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Inge Beckel
11. October 2017
Die Mitarbeiterinnen Ruth Jureczek und Irene Keil im Büro von Ingeborg Kuhler (wohl 1980er-Jahre). Bild: Marina Auder

Entsprechend meinte Peter Cachola Schmal, Direktor des Deutschen Architekurmuseums, einleitend, mit der nun eröffneten Ausstellung werde das Ungleichgewicht unter den im Haus gezeigten Architekten und Architektinnen etwas ausgeglichen. Denn im DAM wurden bisher rund 100 monografische Ausstellungen ausgerichtet, von denen vier (!) Frauen gewidmet waren: Eileen Gray (im Jahre 1996), Margarete Schütte-Lihotzky (in 1997), Verena Dietrich (in 2006/07) und Galina Balaschowa (in 2015). Die jüngste, Frauen würdigende Ausstellung wurde Ende September mit viel Prominenz und generell vollem Haus eröffnet.

Grit Bauer-Revellio, GEDOK-Haus, Stuttgart, nach 1959. Ansicht von der Seidenstrasse. Bild: © GEDOK-Archiv

Für ihre Begrüssungsworte hatte Simone Zapke, Leiterin der Bauaufsicht der Stadt Frankfurt, Statistisches zu Frauen und Beruf generell zusammengesucht. Sie berichtete beispielsweise, dass, mit nur einer Ausnahme, die Männer von deutschen börsenkotierten Unternehmen verheiratet sind und im Durchschnitt 2,6 Kinder haben, während die Frauen – in derselben Funktion – mehrheitlich keine Kinder haben und nicht durchwegs verheiratet sind. Eine Befragung unter den zahlreichen Architektinnen ihrer eigenen Behörde habe ergeben, dass die Frauen, auch in leitenden Positionen arbeitend, die Möglichkeiten der Teilzeitarbeit in der Verwaltung schätzten. Eine Arbeitsweise, die in Architekturbüros weiterhin eine grosse Hürde darstellt, besonders wenn es um leitende Positionen geht. Zapke riet den jungen Frauen im Saal zudem schmunzelnd, sich die richtigen Männer auszusuchen.

Zurück zu den in der Ausstellung porträtierten Architektinnen. Als sich Emilie Winkelmann (1875–1951) fürs Studium einschrieb, tat sie dies bewusst als E. Winkelmann, denn Frauen waren im Jahre 1902 im damaligen Preussen nicht zugelassen. Entsprechend konnte sie 1906 ihr Studium nicht mit Diplom abschliessen. Nichtsdestotrotz eröffnete sie das erste von einer Frau geführte Architekturbüro Deutschlands. In seinen Eröffnungsworten erzählte Alexander Farenholtz, Vorstand der Kulturstiftung des Bundes, stolz von der Qualität der durch Emilie Winkelmann erbauten Wohnung, die er selbst bewohnt (wie er nach seinem Einzug feststellte).

Unter den jeweils mit Biografie und ausgewählten Werken Vorgestellten findet sich weiter beispielsweise Karola Bloch (1905–94), die Ehefrau des Philosophen Ernst Bloch und grossenteils Ernährerin der Familie. Oder Lotte Cohn (1893–1983), die früh in das ehemalige Mandatsgebiet Palästina auswanderte und wesentlich am Aufbau des modernen Israel beteiligt war. Gezeigt wird demgegenüber auch Gerdy Troost (1904–2003), jene Architektin, die für das Dritte Reich geplant und gebaut hatte. Weiter etwa Lotte Stam-Beese (1903–88), die am Bauhaus studiert hatte und später viele Jahre in den Niederlanden als Stadtplanerin tätig war.

Elisabeth von Knobelsdorff und Therese Mogger an der Technischen Hochschule München, 1909/10. Bild: I. Weber-Pfleger

Ebenfalls vorgestellt wird Iris Dullin-Grund (geb. 1933), die 1960 den Wettbewerb für ein «Haus der Bildung und Kultur» in Neubrandenburg gewann und zehn Jahre später Stadtarchitektin des damaligen Ostberlin wurde – in der DDR einer der renommiertesten Posten in der Architektur. Oder die Visionärin Merete Mattern (1930–2007). Sie ist weniger für ihre konkreten Umsetzungen, dafür umso mehr für ihre phantasievollen Entwürfe bekannt, die in den 1960er-Jahren die Unwirtlichkeit der Nachkriegsstadt in Westdeutschland herausforderten. Genannt sei auch nochmals Verena Dietrich (1941–2004), die eine Metallografie-Ausbildung absolviert hatte und in ihrem späteren gebauten Werk eine spürbare Meisterschaft im Umgang mit Stahl bewies. 1986 entstand zudem ihr programmatisches Buch Architektinnen. Ideen – Projekte –Bauten, in dem 62 Frauen ihre Werke selbst vorstellten. Von den heute Tätigen werden exemplarisch Gesine Weinmiller (geb. 1963) und Almut Grüntuch-Ernst (geb. 1966) vorgestellt. Neben den Porträts kommen neun Architektinnen in Interviews selbst zu Wort. Etwa Ingeborg Kuhler, die 1984 als erste Entwurfsprofessorin an eine deutsche Architekturfakultät berufen wurde.

Verantwortlich für die sorgfältig aufbereitete Ausstellung sind die Kuratorinnen Mary Pepchinski, Professorin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden – wo sie über viele Semester mit Studentinnen und Studenten die Biografien und Werke der Architektinnen be- respektive weiter aufarbeitete – und Christina Budde sowie Wolfgang Voigt vom DAM. Wie mit dem Buch von Verena Dietrich angedeutet, haben selbstverständlich schon zahlreiche Architektinnen, Städtebauerinnen oder auch Kunsthistorikerinnen Teile der Geschichte von Frauen aufgearbeitet – etwa Kerstin Dörhöfer, Ulla Terlinden oder Marianne Rodenstein, um diese nur exemplarisch zu nennen. Angesichts des krassen Ungleichgewichts von knapp 100 zu 4 monografischen Ausstellungen im DAM, die Frauen gewidmet waren, braucht es aber noch viele Forschende, bis das Feld der Architektinnen und Städtebauerinnen angemessen aufgearbeitet ist. Gleichzeitig ist mit der bis März 2018 in Frankfurt gezeigten Ausstellung ein weiterer, sehr lobenswerter und für Deutschland grosser Schritt getan. Ein Schritt, der in der Schweiz ansteht.

Margarete Schütte-Lihotzky, «die erste Frankfurter Architektin auf dem Hochbauamt». Bild: Porträtzeichnung von Lino Salini

Ausstellung im DAM
Zu «Frau_Architekt» ist ein Katalog erschienen, gleichzeitig liegt ein Bilderbuch auf, das die Karrieren von Frauen aus unterschiedlichen Ländern nachzeichnet.

Die Ausstellung ist bis zum 8. März, dem Internationalen Frauentag, nächsten Jahres geöffnet. Während dieser Zeit wird ein reichhaltiges Begleitprogramm angeboten.

Parallel zeigt «Schätze aus dem Archiv» im 2. Obergeschoss des Deutschen Architekturmuseums Pläne und Zeichnungen von Zaha Hadid zu einem Entwurf für ein Berliner Bürohochhaus. Hadid war die erste Architektin, die mit dem Pritzker-Preis geehrt wurde.

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