Architektur als Vermittlerin eines Kulturwandels

Marazzi + Paul Architektur
29. Juni 2023
Foto: Regine Giesecke
Herr Paul, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Unsere Aufgabe war nichts Geringeres, als den Kulturwandel innerhalb eines Unternehmens mit architektonischen Mitteln zu unterstützen. Es galt, eine offene, kommunikative Arbeitswelt zu schaffen, die Innovation, Zugehörigkeitsgefühl und ein gutes Miteinander fördert. In den bisherigen Büros der Chromos Group war New Work schlicht nicht möglich, denn der Raum, der dafür eine wichtige Basis darstellt, liess dies einfach nicht zu: Einzelbüros, enge Korridore, fehlende Gemeinschaftsbereiche und ein klassisches Chefbüro – unter solchen Umständen waren eine gute Kommunikation und eine ausgeprägte soziale Interaktion schwerlich möglich.

Das neue Worklab 2.0 bietet nun eine New-Work-Atmosphäre, die das Fundament für einen Kulturwandel im Unternehmen ist. Wir haben einen vielschichtigen, stimmungsreichen Arbeits- und Begegnungsort gestaltet, an dem sich alte und neue Raumelemente mit Leichtigkeit verbinden. 

Der neue Pavillon in Holzbauweise unterscheidet sich architektonisch bewusst von den übrigen Büro- und Lagergebäuden, die im Hintergrund zu erkennen sind. (Foto: Regine Giesecke)
Von einem grossen Aussenbereich umgeben, ist der Pavillon das neue kommunikative und soziale Zentrum der Anlage. (Foto: Regine Giesecke)

Der neue Pavillon dient als «Town Hall», als Ort für Versammlungen. Der Längsbau, in dem Laborräume untergebracht waren, funktioniert als Plattform für Open-Office-Büros. «Möblierende» Boxen lassen den Grundcharakter des ehemaligen Industriebaus dabei unangetastet. Gleichzeitig schaffen sie als Raumsequenzen eine Bürolandschaft mit Zwischenzonen. Die Boxen sind auf spezifische Arbeitsweisen ausgerichtet. Eingepasst und teils modular neu konfiguriert wurden sie von uns zusammen mit den internationalen Büroexperten der Firma Bene Büromöbel aus Österreich. Die Boxen sind in den Chromos-Farben gehalten und kontrastieren durch ihre feine Gestalt den Industriebau.

Auch andere Bereiche im Raum wirken besonders identitätsstiftend, etwa die kleine Lounge. Und im an die Halle angrenzenden Kopfbau überzeugen die Sitzungszimmer mit einer gemütlichen Atmosphäre. Das soziale Zentrum aber ist der erwähnte Neubau, der den alten Pavillon ersetzt und für Ausstellungen und Veranstaltungen unterteilbar ist. Der überdachte Eingang dockt an den ehemaligen Laborbau an und bildet die neue repräsentative Adresse des Areals.

Der Eingangsbereich des neuen Pavillons ist grosszügig überdacht, sodass ein geschützter Aussenraum entsteht. Das Bauwerk bildet nun die repräsentative Adresse des Ensembles. (Foto: Regine Giesecke)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Das ehemalige Laborgebäude hat Geschichte: Dort wurden die Farbfilme für Fujifilm Schweiz entwickelt. Die ganze Farbfilm-Entwicklung war damals sehr innovativ, unter anderem wurden bereits optische Roboter eingesetzt. Die Sedimente dieser Nutzung sind im Gebäude immer noch zu erkennen. Für uns war deshalb klar, dass wir die Erinnerungen an die Vergangenheit aufrechterhalten werden und nicht durch radikale Intervention den Ort komplett verändern wollen. Dieser Ansatz ist nachhaltig, und zwar deshalb, weil wir den Ort so akzeptiert haben, wie er ist. Anstelle massiver baulicher Eingriffe haben wir die Halle «nur» möbliert. Das heisst, Sitzungszimmer, Akustikdecken und dergleichen sind eingestellt oder eingehängt worden und können jederzeit neu platziert oder dem Raum entnommen werden. Das ganze Konzept ist so robust ausgelegt, dass auch bestehende Elemente und gebrauchte Möbel integriert werden konnten. Auf Wiederverwendung und Rezyklierbarkeit wurde grosser Wert gelegt. 

Der Pavillon bildet das kommunikative und soziale Zentrum der Anlage. Wir haben deshalb bewusst ein anderes Material für ihn gewählt, um dieser Sonderrolle auch auf diesem Wege gerecht zu werden: Während alle anderen Büro- und Lagergebäude mit Putz- oder Metallfassaden sehr nüchtern wirken, ist bereits weithin sichtbar, dass der Pavillon eine Sonderstellung einnimmt. Zusammen mit einem sehr grosszügigen Aussenbereich ist er Lobby, Wohnzimmer, Esszimmer, Galerie, Festsaal und vieles mehr zu gleichen Teilen. Die wohnliche Materialisierung in Holz unterstreicht dies.

Foto: Regine Giesecke
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Die Bauherrschaft war bereit für einen Kulturwandel. Und der erste Schritt auf diesem Weg bestand darin, auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Entwurfsprozess teilhaben zu lassen. In Arbeitsgruppen konnten wertvolle entwurfsrelevante Faktoren eingebracht werden. So wurde zum Beispiel von vielen Mitarbeitenden gewünscht, dass der zentrale Versammlungsort eine hybride Funktion übernehmen soll und nicht nur als Kantine ausgelegt wird. Der neue Fujifilm-Pavillion erfüllt diesen Wunsch: Das Gebäude ist die neue Adresse des Geländes. Zugleich ist es das Bindeglied zwischen dem Worklab 2.0 der Chromos Group und der Produktausstellung von Fujifilm Schweiz. Darüber hinaus finden dort Events und Meetings statt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treffen sich zum Mittagessen oder auf einen Kaffee und Bilder werden ausgestellt. Sogar Yoga-Sessions und Geburtstagsfeiern werden dort abgehalten, ebenso Kunden-Apéros und Grillfeste. Kurzum, der neue Pavillon ist ein wahrer Versammlungsort. Wir danken der Chromos Group für die tolle Zusammenarbeit!

Boxen der österreichischen Firma Bene Büromöbel untergliedern die offene Bürolandschaft, die genügend Raum für verschiedene Arbeitsweisen bietet. (Foto: Regine Giesecke)
Durch die neue Einrichtung wirken die Büros hell und freundlich. Anders als vor der Umgestaltung ermöglichen sie nun eine gute Kommunikation zwischen den Mitarbeitenden. (Foto: Regine Giesecke)
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Nein, wir haben zusammen mit der Bauherrschaft sehr eng in der Konzeption gearbeitet, dies schloss auch die Baukosten und das Energiekonzept ein. Die Bauherrschaft hat uns volles Vertrauen geschenkt und daran geglaubt, dass wir das Gebäude und die Umgestaltung nach ihren Wünschen umzusetzen. 

Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?


Der Umbau für die Chromos Group ist einer von mehreren ausgeführten Aufträgen zur Gestaltung neuer Arbeitswelten beziehungsweise zum Umbau bestehender Firmenareale und -bauten. Mit jedem neuen Projekt haben wir noch besser verstanden, wie wir durch architektonische Eingriffe die Arbeitsumgebung an die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Unternehmens anpassen können. So haben wir uns Laufe der Jahre eine grosse Expertise erarbeitet, und die Gestaltung von Arbeitsräumen ist zu einer unserer Kernkompetenzen geworden. Arbeitsplätze zu entwerfen und dabei sorgsam mit bestehenden Bauten umzugehen, ist für uns eine sehr erfüllende Aufgabe.

Der neue Pavillon ist weit mehr als nur eine Kantine. Er wird für verschiedene Veranstaltungen und Ausstellungen genutzt, sogar Yoga-Sessions und Geburtstagsfeiern finden dort statt. (Foto: Regine Giesecke)
Holz sorgt für Behaglichkeit und eine angenehme Atmosphäre. Zugleich gelingt durch die Materialisierung eine bewusste Abgrenzung des Pavillons von den übrigen Büro- und Lagergebäuden. (Foto: Regine Giesecke)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Uns ist die Rezyklierbarkeit sehr wichtig, wir streben darum einfach rückbaubare Konstruktionen an. So haben wir das bestehende Laborgebäude neu möbliert, statt es aufwendig umzubauen. Alle Elemente können einfach rückgebaut und einer neuen Verwendung zugeführt werden. Der Raum kann schnell und ohne grossen Aufwand umdisponiert oder umgenutzt werden. Alle Komponenten sind gut zu trennen, auch das erleichtert eine potenzielle Wiederverwendung.

Der Pavillon ist auf einen bestehenden Schutzraum gesetzt. Wir haben also das vorhandene Bauwerk als Fundament verwendet und subtil mit Mikropfählen verankert. Darüber ist ein Holzbau in Modulbauweise entstanden. Es wurden keine Verbundstoffe verwendet. Alle Verkleidungen sind offen verschraubt, sodass sie ohne Probleme wieder rückgebaut oder bei Bedarf ausgewechselt werden können. 

Die gesamt Anlage hat neu eine CO2-neutrale Energieerzeugung erhalten. Die Abwärme des GreenDataCenters wird sowohl für die Heizung als auch für das Brauchwasser verwendet. Ein PV-Kraftwerk mit 1044 Modulen und einer Leistung von 420 KW Peak deckt während sieben bis acht Monaten den gesamten Stromverbrauch der Anlage. 

Foto: Regine Giesecke
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Zum einen waren das sicher die Akustikelemente von Impact Acoustic. Sie bieten eine hohe gestalterische Vielfalt und sind vollständig aus recycelten PET-Flaschen hergestellt, wie uns die Firma versichert hat. Zum anderen trugen die Bene-Modulboxen, die ich eingangs erwähnt habe, wesentlich zum Erfolg bei. Ihre Ausführungsqualität ist hoch, sie sind vielfältig kombinierbar und ihre technische Ausstattung ist hochwertig. Ausserdem sind sie leicht wieder zu entfernen und anderweitig zu verwenden.

Schwarzplan (© Marazzi + Paul Architektur)
Situation (© Marazzi + Paul Architektur)
Grundrisse von links nach rechts: Erd- und Obergeschoss (© Marazzi + Paul Architektur)
Bauwerk 
Worklab 2.0 der Chromos Group AG 
 
Standort
Niederhaslistrasse 10, 8157 Dielsdorf
 
Nutzung
Büro, Versammlungs- und Aufenthaltsräume
 
Auftragsart
Direktauftrag
 
Bauherrschaft
Chromos Group AG
 
Architektur
Marazzi + Paul Architektur AG, Zürich
Alfred Paul (Projektleiter), Laura Lammar (Projektarchitektin), Lia Looser und Rene Wäger
 
Fachplaner 
Bauingenieur: K2S Bauingenieure AG, Alexander Kott, Wallisellen
Elektroplaner: Ruckstuhl AG, Reto Gygli, Langenthal
Sanitär und HLK: Klimawandler AG, Samuel Hangartner, Zürich
Bauphysik und Akustik: Kopitsis Bauphysik AG, Theresa Glück, Wohlen
Brandschutz: QSS-Brandschutz Schlatter, Patrick Schlatter, Dielsdorf
Landschaftsarchitekt: Fritschi Landschaftsarchitekten GmbH, Mönchaltorf
 
Fertigstellung
2022
 
Gesamtkosten BKP 1–9
CHF 3.8 Mio.
 
Gebäudekosten BKP 2
CHF 3.2 Mio.
 
Gebäudevolumen
Umbau Laborgebäude, Niederhaslistrasse 10: 10'024 m3
Neubau Pavillion, Niederhaslistrasse 8: 1682 m3
 
Kubikmeterpreis BKP 1–9
Laborgebäude: 289 CHF/m3
Neubau Pavillion: 535 CHF/m3
 
Nachhaltigkeitsstrategie und Energieversorgung
– CO2-neutrale Fernwärme durch Nutzung der Abwärme des GreenDataCenters
– PV-Kraftwerk mit 1044 Modulen und einer Leistung von 420 KW Peak
– Wenig Umbau, neue Möblierung statt aufwendiger Eingriffe
 
Kunst am Bau
Arbeiten aus der Fujifilm-Sammlung: Die Chromos Group besitzt als im Digitaldruck und ehemals auch der Filmentwicklung tätige Firma eine Vielzahl von sehr schönen Fotografien und Drucken, die im neuen Pavillon ausgestellt sind.
 
Massgeblich beteiligte Unternehmer
Herzog Bau und Holzbau, Stettlen
Bene Bürosysteme, Waidhofen an der Ybbs, Österreich
Impact Acoustic, Luzern
Klimavent Lüftungen, Baden
Dobler Sanitär
CCT Elektroinstallationen, Opfikon
Baucompany, Dietlikon
 
Fotos
Regine Giesecke, Zug

Vorgestelltes Projekt

ZPF Ingenieure

Universitäts-Kinderspital Zürich, Akutspital

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