Gebauter Zukunftsoptimismus
Die Schweiz macht die Architektur an der Weltausstellung in Osaka zu ihrer Botschafterin: Der kreislauffähige Länderpavillon von Manuel Herz wirbt mit einer spektakulären pneumatischen Konstruktion für die Eidgenossenschaft.
Manche Nationen zweifeln, ob sich eine aufwendige Präsenz an der Weltausstellung in Osaka lohnt: Brasilien und Slowenien verzichten auf einen selbst gestalteten Länderpavillon und beziehen lieber einen Standardbau der japanischen Veranstalter. Mexiko und Argentinien sagten ihre Expo-Teilnahme sogar ganz ab. Die Schweiz hingegen nutzt die Architektur, um für sich zu werben: Ihr Pavillon soll zu den umweltfreundlichsten Bauten auf der künstlichen Ausstellungs-Insel Yumeshima in der Bucht von Osaka gehören und mit seinen organischen Formen das Publikum begeistern. Die Eidgenossenschaft möchte als Hort der Technologie und der Forschung wahrgenommen werden, aber auch als Land der Kultur, der Traditionen und zauberhafter Alpenlandschaften.
»How much does your building weigh?«, hatte der amerikanische Leichtbaupionier Buckminster Fuller Kritikern seiner Architektur entgegengehalten. Davon ließ sich Manuel Herz inspirieren: Mit seinem Team und Forschenden des Kyoto Institute of Technology entwickelte er für den Schweizer Expo-Auftritt eine Struktur aus mehreren pneumatischen Sphären. Die nur wenige Hundert Kilogramm schwere Konstruktion besteht aus aufgeblasenen Membrankissen, die an geschwungenen Stahlträgern befestigt sind. Im Inneren der Ausstellungsarchitektur herrscht normaler Luftdruck, sodass keine technisch aufwendigen Luftschleusen an den Eingängen nötig sind. Ergänzt werden die Ausstellungsräume von einem Stahlbau mit Holzfassade, der Büros und Konferenzräume aufnimmt. Dieses Gebäude scheint eine weitere Sphäre am Entschweben zu hindern, in der ein Café mit Blick über das Expo-Gelände eingerichtet ist.
Im Pavillon erwartet die Gäste unter anderem ein Panorama-Scherenschnitt, der in vielen kleinen Szenen Werte, Traditionen und Geschichte der Schweiz darstellt – und dabei an Hans Ernis Wandbild für die Schweizerische Landesausstellung 1939 erinnert. Zur Schau des Szenografenteams um Arnau Bellprat, durch die Kinderbuchheldin Heidi als Maskottchen führt, gehören aber ebenso Präsentationen von Forschungsprojekten und Hochschulen. Auch die Außenraumgestaltung fügt sich ins Konzept des Schweizer Auftritts ein: Auf der Hightech-Architektur wachsen Prunkweiden, und die Landschaftsarchitektin Robin Winogrond hat das Grundstück dicht mit im Sommer üppig blühenden Hortensien und Kreppmyrtenbäumen bepflanzt.
Nach der Expo müssen alle Bauten auf dem Ausstellungsgelände wieder abgerissen werden. Ökologisch ist das mehr als fragwürdig. Doch der Schweizer Pavillon wird kaum Müll hinterlassen: Das Bauwerk lässt sich in kleine Module zerlegen, die leicht transportiert und anderswo neu zusammengebaut werden können. Auch wäre es möglich, sämtliche Baumaterialien in neuen Gebäuden wiederzuverwenden. Aktuell laufen jedoch bereits Verhandlungen mit einem Interessenten, der den Pavillon nach der Weltausstellung an einem neuen Standort außerhalb von Osaka dauerhaft nutzen möchte.
Manuel Herz orientierte sich beim Entwurf des Schweizer Pavillons an den Bauten der Weltausstellung von 1970, die ebenfalls in Osaka stattgefunden hatte und vom bekannten japanischen Architekten Kenzo Tange gestaltet worden war. Pavillons, die aussahen wie Raumschiffe, Alien-Monster oder Zeppeline, hätten damals das Ausstellungsgelände bevölkert, schwärmt der Architekt: »Diese mutigen, optimistischen und freudvollen Architekturen müssen atemberaubend gewesen sein.« Für ihn spricht aus den Bauten der Expo 70 auch die Überzeugung, Architektur könne dazu beitragen, eine bessere Welt aufzubauen. Manuel Herz ist bekannt für Gebäude, in denen die Träume der Architektur-Avantgardisten der 1970er-Jahre von leichten, beweglichen Bauten fortzuleben scheinen: Die Fassade seines Mehrfamilienhauses Ballet Mécanique in Zürich öffnet und schließt sich wie eine Blüte, und seine hölzerne Synagoge am Gedenkort Babyn Yar lässt sich wie ein Buch aufklappen. Gleichzeitig berührt er mit klimagerechten, ressourcenschonenden Lowtech-Architekturen, die das Leben der Menschen vor Ort verbessern – etwa dem mit einheimischen Bauarbeiterinnen und Bauarbeitern errichteten Krankenhaus Tambacounda im Senegal. Mit dem Schweizer Pavillon verbindet Manuel Herz jetzt sein Ideal des umwelt- und menschenfreundlichen Bauens mit einem leichtgewichtigen Bauwerk, das an die kühnen, von der Raumfahrt inspirierten Architektur-Visionen der 1970er-Jahre erinnert.
Das Departement für auswärtige Angelegenheiten, das für den Schweizer Expo-Auftritt verantwortlich ist, erhofft sich von dem anspruchsvollen Architekturprojekt eine weitere Vertiefung der schweizerisch-japanischen Beziehungen. Denn Japan ist einer der wichtigsten Schweizer Handelspartner in Asien, und die Schweiz zählt zu den größten ausländischen Investoren im Land der aufgehenden Sonne. Gerade in Zeiten wachsender internationaler Spannungen, in denen die Vereinigten Staaten als wichtiger Partner beider Länder unberechenbar geworden sind oder sich sogar feindselig gebärden, ist Freundschaftspflege wichtig. Ob der Pavillon tatsächlich Sympathien für die Eidgenossenschaft gewinnen kann, muss sich erweisen. Architektonisch jedenfalls gehört er zu den gelungenen Beiträgen der Weltausstellung: Seine umweltfreundliche Leichtbaukonstruktion spannt reizvolle Räume auf. Fast spielerisch nutzen Manuel Herz und sein Entwurfsteam die Typologie des Pavillons – wie bereits viele vor ihnen in der Architekturgeschichte – als Experimentierfeld, um Ideen außerhalb der Zwänge der Bauindustrie zu erproben.
Projektinformationen Schweizer Pavillon Expo 2025
Standort
Osaka, Japan
Bauherrschaft
Presence Switzerland (Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten)
Architektur
Manuel Herz Architects, Basel
Manuel Herz, Diogo Franco, Ben Olschner und Francesca Mautone
Szenografie
Bellprat Partner, Zürich
Landschaftsarchitektur
Robin Winogrond, Zürich
Bauunternehmer
Nüssli Group, Hüttwilen
Lokales Architekturbüro
Atelier Morf Inc., Tokio
Forschungspartner
Kyoto Design Lab (Kyoto Institute of Technology)
Bauingenieur
SBP – Schlaich Bergermann Partner, Stuttgart
Architekturfotografie
Iwan Baan, Amsterdam