19. Internationaler Barocksommerkurs der Stiftung Bibliothek Werner Oechslin

Memoria ist mehr als Geschichte und mehr als ein Geschichte gewordenes Monument.
Im Vordergrund steht der willentliche Akt des Erinnerns. Und dies bedeutet stets das
Hineinholen geschichtlicher Gegenstände und Ereignisse in die eigene Erfahrungswelt;
somit handelt es sich – zu jedem entsprechenden Zeitpunkt – um eine Vergegenwärtigung.
Geschichte wird hier nicht ‚vertikal’ durch verschiedene Zeiten hindurch als
Abfolge in einen vermeintlich kausalen Zusammenhang gestellt, sondern vielmehr
horizontal in die lebendige Erlebniswelt integriert. (In Grabinschriften wird gerade
dieser Aspekt – im Sinne einer Überwindung von Zeit und Vergänglichkeit – sehr häufig
in den Vordergrund gerückt.)


Die Memoria bedarf deshalb zu ihrer Darstellung in besonderer Weise einer
ganzen Reihe von geistigen Fähigkeiten und Anstrengungen, des ganzen Spektrums von
„spetie & forme dell’animo“; sie besitzt ihre eigene Kraft („vigore della memoria“ und
bedient sich zudem einiger besonderer Kunstgriffe. Lodovico Dolce spricht 1562 in
seinem der Memoria gewidmeten „Dialogo“ mit Bezug auf Cicero von einer „imaginaria
dispositione delle cose sensibili nella mente“ und ergänzt: „sopra lequali la memoria
volgendosi & piegandosi, viene a eccitarsi, & a ricevere giovamento“. Es geht um den
Umgang mit der umfassenden Vorstellungswelt, unserem „imaginaire“. Man könne, so
Dolce, auf dieser Spur „con più agevolezza, più distintamente“ sich einer Erinnerung
annehmen und bedienen. Das ist für sich allein genommen längst eine ‚Kunst’. Nimmt
man die spezifischen künstlerischen Mittel noch hinzu, so erscheinen die Möglichkeiten
der Darstellung und Gestaltung der Memoria beinahe grenzenlos.

Die Kunstgeschichte weist uns insofern auf einen geradezu erdrückenden
Reichtum von verschiedenen Ausprägungen und Erscheinungsformen. Kathedralen und
Dome werden zu Behältnissen ganzer Zyklen von Grab- und Denkmälern. In Mainz
stellen sich die Fürstbisch.fe über Generationen in Pose und demonstrieren in täglicher
Präsenz die – in ihrem Fall besondere – Vereinigung weltlicher (dominium temporale)
und geistlicher Macht (dominium spirituale); sie setzen dafür das ganze Repertoire der
Bilder und Zeichen von der „effigies“ bis zu den Inschriften und Symbolen ein.
Wie üblich soll der Diskurs f.cherübergreifend angelegt sein. Wir erhoffen uns eine rege
Teilnahme von Wissenschaftlern und Promovierenden aus den Disziplinen Architekturund
Kunstgeschichte, Geschichte, Theologie, Theaterwissenschaften etc.
Da dem Gespräch, gemeinsamen Diskussionen, grosses Gewicht zugemessen wird,
sollten die Beiträge nicht länger als 20 Minuten dauern. Die Referate können in
deutscher, englischer, französischer und italienischer Sprache vorgetragen werden.
Passive Deutschkenntnisse werden vorausgesetzt.

Bedingungen: Die Stiftung übernimmt die Kosten für die Übernachtungen, die Exkursion
und die gemeinsamen Abendessen. Reisespesen können leider nicht erstattet werden.
Wir bitten um Bewerbungen mit einem kurzen Exposé und einem kurzen CV bis
spätestens 10. Dezember 2017 per e-mail an: [email protected]
Konzeption / Organisation: Dr. Anja Buschow Oechslin (Einsiedeln), Prof. Dr. Axel
Christoph Gampp (Uni Basel), Prof. Dr. Stefan Kummer (Uni Würzburg), Prof. Dr. Werner
Oechslin (Einsiedeln) in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Maarten Delbeke (ETH Zürich).