Mehr als Lärmschutz

28. Oktober 2010

Ergänzung Siedlung IV, GBMZ
2010

Zürich ZH

Bauherrschaft
GBMZ, Gemeinnützige Bau- und Mietergenossenschaft Zürich ZH

Auftragserteilung

eingeladener Wettbewerb

Architektur
baumann architekten eth sia, zürich
Projektleiter: Daniel Baumann, dipl. Architekt ETH/SIA; Bauprojekt: Daniel Baumann, Jürg Schmid, Fabian Würmli; Ausführung: Daniel Baumann, Frank Imhof, Anke Edwardes, Rita Komlosi

Fachplaner
Bauingenieur: Aerni + Aerni, Ingenieure AG, Zürich
Bauphysik: BAKUS Bauphysik & Akustik GmbH, Zürich
Akkustik: Wichser Akustik + Bauphysik AG, Zürich
Geologie: Geocontrol AG, Zürich

Bauleitung
WIDMER I PARTNER Baurealisation AG, Zug

Gebäudekosten BKP 2
CHF 2.5 Mio

Fotos
Tom Bisig Fotografie
Basel

Siedlungserweiterung an der Hohlstrasse

Was hat Sie an der Bauaufgabe am meisten interessiert?

Zu Beginn des Projektierungsprozesses stand die Absicht der Bauherrschaft entlang der Grundstücksgrenze einer bestehenden Wohnsiedlung eine raumhaltige Lärmschutzwand zu erstellen, welche die Wohnqualität der hofseitigen Wohnräume steigern sollte. Die daraus abgeleitete Bauaufgabe - Wohnungserweiterung und Neubau Gemeinschaftslokal - wurde erst anschliessend in einer parallel verlaufenden Projektentwicklung definiert. Dies vor allem deshalb, weil die Umsetzung der Lärmschutzmassnahmen an eine noch auszuhandelnde, grenzrechtliche Vereinbarung mit dem betroffenen Nachbarn gebunden war. Der Ausgang der Verhandlungen blieb während der Projektentwicklung offen, weshalb ein prägnantes und flexibles Leitkonzept entwickelt werden musste, das verschiedene Umsetzungsszenarien zuliess.
Die Herausforderung bestand darin, die Aufgabenstellung, 'Erstellung einer raumhaltigen Lärmschutzwand', in eine Bauaufgabe umzuformulieren und sie in einem Gesamtprojekt betrieblich, ökonomisch und architektonisch sinnvoll umzusetzen.


Wie würden Sie den durchlaufenen Entwurfsvorgang beschreiben?

Basierend auf den Vorgaben der Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit, der Wirksamkeit des Schallschutzes und den hohen gestalterischen Anforderung konzipierten wir einerseits eine hohe, Raum bildende Schutzwand sowie ein zentral platziertes Innenhofgebäude. Zusammen mit dem Bestand generiert die Schutzwand Räume, welche für die privaten Wohnungen genutzt werden. Im Innenhofgebäude wurden gemeinschaftliche Bereiche angesiedelt.
Die Eingrifftiefe in den Altbau wurde bewusst gering gehalten. Dies einerseits aus Gründen der Flexibilität und andererseits um die entsprechenden Kosten gering zu halten. Die Eingriffe in den Bestand umfassten äussere Anbauarbeiten, die Verschiebung der Küche in das bestehende Wohnzimmer sowie Vergrösserungen der bereits existierenden Fensteröffnungen zu Durchgängen zu den neu projektierten Räumlichkeiten (Loggia, Zimmer etc.).
Dieses einfache Konzept entwickelten wir als starke, Gestalt gebende Grundidee, welches im Detailprojekt und in seiner konkreten Umsetzung einen hohen Grad an Flexibilität zuliess. Dies galt gleichermassen für Nutzung und Erscheinung, für die Ausbildung der Konstruktion und Oberflächen sowie auch gesamthaft für den Kostenrahmen. Das Projekt konnte daher in der Umsetzung in detaillierter Absprache mit der Bauherrschaft präzisiert und flexibel dem Bedarf entsprechend realisiert werden.

Hofgrundriss

Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?

Das Projekt liegt an einer stark befahrenen Ausfallachse von Zürich, in einem Quartier welches durch eine Blockrandbebauung des beginnenden 20 Jahrhundert geprägt ist. Über die auf dem Nachbargrundstück historisch gewachsene Lücke im Blockrand drang Strassenlärm in den Wohnhof der bestehenden, 90-jährigen Siedlung.
Mit dem Zuwachs des Verkehrsaufkommens entstand das Bedürfnis der Bauherrschaft die  Lärmbelastung der hofseitigen Wohnräume markant zu reduzieren. Das Projekt reagiert mit baulichen und betrieblichen Massnahmen auf diese Projektvorgaben.
Durch den Anbau einer zusätzlichen Wohnschicht an die bestehende Siedlung konnte die Lücke in der Blockrandbebauung zur Strasse hin reduziert werden. Zusammen mit dem Gemeinschaftslokal im Innenhof wirkt die neu gesetzte Wohnschicht mit Brandwand als Lärmriegel zu Gunsten der hoforientierten Wohnräume der Siedlung.
In den mit der zusätzlichen Wohnschicht erweiterten Wohnungen wurde die Wohnorientierung umgekehrt. Die Küche verlagerten wir in das ehemalige, strassenseitige Wohnzimmer. Die Schlafräume und die neue, grosszügige Veranda orientieren sich zum beruhigten Hof. Die vierseitige Ausrichtung und die fortlaufende Fassadenabwicklung des Gemeinschaftslokals ist Ausdruck seiner zentrierten Position im Innenhof. Das Material- und Farbkonzeptes der Wohnschicht und des Gemeinschaftslokals orientiert sich an der soliden Bauweise der bestehenden Siedlung und des nachbarlichen Backsteingebäudes.

Gemeinschaftsraum

Haben aktuelle gesellschaftliche Veränderungen, die Bauträgerschaft oder die Bedürfnisse der späteren NutzerInnen den Entwurf entscheidend beeinflusst?

Gesellschaftliche Bedingungen, Vorgaben der Bauträgerschaft und die Bedürfnisse der späteren Benutzerschaft sind Grundlage für jeden Entwurf. Im vorliegenden Projekt gilt dies umso mehr, da der Auftraggeber eine gemeinnützige Genossenschaft ist, dessen Entscheide wesentlich durch die Mitwirkung seiner Mitglieder getragen wird. In den Genossenschaftsversammlungen wurde jeweils der Projektstand mit den Beteiligten ausführlich besprochen und Anpassungen im Gestaltungskonzept, im Programm und im Ausbau vorgenommen. Mit fortschreitendem Projektstand veränderten sich nicht nur die Projektbedingungen, auch die Bedürfnisse und das Verständnis der betroffenen Mieterschaft wandelten sich.

Wie bezieht sich das Bauwerk auf Eure anderen Entwürfe und gliedert es sich in die Reihe Eurer Werke?

Jedes Bauwerk ist letztlich einzigartig und daher immer Prototyp. Abstrakte Gestaltungsprinzipen - wie "linienhaft, flächig, körperlich" - oder Wahrnehmungskategorien - wie "Standhaftigkeit, in Balance, Instabilität" - helfen uns, den Entwurf formal zu fassen. Die sorgfältige Klärung der Projektierungsvorgaben bleibt aber grundlegend, um ein Bauprojekt in einen sinnvollen Gesamtzusammenhang zu setzen. Dabei erscheint uns von Bedeutung, auch jene subjektiven und realen Bedingungen herauszubilden, die z.B. den betrieblichen und finanziellen Vorgaben, dem mittel- und unmittelbar Umgebenden oder die der Komplexität der Planungs- und Bauprozesse zu Grunde liegen, um sie dann in entwurfsbestimmende Faktoren umzuformen.
Die Ergänzung Siedlung IV, GBMZ gliedert sich insofern in eine Werkreihe ein, als wir auch bei diesem Projekt uns der Frage aussetzten, wo Ursächliches (z.B. Lärmbelastung) prozesshaft in einem eigenständigen und zugleich selbstverständlichen Bauwerk angemessenen umgesetzt werden kann.

Hofgebäude mit Gemeinschaftsraum

Ergänzung Siedlung IV, GBMZ
2010

Zürich ZH

Bauherrschaft
GBMZ, Gemeinnützige Bau- und Mietergenossenschaft Zürich ZH

Auftragserteilung

eingeladener Wettbewerb

Architektur
baumann architekten eth sia, zürich
Projektleiter: Daniel Baumann, dipl. Architekt ETH/SIA; Bauprojekt: Daniel Baumann, Jürg Schmid, Fabian Würmli; Ausführung: Daniel Baumann, Frank Imhof, Anke Edwardes, Rita Komlosi

Fachplaner
Bauingenieur: Aerni + Aerni, Ingenieure AG, Zürich
Bauphysik: BAKUS Bauphysik & Akustik GmbH, Zürich
Akkustik: Wichser Akustik + Bauphysik AG, Zürich
Geologie: Geocontrol AG, Zürich

Bauleitung
WIDMER I PARTNER Baurealisation AG, Zug

Gebäudekosten BKP 2
CHF 2.5 Mio

Fotos
Tom Bisig Fotografie
Basel

Vorgestelltes Projekt

EBP AG / Lichtarchitektur

Schulanlage Walka Zermatt

Andere Artikel in dieser Kategorie