf u-förmig eine grosse Spielwiese umsäumt, ist über mehrere Generationen Schritt für Schritt gewachsen. Mit der peripheren Situierung der neuen Therapiestelle nahe der ortstypischen, gassenbegleitenden Mauer-Einfriedung wird das Ensemble um den zentralen Freiraum ringförmig vervollständigt. Atmosphärisch und konstruktiv lehnt sich das in Holzbauweise erstellte Gebäude aber nicht an den vorwiegend steinern und mural formulierten Bauten im Zentrum von Altdorf an, was auf den ersten Blick vielleicht zu überraschen vermag. Die parkähnliche Atmosphäre der umfriedeten Anlage, aber auch die Bezüglichkeit zu den angrenzenden Wohn- und Landwirtschaftszonen, wo Holzbauten durchaus selbstverständlich sind, verleihen dieser Wahl jedoch eine grosse Stringenz. Das feingliedrige, hölzerne Fassadenkleid erzeugt eine sinnlich-haptische Ausstrahlung und eine der Nutzung angemessene Massstäblichkeit.

Wartebereich im 2.OG

Haben aktuelle gesellschaftliche Veränderungen, die Bauträgerschaft oder die Bedürfnisse der späteren NutzerInnen den Entwurf entscheidend beeinflusst?

Der Fakt, dass in Altdorf eine neue Therapiestelle mit grosszügigem und vielfältigem Raumangebot gebaut wurde, ist sicherlich auch Ausdruck gesellschaftlicher Veränderungen und Selbstverständnisse. Das frühe Erkennen und Therapieren von kindlichen Entwicklungsverzögerungen aller Art ist heute ein wichtiges gesellschaftliches Thema. Deshalb haben wir das formulierte Raumprogramm sehr ernst genommen und sowohl räumlich wie auch konstruktiv darauf reagiert. Viele Detaillösungen wurden zusammen mit dem Betreiber eigens für den Neubau entwickelt. Dabei stellte sich auch immer wieder die interessante Frage, in wie weit die neue Therapiestelle zu einem «Ausnahmeort» werden soll oder ob sie ein selbstverständlicher Teil des alltäglichen, gebauten Umfelds bleiben darf. Letztlich sollte der Bau auch als Bindeglied zwischen therapeutischem und «normalem» Alltag wirken.

Grundriss 2.OG

Wie ist das Verhältnis des Entwurfs zum vollendeten Bauwerk? Gab es bedeutende Projektänderungen oder veränderte ein Lernprozess das architektonische Ziel?

Im Grundsatz waren die wichtigsten Themen von der ortsbaulichen Setzung bis zu Konstruktion und Materialisierung bereits im Wettbewerbsprojekt präzise angelegt. Nicht zuletzt auch wegen einer Bauherrschaft, welche eine genaue Vorstellung des Raumprogramms hatte und unseren Entwurf gut nachvollziehen konnte, kam es zu keinen wesentlichen Anpassungen im Verlaufe der Umsetzung. Viele bereits in der Projektphase angedachte Ziele haben sich im Laufe der weiteren Planung und des Bauprozesses erhärtet. Auch die architektonischen Absichten, welche wir im Zuge der Umsetzung immer wieder in verschiedenen Massstäben überprüft haben, konnten unserer eigenen kritischen Hinterfragung weitestgehend standhalten.
Eine wesentliche Bereicherung, welche im frühen architektonischen Konzept noch nicht angelegt war, ist sicherlich die künstlerische Intervention durch den Fotografen Beat Streuli, wessen grossformatige, diaphane Kinderporträts die Atmosphäre der Räume wesentlich mitbestimmen und dem Gebäude eine nahezu «guliversche» Verfremdung in der massstäblichen Lesbarkeit verleihen.


Wie bezieht sich das Bauwerk auf Eure anderen Entwürfe und gliedert es sich in die Reihe Eurer Werke?

Grundsätzlich versuchen wir, jede Entwurfsaufgabe mit einer gewissen Unbefangenheit anzugehen und die Entwürfe jeweils von Grund auf neu anzudenken. Gleichwohl gibt es sicherlich auch Konstanten und Themen, die uns besonders interessieren und welche in verschiedenen Projekten auftauchen. Das Projekt für das HPZ Uri könnte demnach strukturell unter anderem in Verwandtschaft mit einer von uns gebauten Villa in Kastanienbaum gesehen werden, welche ebenfalls die sehr unmittelbare Übersetzung des Raumprogramms in eine aufgabenspezifische Struktur formuliert.

Schnitt

Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Architektur ist letztlich immer auch Ausdruck einer spezifischen Zeit und der entsprechenden gesellschaftlichen Befindlichkeit. Auch wenn wir uns mit unseren Entwürfen um eine gewisse Zeitlosigkeit bemühen, sind wir – wenn vielleicht auch unbewusst – vom «Zeitgeist» und aktuellen Tendenzen sicherlich beeinflusst.
Was die konstruktive und energetische Diskussion anbelangt, bewegt sich der Bau des HPZ sicherlich auf der Höhe der Zeit, wenngleich wir das im Entwurf nicht zu zelebrieren suchen. Die Einhaltung des Minergie-Standards oder die Nutzung örtlich vorhandener, alternativer Energiequellen wie Grundwasser sind als selbstverständliche Themen in den Entwurf eingeflossen. Dass wir mit der Wahl einer Holzelementbauweise sicherlich ein nachhaltiges Konstruktionsprinzip gewählt haben, wurzelt jedoch nicht alleine in der aktuellen Energie- und Nachhaltigkeitsdebatte, sondern hat ebensoviel mit unserer architektonischen Absicht im gegebenen Umfeld zu tun.


Stehen andere Projekte in Eurem Büro an, die von diesem Projekt in irgend einer Weise beeinflusst werden?

Wie bereits vorhin erläutert, versuchen wir jede Aufgabe «neu» und unbefangen anzugehen. Gleichwohl gibt es auch Phänomene oder räumliche Strategien, welche uns über längere Zeit beschäftigen und die wir als Variation zum gleichen Thema
verschiedenen Entwürfen zu Grunde legen. Das Thema der kreuzweisen Stapelung, wie wir sie hier beim HPZ angeschlagen haben, findet sich beispielsweise in radikalisierter Form derzeit auch im Entwurf für ein neues Büro- und Verwaltungsgebäude wieder.


Wir freuen uns über Ihre Anregungen und Kritiken!

Therapieräume im 2.OG

Neubau Therapiestelle Heilpädagogisches Zentrum Uri
2010

Altdorf UR

Bauherrschaft
Heilpädagogisches Zentrum Uri, Altdorf/UR

Auftragserteilung
Eingeladener Wettbewerb

Architektur
Niklaus Graber & Christoph Steiger Architekten ETH/BSA/SIA
Projektleitung: Doris Wyss
Mitarbeit: Patic Huber, Karin Ohashi, Urs Schmid, Lukas Vogel, Julia Wollscheid

Fachplaner
Holzbauingenieur: Pirmin Jung, Rain/LU
Stahlbetoningenieur (UG): Projekta AG, Altdorf/UR
Elektroplanung: Scherler AG, Baar/ZG
HLKS-Planung: Camenzind Haustechnik, Bürglen/UR
Bauphysik: Ragonesi Strobel Partner, Luzern
Umgebungsgestaltung: Koepfli Partner, Landschaftsarchitekten BSLA, Luzern

Bauleitung
Örtliche Bauleitung: Falk Grimm, CAS Architekten, Altdorf/UR

Kunst-am-Bau
Beat Streuli, Brüssel (Belgien)
Diaphane Grossformatportraits im Fensterbereich

Gebäudekosten BKP 2
CHF 8.5 Mio.

Gebäudevolumen
8930 m3 (SIA 416)

Kubikmeterpreis
790 CHF/m3 (BKP 2 SIA 416)

Energiestandard
Minergie, Verwendung formaldehydfreier Baustoffe

Auszeichnung
Best Architects 2012

Fotos
Dominique Marc Wehrli, Regensdorf

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