Smartes Handwerk

Elias Baumgarten
20. February 2019
Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Ziegelei Brauchli. Bild: Schaub Stierli Fotografie
Vernetzen

Lange Zeit waren die Schweizer Architekturschulen vor allem Einzelplayer. Selten zogen sie an einem Strang, denn zu unterschiedlich und bisweilen gegenläufig waren ihre Interessen und Ziele. An einer Veränderung arbeitet seit 2008 der Architekturrat der Schweiz, dem Johannes Käferstein von der HSLU Luzern als Präsident vorsitzt. Das Gremium in dem Vertreter aller Hochschulen des Landes mitsprechen versteht sich als Diskussionsplattform. Um einen fruchtbaren Austausch zwischen den Schulen und den Studierenden zu stimulieren und voranzutreiben, entwickelte man gemeinsam die Idee, Projektwochen an wechselnden Standorten zu veranstalten. Offenstehen sollen sie Studentinnen und Studenten aus der ganzen Schweiz und dem Ausland. In der vergangenen Woche schliesslich feierte dieses Gefäss Premiere: Die ArchitekturWerkstatt der Fachhochschule St. Gallen war Gastgeberin der ersten Swiss Spring School und definierte mit «arts und crafts – smart» Motto und Konzept der Workshopwoche. Anna Jessen, Leiterin der 2017 gegründete ArchitekturWerkstatt, und ihr Team thematisierten damit die Frage nach der Bedeutung des Handwerks angesichts zunehmend industrialisierter und digitalisierter Prozesse beim Bauen. 

Es beteiligten sich die BHF Burgdorf, die EPF Lausanne, die ETH Zürich, die Fachhochschule Nordwestschweiz, die HTW Chur, die HES-SO Fribourg, die HES-SO Genève, die Hochschule Luzern, die Accademia di architettura Mendrisio sowie die ArchitekturWerksatt der FHS St. Gallen. Angeboten wurden insgesamt acht Studios, je betreut von Vertreterinnen und Vertretern einer Hochschule. Entstanden sind beeindruckende Arbeiten – wir haben uns an den Schlusskritiken umgesehen und den Präsentationen gelauscht.

In den Studios wurde intensiv gearbeitet und diskutiert. Bild: Schaub Stierli Fotografie
Im Studio der Accademia di architettura. Bild: Schaub Stierli Fotografie
Kooperationen

Inhaltlich lag der Schwerpunkt der Swiss Spring School 01 auf der handwerklichen Kultur der Ostschweiz: Jedes Studio wurde begleitet von einem regionalen Handwerksbetrieb oder Unternehmen. Die Studentinnen und Studenten erhielten spannende Einblicke in die Produktion und Verarbeitung unterschiedlicher Materialien und Produkte, und durften bei und mit den Firmen an ihren Entwürfen arbeiten. Sie konnten dabei auf die Erfahrung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurückgreifen, und hatten die Möglichkeit, Materialien und Maschinen zu nutzen. Wertvolles Wissen konnte so gewonnen werden. 

Dahinter stand eine klare pädagogische Absicht: Die Studierenden für das (regionale) Handwerk zu begeistern und dessen grosses Potenzial für ihre spätere Arbeit zu verdeutlichen. Auf diese Weise sollten Alternativen zur voranschreitenden Digitalisierung und Industrialisierung der Bauproduktion aufgezeigt werden. 

Bilder: Schaub Stierli Fotografie
Qualitätsvoll

Für die Ausarbeitung ihrer Entwürfe hatten die Studierenden nur eine Woche Zeit. Eigentlich sogar noch weniger, schliesslich stand zunächst ein Kennenlernen der Firmen, ihrer Produkte und Herstellungsverfahren auf dem Programm. Umso beeindruckender waren die Ergebnisse und ihre durchweg hohe Qualität. Doch lassen wir die acht Studios und ihre Projekte gemeinsam im Schnelldurchlauf Revue passieren.

Partner des von der EPF Lausanne betreuten Studios, das Yannick Claessens und Martin Fröhlich leiteten, war die Sefar AG. Diese stellt technische Gewebe her, welche als Filter etwa in der Flugzeugproduktion Anwendung finden. Mit Architektur hat die Firma eigentlich wenig zu tun: Nur ein kleiner Prozentsatz der Produkte findet Eingang in den Bauprozess. Doch die Studierenden entdeckten den Prototyp eines Gewebes, das den Zugriff auf WLAN-Netze verunmöglichen kann, für sich. Sie bauten daraus ein kleines Zelt als Rückzugsort, in dem man nicht länger via WhatsApp und Co erreichbar ist. Kradolfer Gipshandwerk, ein kleines Familienunternehmen aus Weinfelden, unterstütze das Studio der Accademia di architettura. Es wurde von Jonathan Sergison betreut. Gebaut wurden am Firmensitz zwei Räume unterschiedlicher Anmutung: Einer dunkel, niedrig mit sehr groben Gipsoberflächen und einer hell, hoch mit glatten Wänden und abgerundeten Ecken. Mit ihrer Installation haben die Studierenden eindrücklich gezeigt, wie die Oberflächen die Raumerfahrung steuern können. Axel Gassmann, Tommy Neuenschwander und Studioleiter Dominique Salathé von Fachhochschule Nordwestschweiz arbeiteten indes mit dem grossen Sanitärhersteller Geberit zusammen. Aus dessen Standardelementen zur Befestigung von WCs, Waschtischen und Co wurden Möbel gebaut und die Vorwandinstallation so zum Objekt umdefiniert. Lando Rossmaier und Johannes Käferstein von der HSLU besuchten mit ihrer Gruppe Mega Beschläge. Dort lernten die Teilnehmenden, wie eng das Korsett der Massenproduktion ist und wie knifflig es sein kann, Sonderwünsche in der Herstellung von Beschlägen einzubringen. In Ihrer Analyse untersuchte und gestaltete die Gruppe daher unterschiedliche Typen von Türklinken – von nicht greifbar über poppig-verspielt bis produktionstauglich. Im Kurs der HTW Chur, der von Philip Loskant und Noëlle Bottoni geleitet wurde, gestalteten die Studierenden mit Schmitt Naturstein Objekte. Skulpturale Stapel aus Bohrkernen waren ebenso darunter, wie filigrane Gewebe aus wenige Millimeter starken steinernen Bändern. Die Festigkeit und zugleich die erstaunliche Filigranität des Materials wurde so ausgelotet. Mit einer Lichtinstallation wussten indes die Studierenden des Studios HES-SO Genève zu überraschen, die von Emma-Julia Fuller angeleitet wurden. Das nötige Knowhow und die Lampen dafür lieferte die Firma Fluora Leuchten. Auch die Zürcher ETH durfte an der Swiss Spring School nicht fehlen: Unter Leitung von Friederike Kluge und Florian Schrott, die am Lehrstuhl von Annette Spiro arbeiten, baute das Studio einen Treffpunkt mit Bar und Sitzgelegenheiten für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ziegelei Brauchli – selbstredend aus deren Ziegelsteinen. Um dies in der gegebenen Kürze der Zeit zu schaffen, die ein Brennen des Materials nicht erlaubte, gab es wertvolle Tipps des Lehmbauers Martin Rauch. Lehm wurde schliesslich als Fundament für die Konstruktion eingesetzt. Und die gastgebende ArchitekturWerkstatt? Sie spannte für ihr Studio mit  Tisca Tischhauser zusammen, einem Hersteller von Textilien für den Innen- wie Aussenraum. Die Leitung übernahmen dabei Mark Ammann, Anna Jessen und Stefan Forrer. Mit den Textilien wurden alle Projekte bespielt – so zum Beispiel in Form von Sitzpolstern auf dem vom ETHZ-Studio gebauten Objekt oder Teppichen in der Rauminstallation bei Kradolfer. Die Konzepte der Gruppe zeigten dabei, wie vielfältig Stoffe in der Raum- und Ausgestaltung eingesetzt werden können. 

Nach dem grossen Erfolg der ersten Swiss Spring School ist die nächste Projektwoche des Architekturrats der Schweiz bereits anvisiert. Sie wird als Summer School voraussichtlich Mitte 2020 stattfinden.

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